Juden

1. Die Reformation Martin Luthers und die Juden

Bis zum Beginn der Reformationszeit hatten fast alle jüdischen Zentren in Deutschland und Westeuropa massive Verfolgungen und Zerstörungen erlitten, zuletzt 1519 die bedeutende Gemeinde in Regensburg, ausgelöst durch die Hetzpredigten des späteren Täuferführers Balthasar →Hubmaier. Einzig die Stadtgemeinden in Frankfurt und Worms blieben verschont, in Straßburg durften sich Juden nur tagsüber aufhalten. So setzte das Judentum große Hoffnungen auf die beginnende Reformation Martin →Luthers. Der →Antiklerikalismus und die Bilderfeindlichkeit (→Bildersturm) vieler reformatorischer Kräfte wurden mit Wohlwollen aufgenommen. Ebenso entwickelte sich ein nie dagewesenes christliches Interesse an hebräischen Schriften und jüdischen Quellen. Für die Juden schien ein neues Zeitalter angebrochen zu sein. Begünstigt wurden ihre Hoffnungen durch Luthers Schrift Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei (1523). Luther widerlegte die Vorwürfe der Blutsbeschuldigungen und des Hostienfrevels und riet zu einem freundlicheren Umgang mit den Juden. Dennoch blieben direkte Kontakte oder Gespräche mit Juden nur sporadisch. Das Interesse der christlichen Hebraisten zielte vornehmlich darauf, mit Hilfe jüdischer Schriftgelehrtheit die christliche Deutung der hebräischen Bibel zu verbessern.

Für Luther standen die Juden unter dem Zorn Gottes und waren letztlich nur durch Missionierung oder Vertreibung zu überwinden. Die hessische Judenordnung von 1538 – maßgeblich von Martin →Bucer beeinflusst – verpflichtete sie zur Zwangsteilnahme an judenmissionarischen Predigten. Luthers späte Judenschriften waren in ihrer Gehässigkeit und Verteufelung der Juden kaum noch zu überbieten. Seine Schriften Von den Juden und ihren Lügen (1543) und Vom Schem Hamphoras und vom Geschlecht Christi (1543) mit ihren konkreten Forderungen an die protestantischen Landesfürsten, gegen die Juden streng vorzugehen, hatten schwere Repressalien und rechtliche Einschränkungen zur Folge. Zahlreiche Juden wurden Opfer dieser Hetze. Die Reformation brachte den Juden keine Verbesserung ihrer politischen und sozialen Lage. Einzig Kaiser Karl V. erwies sich immer wieder als ihr Rechtsgarant. Die Aufzeichnungen Josel von Rosheims, Sprecher der deutschen Judenheit, zeugen von seinen Bemühungen, kaiserliche Schutzprivilegien zu erneuern und immer wieder Schlimmstes abzuwenden.

2. Juden, Täufer und die radikale Reformation

Es hat lange gedauert, bis die →Täuferforschung das Verhältnis der radikalen Reformation zum Judentum entdeckte. James Beck untersuchte in seiner Magisterarbeit über die Wormser Propheten wohl als erster das täuferisch-jüdische Verhältnis (James Beck, The Anabaptists and the Jews, 2000). Schon 1999 hatte Michael Driedger auf gemeinsame Überlebensstrategien von Juden und Täufern hingewiesen (Michael Driedger, Crossing Max Weber´s „Great Divide“, 157–164) und 2006 täuferische Positionen und ihr Verhältnis zum Judentum erforscht (Michael Driedger, The Intensification of Religious Committment: Jews, Anabaptists, Radical Reform, 269–299). Als bahnbrechend gilt die Studie Anselm Schuberts über den apokalyptischen Täufer Augustin →Bader (Anselm Schubert, Täufertum und Kabbalah, 2008), und Rebekka Voß hat die Beziehungen zwischen jüdisch-messianischen Bewegungen und christlicher →Apokalyptik in der Reformationszeit in ein neues Licht gerückt (Rebekka Voß, Umstrittene Erlöser, 2011).

Innerhalb der weitgefächerten Erscheinungsformen des Täufertums (→Täufer) gab es ein auffallendes Interesse, vom jüdischen Gegenüber zu lernen. Die täuferische Wertschätzung des Alten Testaments und ihre Betonung der Heiligung des alltäglichen Leben durch die Erfüllung der Gebote zeugten von Gemeinsamkeit. Für Josel von Rosheim konnten täuferische Gemeinschaften sogar Vorbild für seine bedrängten Glaubensgenossen werden. Täuferische Theologen praktizierten einen unkonventionellen Umgang mit dem Bibeltext (→Schriftverständnis) und weigerten sich, das zeitgenössische Judentum aus der göttlichen Heilsgemeinschaft auszuschließen. Gemeinsam war Juden und Täufern ein geschärftes Krisenbewusstsein. Bedeutende Kräfte im Spektrum der radikalen Reformation zeigten sich offen für eine „messianische Wende“ (Rebekka Voß, Umstrittene Erlöser, 48). Der Ideenaustausch über messianische Themen zwischen jüdischen und radikalreformatorischen Milieus war beachtlich. Für beide Gruppen zog dies einschneidende Konflikte mit der herrschenden christlichen Gesellschaftsordnung nach sich.

Die Wormser Prophetenübersetzung Ludwig Hätzers und Hans Dencks

Die fruchtbare Begegnung der beiden Täufer mit jüdischen Gelehrten 1527 in Worms war außergewöhnlich. In kürzester Zeit stellten →Hätzer und →Denck die Übersetzung der Wormser Propheten aus dem Hebräischen fertig. Ihre Zusammenarbeit mit jüdischen Schriftgelehrten ist mittlerweile hinreichend belegt (James Beck, The Anabaptists and the Jews, 2000). Die rabbinische Lesart und Kommentierung der Prophetentexte erhielt von ihnen eine größere Autorität als die traditionellen christlichen Kommentare. Ihre Übersetzung vermied jegliche christologische Interpretation und bot erstmals gerade für gebildete Laien die Chance einer individuellen Beschäftigung mit der Heiligen Schrift. Luther kannte diese Arbeit, lehnte sie aber aus theologischen Gründen ab: „Aber es sind Jueden dabei gewest, die Christo nicht große hulde erzeiget haben“ (Ulrich Oelschläger, Wormser Propheten, 2007, 84). Diese vorlutherische Teilübersetzung der Bibel war dennoch ein großer Druckerfolg und stellt ein bedeutendes Beispiel jüdisch-täuferischer Kooperation dar. Die historisch belegte Teilnahme Dencks an einer Disputation mit Juden in Bergzabern in demselben Jahr war von Offenheit und Toleranz geprägt und frei von antijüdischer Polemik. In seinem Micha-Kommentar zeigte er sich gut informiert über die tatsächlichen sozialen Bedingungen der Juden. Sein heilsgeschichtliches Verständnis von der Restitution Israels als Volk Gottes galt selbst schweizerischen Reformatoren als aufrührerisch.

Hätzers Kreuzgang und täuferisch-kabbalistische Druckgraphik in Straßburg

Seit kurzem zieht ein von Hans Weiditz in Straßburg geschaffener Holzschnitt die Aufmerksamkeit der Forschung auf sich, weil er eine täuferische Martyrologie vorstellt, die in ungewohnter Weise auf jüdische Traditionen zurückgeht: Es ist der so genannte Kreuzgang, ein illustriertes und kommentiertes Flugblatt Ludwig Hätzers aus dem Jahr 1528, das, anonym verbreitet, auf die Hinrichtung des Straßburger Antitrinitariers Thomas Salzmann reagierte. Eine genaue Analyse von Bild und Text ergab, dass sich Hätzer mit diesem Werk auf die einsetzende Täuferverfolgung einstimmen wollte. Auch für das zu erwartende täuferische →Martyrium sollte das jüdische Sch´ma Israel als verbindliches Bekenntnis zu dem einen Gott Israels Vorbild sein und das gewaltsame Sterben als Kiddusch HaSchem („Heiligung des Namens“) verstanden werden (Anselm Schubert, Täufertum und Kabbalah, 91–100).

Augustin Baders messianisches Königreich

Eine einzigartige Synthese von jüdisch- kabbalistischer Endzeiterwartung und täuferisch- apokalyptischen Ideen bot Augustin →Bader und sein in der Nähe von Ulm 1529 errichtetes messianisches Königreich. Bader war geprägt und später enttäuscht von den apokalyptischen Prophezeiungen des Täuferführers Hans →Hut. Oswald Leber, der vom Wormser Rabbiner Elieser Treves in konkrete jüdische Endzeitberechnungen und Vorstellungen vom Weltenende eingeweiht worden war, führte dann Bader in die Parallelwelt der christlichen →Kabbalah und jüdischen Messianologie ein. Bader versuchte sogar, mit seinem Programm der „verenderung“ Juden in Leipheim und Günzburg zu gewinnen. Seine Botschaft gab der zeitgenössischen jüdisch-messianischen Hoffnung neue Nahrung. Dieses geistige und praktische Zusammenwirken von chiliastischem Täufertum und jüdischen sowie christlich-kabbalistischen Traditionen endete mit der schrecklichen Hinrichtung Baders und seiner Gefolgsleute. Bader wird neuerdings nicht mehr als bizarrer Phantast gesehen, sondern als ein zutiefst in der spätmittelalterlichen Welt verwurzelter Handwerker, der seine Anschauungen aus einer sozialen und religiösen Symbolwelt entwickelte, wozu auch ein zeitgenössischer jüdischer Messianismus gehörte. (Anselm Schubert, Täufertum und Kabbalah, 310). Den jüdischen Gemeinden drohte durch die Enthüllungen des wochenlangen Baderprozesses Verfolgung und großes Leid. Josel von Rosheim gelang es auf dem Augsburger Reichstag 1530 (→Reichstage) mit viel Geschick, die vor allem durch den jüdischen Konvertiten Margaritha vorgebrachten Beschuldigungen zu entkräften, die Juden würden in ihren Synagogen für den Sieg der Türken beten.

Die Sabbater in Mähren

Eine weitere Besonderheit in der frühen Täufergeschichte ist die Sabbatobservanz von Täufergruppen in →Mähren, die ab 1530/32 den Sabbat anstellte des Sonntags feierten. Ihre theologischen Führer Oswald Glaidt und Andreas →Fischer entwickelten eine regelrechte Sabbattheologie, die diesem Tag als „Zeichen der Hoffnung“ neben Taufe und Abendmahl eine quasi sakramentale Bedeutung zuschrieben. Der Sabbat wurde als antizipierendes Zeichen des Weltensabbats und der ewigen Erlösung verstanden. Die jüdischen Einflüsse auf die →Sabbater werden unterschiedlich gewertet. Während Martin Rothkegel sie bestreitet, sieht Anselm Schubert ihre Herkunft im Judentum, genauer gesagt in einer von Andreas Bodenstein von →Karlstadt übernommenen christlichen Umformung der jüdischen Kabbalah. Bei Andreas Fischer findet sich eine ausgesprochen judenfreundliche Theologie. Juden und Christen dienten demselben Gott und für Fischer war auch das zeitgenössische Israel in die Heilsgeschichte Gottes eingeschlossen (Daniel Liechty, Andreas Fischer, 1988).

Neuerdings weiß man, dass der Sabbat auch im frühen apokalyptischen Täufertum eine wichtige Rolle gespielt hat. Bei Hans Hut, Augustin Bader und dem Münsteraner Bernhard →Rothmann begegnet der irdische Sabbat als apokalyptisches Zeichen für den kommenden höheren Weltensabbat. (Anselm Schubert, Der Sabbat in der frühen christlichen Kabbalah, 2013). Luther sah bei den mährischen Sabbatern fälschlicherweise Einflüsse jüdisch-missionarischer Kräfte und den Einbruch neuer Gesetzlichkeit in die Christenheit. Seine Schrift Wider die Sabbater (1538), in der er die Juden als ein hoffnungsloses, mit Blindheit geplagtes böses Volk charakterisierte, war der Auftakt zu einer extremen Judenfeindschaft (Thomas Kaufmann, Judenschriften, 89).

Gelebte Kontakte mit jüdischen Menschen und geistige Solidarität mit dem Judentum waren jetzt gefährlich geworden. Die gehässige Polemik des Reformators gegenüber Juden und Täufern wirkte sich für beide Religionsgruppen immer bedrohlicher aus. Nicht zufällig sind fortan täuferisch-jüdische Kontakte und „judaisierende Elemente“ bei Täufergruppen nur noch in den Randgebieten Westeuropas (Norditalien, Polen) zu beobachten.

3. Juden und Mennoniten im 17. und 18. Jahrhundert

Juden und Täufer bzw. Mennoniten gingen im gesellschaftlichen Wandel von der frühen Neuzeit hin zur Aufklärung einen ähnlichen Weg. Beide Minderheiten entwickelten ähnliche Strategien der kulturellen Anpassung und Integration nach der großen Krisenerfahrung im 16. Jahrhundert. Michael Driedger hat wohl als erster auf diese gemeinsamen Entwicklungsgänge bei Juden und Täufern hingewiesen (Michael Driedger, Crossing Max Weber's „Great Divide“, 157–174). Selbstdisziplinierung und Binnenkontrolle in beiden Religionsgruppen vermochten es, fragile Aufenthaltsrechte nicht zu gefährden und das von der Geistlichkeit der Großkirchen geschürte Mißtrauen abzufedern. Politisch waren Juden und Täufermennoniten in vielen Regionen den gleichen rechtlichen Bedingungen unterworfen. Sie zahlten hohe Schutzgelder, um das Bleiberecht ihrer Familien zu sichern. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts sahen immer mehr Landesherren die Täufermennoniten und ebenso die Juden als finanzielles Geschäft. Ihrer beider Existenz war abhängig von der gewährten Toleranz der territorialen Obrigkeiten, was ein defensives Religionsverständnis mit Verzicht auf missionarische Aktivitäten bei Juden und Täufermennoniten zur Folge hatte. Freddy Raphaël (Juifs et Mennonites en Alsace, 1981), Michaela Schmölz – Häberlein (Täufer, Juden und ländliche Gemeinden, 2004) und Kerstin Häge (Das Kurfürstentum Pfalz und sein Umgang mit Mennoniten und Juden, 2006) haben in ihren Regionalstudien untersucht, wie Juden und Mennoniten in diesem Prozess der konfessionellen Ausprägung (→Konfessionalisierung) ihr religiöses Selbstverständnis modifizierten und weiterentwickelten.

Juden und Mennoniten im Elsass

Die Erfahrungen von Juden und Täufern waren hier nach dem Dreißigjährigen Krieg durch Verfolgung und Entwurzelung geprägt. Beide standen vor einem Neuanfang. Ganz ähnlich wie die Juden, die Leibzölle zu zahlen hatten, aber königliche Toleranz genossen, wurden die aus dem Zürcher und Berner Raum geflohenen Täuferfamilien strengen Sonderbedingungen unterworfen. Täufer und Juden genossen jedoch Religionsfreiheit und das religiös – kulturelle Leben vor allem der Juden konnte im ländlichen Bereich eine stetige Aufwärtsentwicklung nehmen. Objektiv betrachtet waren die Täufergemeinden mit keiner anderen Konfession so eng verbunden wie mit der allerdings zahlenmäßig um vieles größeren Judenheit. Täufer und Juden boten eine gemeinsame Zielscheibe für Denunziationen und insbesondere vom katholischen Klerus vorgetragene Vorwürfe, sie würden die Jugend verderben und sich „wimmelnd“ vermehren. Ihr kongregationalistisches Verständnis von Kultusgemeinde, religiöser Lehre und selbstorganisiertem Almosenwesen galt als Untergrabung der hierarchischen Gesellschaftsordnung. Täufer und Juden fielen auf durch die Schlichtheit ihrer →Kleidung, Gottesdienste und Begräbnisse. Sprachlich bildeten sie durch den starken Berner Dialekt und das Judendeutsch ein Volk im Volk. Ihre strenge Sonntags- bzw. Sabbatobservanz, aber auch ihre Brüderlichkeit und ihr beruflicher Ernst im landwirtschaftlichen und handwerklichen Bereich wurden geschätzt. Die starke familiäre Vernetzung und praktizierte Solidarität in Notfällen schufen, im Wechselspiel mit einer beharrlichen Treue zum Bekenntnis der Väter, in sich gefestigte Religionsgemeinschaften, die sich religiösen oder antisemitischen Anfeindungen gegenüber als resistent erwiesen. Binnenheirat und Mischehenverbot waren obligatorisch und eine strenge sexuelle Kontrolle wirkte konfliktmindernd im Zusammenleben mit der Mehrheitsgesellschaft.

Es ist belegt, dass zwischen täuferischen Bauern und jüdischen Viehhändlern gute Geschäftsbeziehungen herrschten und jüdische Geschäftsleute die Integrität ihrer täuferischen Handelspartner lobten. Täufer und Juden konnten in diesem ländlichen Milieu bis in die Zeit der Französischen Revolution stabile sittlich-religiöse Lebensformen entwickeln. Für die Identitätsbildung in täuferischen Gemeinden im Elsass war der lebendige Kontakt mit Juden ein nicht zu vernachlässigender Faktor.

Juden und Täufer in der Markgrafschaft Baden

Michaela Schmölz-Häberleins Mikrostudie gibt einen Einblick in eine konfessionell gemischte Region am Oberrhein in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Katholiken, neu angesiedelte Juden und aus der Schweiz emigrierte Täufer mussten sich gegenüber einer lutherischen Bevölkerungsmehrheit behaupten. Die Minderheitenpolitik der Markgrafen von Baden war von klaren wirtschaftlichen Interessen geleitet, wobei die herrschaftliche Schutzaufnahme, die mit Geldleistungen verbunden war, eine entscheidende Rolle spielte. Das Aufenthaltsrecht von Juden und Täufern war an klare vertragliche Bedingungen gebunden, die das arbeitsteilige Erwerbsleben und Alltagshandeln regelten. Ihre Religionsausübung sollte „in aller Stille“ praktiziert werden. Ländereien wurden erfolgreich von Täufern bewirtschaftet. Juden, Täufer und Lutheraner unterhielten ein dichtes Netz von Kreditbeziehungen, und die Wirtschaft wuchs. Täufer und Juden liehen sich untereinander Geld, und Juden und Täufer traten als Kreditgeber für die Kommunen auf. Konfliktfelder ließen sich vornehmlich im ökonomischen, weniger im religiösen Bereich ausmachen. Jüdischen Viehhändlern wurde Weidemissbrauch vorgeworfen und Zünfte wehrten sich gegen die im Textilgewerbe dominanten Täufer. Lutherische Pfarrer protestierten gegen die in jüdischen Haushalten dienenden christlichen Sabbatmägde, und täuferischen Pächtern begegnete der Vorwurf, sie würden „mit ihrem äußerlich scheinbaren Wandel beschämen“. Das dennoch erstaunlich harmonische Zusammenleben der Konfessionen war garantiert durch die ordnungspolitischen und toleranten Vorgaben des Markgrafen: „Hier kann jeder seines Glaubens leben und von Proselytenmacherei sind wir weit entfernt“ (Michaela Schmölz-Häberlein, Täufer, Juden und ländliche Gemeinden, 276). Juden und Täufer begegneten sich mit Respekt. Die konfessionellen Grenzen waren deutlich gesteckt und Mischehen verboten. Diese aufenthaltsrechtlichen Rahmenbedingungen förderten den Familiensinn unter Juden und Täufern, bestärkten ihre monogame Ehemoral und trieben zu einer methodischen Lebensführung an.

Juden und Mennoniten im Kurfürstentum Pfalz

Für deutsche und portugiesische Juden und unterschiedliche Täufergruppen bot sich nach dem Dreißigjährigen Krieg die Chance der Wiederansiedlung in einer durch großen Bevölkerungsverlust und zerstörte Agrarlandschaften gezeichneten Region. Beiden Religionsgruppen wurden aufgrund ihrer wirtschaftlichen Nützlichkeit von der kurfürstlichen Obrigkeit Aufenthaltsrechte eingeräumt. Außerdem versprachen die für Juden (1652) und Täufer (1664) ausgestellten Konzessionen, die immer wieder erneuert werden mussten, kontinuierliche Staatseinnahmen. Die Juden der Residenzstadt Mannheim wurden mit besonderen Privilegien ausgestattet, und ihr Gemeinwesen wuchs zu einem geistigen Zentrum in Südwestdeutschland. Die gewährte Glaubensfreiheit war an ein komplexes juristisches Regelwerk gebunden, die jährlichen Schutzgeldzahlungen boten jedoch keine völlige Sicherheit. Es war für Juden und Mennoniten ein in sehr vergleichbarer Weise rechtlicher Minderheitenstatus. Das Retraktionsrecht konnte eine mühsam aufgebaute bäuerliche Existenz gefährden und Denunziationen – vor allem von reformierten Prädikanten praktiziert – zur Ausweisung führen. Nur wirtschaftliche Effektivität, ein tadelloser Lebenswandel und ein ausgesprochen defensiv ausgeübtes religiöses Leben waren Garanten relativer Sicherheit. Dies galt für Juden und Mennoniten. Beide Religionsgruppen gelangten zu beträchtlichem Wohlstand, den die kurfürstliche Verwaltung auszunutzen wusste. Bei Ortswechsel war eine Summe von 400 Gulden zu zahlen, und in einem speziellen Bittgesuch wiesen die Mennoniten darauf hin, dem Kurfürsten 1741 für Wahl- und Krönungsgelder 10 000 Gulden zur Verfügung gestellt zu haben. Und von den Landjuden verlangte er zu Beginn seiner Regierungszeit für die neue Konzession 45 000 Gulden. Im Laufe dieser Entwicklung ist trotz der immensen finanziellen Belastungen bei beiden Gruppen ein immer selbstsicheres Auftreten gegenüber der Obrigkeit zu beobachten, und in der Praxis der Religionsausübung, z. B. beim Friedhofswesen und bei Eheschließungen, erzielten sie Zugeständnisse. Juden und Mennoniten wussten um ihre wirtschaftliche Bedeutung, und selbst mennonitische Mischehen – meist mit reformierten Partnern – waren bald keine Seltenheit mehr. Mennoniten erreichten bis zum Ende der Kurpfalz keine konfessionelle Gleichstellung, aber es ist auch kein Fall von Ausweisung bekannt. 1803 wurden allen christlichen Untertanen, auch den Mennoniten, die bürgerlichen Rechte zugesprochen. Schon 1797 brachte der napoleonische Einfluss den „Israeliten“ die Emanzipation.

4. Juden und Mennoniten im 19. Jahrhundert

Interessanterweise fehlen bis heute religionsvergleichende Untersuchungen zu gemeinsamen Minoritätserfahrungen von Juden und Mennoniten für diesen Zeitraum fast völlig. Das Mennonitische Lexikon kennt keinen Artikel Judentum.

Das Emanzipationsdekret von 1791 war ein am Einzelbürger orientiertes Rechtsversprechen, das aber die Anerkennung der Juden als Religionsgemeinschaft nicht sofort zur Folge hatte. Dennoch wurde ein historischer Prozeß in Gang gesetzt, durch den sie ihrer rechtlichen und sozialen Isolation entkamen. Geprägt wurde dieser Vorgang durch einen starken aufklärerischen Modernisierungsdrang, der das gesamte religiöse Selbstverständnis erfasste und die gesellschaftliche Integration zum Ziel hatte. Erneuerung von Religion und Bildung als Mittel zur Verbürgerlichung war das Motto. Obgleich die jüdische Emanzipations- und Assimilationsbewegung eine grundsätzlich andere Dynamik zeigte und ihr enormer literarischer Niederschlag kaum mit der Situation der Mennoniten zu Beginn des 19. Jahrhunderts vergleichbar ist, fallen doch überraschende Gemeinsamkeiten auf.

Juden und Mennoniten mussten in einem mühsamen Prozeß das Recht auf freie Religionsausübung erstreiten, besonders gegen die Großkirchen. Bei beiden fanden geistige Auseinandersetzungen um den richtigen Weg in die →Moderne unter Beibehaltung traditioneller Werte statt. Sie traten aus dem Winkeldasein häuslicher Betstuben heraus und bauten Synagogen und Kirchen, im ländlichen Milieu in oft ähnlicher Architektur, in den Städten Repräsentativbauten, die ein gewachsenes Selbstbewußtsein ausstrahlten. Juden und Mennoniten demonstrierten durch die Beteiligung am Militär ihre staatliche Loyalität. Gebet- und Formularbücher enthielten Fürbitten für die Obrigkeit. Mit ihren zahlreichen Bekundungen nationaler Gesinnung standen sie sich in nichts nach. Akademisch ausgebildete Rabbiner und Pastoren wurden von den Gemeinden angestellt und eigene Schulen eingerichtet. Auf beiden Seiten war ein starkes Bemühen erkennbar, die Historiographie ihrer Glaubensgemeinschaft durch eine eigenständige vorurteilsfreie Darstellung neu zu begründen. Die Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland erschien erstmals 1887, Jakob Mannhardt (Danzig) hatte 1854 die Mennonitischen Blätter begründet. Juden und Mennoniten traten ein in die Welt der Politik und übernahmen als Abgeordnete Verantwortung in Länderparlamenten und im kommunalen Bereich.

Ein herausragendes Beispiel politischer Aktivität war der Krefelder Mennonit und Bankier Hermann von →Beckerath, Führer der liberalen Partei im Preußischen Landtag und Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung. Er plädierte leidenschaftlich für die bürgerlichen Rechte auch der Juden, die ihnen durch die restaurative preußische Gesetzgebung wieder genommen worden waren: „Solange die Juden nicht frei sind, sind wir selbst nicht frei“. Im Juli 1847 zeichnete die Judenschaft im Rheinland von Beckerath mit einer Dankesurkunde aus und pries ihn als „eine Feuersäule in der Wüste“ (Mennonitische Geschichtsblätter 2010, 214–215). Schon 1796 hatte der aus Krefeld stammende holländische Mennonitenprediger Jakob Hendrik Floh die bürgerliche Gleichberechtigung (→Aufklärung) auch für die Juden gefordert (Mennonitisches Lexikon, Bd. I, 655). 1848 trat der bedeutende jüdische Rechtsgelehrte Gabriel Riesser in der Frankfurter Nationalversammlung dafür ein, dass die religiösen Vorbehalte der Quäker und Mennoniten in der Eidfrage (→Eid) zu respektieren seien. Eine einmalige Episode jüdisch-mennonitischer Zusammenarbeit spielte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert in Südrussland ab. Zaristische Agrarplaner hatten mit Unterstützung jüdischer Mäzene in verschiedenen Gebieten Russlands bäuerliche Kolonien für Juden eingerichtet. 1846 wurden mennonitische Instrukteure für jüdische Ansiedlungen im Regierungsbezirk Cherson eingesetzt und mennonitische Musterbetriebe zum Vorbild bestimmt. Diese Zusammenarbeit dauerte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts und ging als „Judenplan“ in die Geschichte der Russlandmennoniten ein.

5. Mennoniten und ihr Verhältnis zu Juden im Dritten Reich

Die deutschen Mennoniten waren auf die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus schlecht vorbereitet. Ihre Haltung war weitgehend antidemokratisch und von völkischem Gedankengut geprägt. In mennonitischem Schrifttum sucht man vergeblich nach einer Stellungnahme, die für die Anerkennung und Achtung der Juden eintrat. Es gab zwar auf ökonomischer Ebene in dörflichen Bereichen gute Kontakte zu jüdischen Händlern, aber ein wirklicher geistiger Austausch hatte nie stattgefunden. Als einzige Freikirche hatten die Mennoniten auch keine organisierte Judenmission betrieben. Diesen Standpunkt betonte noch Anfang 1936 eine Konferenz südwestdeutscher Gemeindevorsteher und Prediger: „Bisher galt ein Mennonit ohne weiteres als arisch. Ein Fall würde unseren Ruf verderben“ (vgl. Hans-Jürgen Goertz, Nationale Erhebung, 135). Zum Arierparagraph 1933 oder den Nürnberger Rassegesetzen (1935) wurde geschwiegen. Während sich jüdische Stimmen vergeblich gegen den aggressiven Antisemitismus auflehnten, hatte das deutsche Mennonitentum keinen Versuch unternommen, für die verfolgten Juden das Wort zu ergreifen. Einzig Pastor Erich →Göttner in Danzig warnte in mehreren Veröffentlichungen vor einer quasi-religiösen Verherrlichung von Volk und Rasse. In Einzelfällen bewiesen einige Mennoniten allerdings christliche Nächstenliebe gegenüber in Not geratenen jüdischen Mitmenschen. Kein einziger der wenigen Judenchristen, die einer Mennonitengemeinde angehörten, wurde der Vernichtung preisgegeben (→Drittes Reich). In den von Deutschland besetzen Niederlanden war die mennonitische Solidarität mit bedrohten Juden weitaus gezielter organisiert, auch war der Mut und das Bewusstsein stärker ausgeprägt, jüdisches Lebens selbst unter höchstem Einsatz retten zu wollen (Alle Hoekema, Dutch Mennonites and German Jewish Refugee Children, 2013). Es gab erstaunlich viele holländische Mennoniten, darunter eine Anzahl von Pastorinnen und Pastoren, die sich während der Besatzungszeit an Hilfsaktionen für bedrohte Juden beteiligten. Einige Mennoniten fanden deswegen in Konzentrationslagern den Tod oder wurden hingerichtet. Mindestens fünf mennonitische Retter wurden posthum von Yad Vashem in Jerusalem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt.

Judenfeindschaft in mennonitische Zeitschriften

Die Untersuchung von James Irvin Lichti (Houses On the Sand?, 2008) hat gezeigt, dass ab 1933 vor allem im pietistisch orientierten Gemeindeblatt der süddeutschen Mennoniten ein Antijudaismus auftauchte, der sich gängiger judenfeindlicher Klischees bediente: Juden seien Gottesmörder, ein durch die Abweisung Christi unerlöstes und heimatloses, von Gott gestraftes Fremdvolk. Das Judentum als Träger des rational-kritischen Geistes hätte in der völkischen Gemeinschaft keinen Platz und sei zum Widersacher geworden. Staatliche antijüdische Maßnahmen gegen Juden wurden gerechtfertigt, sofern sie mit Maßen praktiziert würden. Radikalere Töne schlugen westpreußisch-mennonitische Familienzeitschriften an. Dort wurden die Rassen- und Erbgesundheitsgesetze der Nationalsozialisten uneingeschränkt begrüßt, und auf gut besuchten Sippentagen feierten Mennoniten ihre Zugehörigkeit zur völkischen, von allen jüdischen Elementen befreiten Blutsgemeinschaft (→Genealogie).

Die aus Russland stammenden Publizisten Walter →Quiring und Heinrich (Hajo) Schroeder verbreiteten ihre rassistische und antisemitische Propaganda in deutschsprachigen Zeitschriften der kanadischen Mennoniten.

Mennoniten und der Holocaust

Schon 1970 hatte Anna Sudermann in ihren Lebenserinnerungen (→Autobiografie) über die schrecklichen Massenmorde an jüdischen Mitmenschen, die sich während der deutschen Besatzungszeit inmitten der mennonitischen Lebenswelt in der Südukraine ereigneten, berichtet. In jüngster Zeit erforschte Gerhard Rempel diese Ereignisse genauer und ist zu erschreckenden Ergebnissen gelangt. Aus dem ansässigen Mennonitentum stammende Mitglieder von SS-Einheiten waren ab 1941 direkt an Mordaktionen an jüdischen Männern, Frauen und Kindern beteiligt. Auch die logistische Erfassung der jüdischen Wohnbezirke in den sogenannten Dorfberichten war mit mennonitischer Unterstützung ausgeführt worden, und mennonitische Familien wurden von der Volksdeutschen Mittelstelle mit Kleidern ermordeter Juden versorgt. Jüdische Männer und Kinder der in Mischehe lebenden mennonitischen Frauen sind von SS-Einheiten gewaltsam zu Tode gebracht worden. Davon berichtete schon 1946 die Rußlandmennonitin Anna Braun bei ihrer Befragung in einem bayrischen DP-Lager. Nirgendwo sonst war eine deutschsprachige freikirchliche Gruppe der schrecklichen Praxis der Judenvernichtung so nahe wie die Mennoniten in der Ukraine. Für den Historiker Rempel sind diese Geschehnisse als Teil der mennonitischen Geschichte und die damit zusammenhängende Schuldfrage im Ganzen noch nicht ausreichend untersucht.

6. Juden und Mennoniten nach 1945

Das deutsche Mennonitentum hat sich bis heute nicht offiziell mit dem Thema Christen und Juden beschäftigt. Ein Bewusstsein für den Verlust einer jahrhundertelangen jüdisch-mennonitischen Geschichte war nicht entwickelt worden. In einer Erklärung aus Anlass des 50. Jahrestages der deutschen Kapitulation stellte die Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland (AMG) unter anderem fest: „… fast alle Mennoniten haben zu dem nationalsozialistischen Verbrechen an Juden und vielen anderen geschwiegen“ (Diether Götz Lichdi, Vergangenheitsbewältigung, 50). Weitaus intensiver begann schon unmittelbar nach Kriegende die Neubesinnung gegenüber dem Judentum unter den niederländischen Mennoniten. Sie war vor allem verbunden mit dem theologischen Engagement Frits →Kuipers, der auch als Mitbegründer der christlichen Gemeinschaftssiedlung Nes Ammim in Israel ein Zeichen der Versöhnung setzen wollte.

Das nordamerikanische Mennonitentum war und ist in seiner Verhältnisbestimmung gegenüber dem Judentum gespalten. Immer noch stark vertreten sind judenmissionarische Überzeugungen und Aktivitäten, verbunden mit dem Einsatz für messianische Christen in Israel. Unter den Theologen, die die jüdische Wurzel des christlichen Glaubens hervorhoben und der Judenmission eine klare Absage erteilten, war sicher John H. Yoder der einflussreichste.

John Howard Yoders christlich-jüdische Dialogtheologie

John Howard →Yoder hatte von 1970 bis 1995 in zahlreichen Abhandlungen und Vorträgen sein Verständnis eines jüdisch-christlichen Dialogs entwickelt. Zwei Paradigmen waren für ihn dabei ausschlaggebend: Seine spezifisch freikirchlich-täuferische Perspektive und die ausgesprochen jüdische Gestalt des Christentums (er sprach z. B. von der „Jewishness“ des Neuen Testaments und von Jesus als dem „Jewish Pacifist“). Für Yoder war das Judentum durch seine Diasporaexistenz charakterisiert, die in ihrer geschichtlichen Entwicklung in der Lage war, durch familiäre Rituale, Thorastudium und mit Verzicht auf eine hierarchisch gegliederte Priesterschaft den Verlust des Jerusalemer Tempels zu kompensieren. Yoder verstand die frühen Christen als messianische Juden mit transethnischer Ausrichtung. Ihre mit den Juden gemeinsame Einstellung hinsichtlich der Inkorporation von Heiden in den Abrahamsglauben schien ihm stärker als ihre Differenz in der Jesus-Frage. Juden und frühes Christentum betrachtete er als sich überlappende pazifistisch eingestellte Lebensmodelle ohne normative Grenzziehungen. Die einzige Unterscheidung zwischen diesen Gruppen sah er in ihrem Verständnis der messianischen Zeit: Steht ihre Erfüllung noch aus oder war sie schon angebrochen. Erst in nachkonstantinischer Zeit seien die unterschiedlichen soziologischen Ausformungen der beiden Gruppen normativ geworden, wobei für ihn die christlichen „sakramentalen“ Glaubenskategorien essentiell jüdisch geblieben waren. Für Juden und Christen lag weiterhin das Maß der messianischen Erfüllung im qualitativen Status von Friede, Gerechtigkeit und Wahrheit. Von daher hielt Yoder an der Ethik bzw. Praxis als ultimatives Kriterium jeder Schriftinterpretation fest. Diese Reduktion der Theologie auf die Ethik hatte ihm von mennonitischen Theologen Kritik eingebracht (vgl. Paul Martens, The Heterodox Yoder, 2012). Yoder hing bis zuletzt fast leitmotivisch an dem, was er jüdische Jeremia-Existenz nannte: „Suchet der Stadt Bestes“ (Jer. 29,7). Diese heimat- und herrschaftslose Glaubens- und Lebensweise mit Verzicht auf staatliche Souveränität brachte er in enge Nähe zur täuferischen Uridee einer gewaltfreien brüderlichen Gemeinschaft, wie er sie in seiner Ekklesiologie entwickelt hatte. Daher war Zionismus für ihn ein jüdischer Irrweg, ein vom Christentum entliehenes Produkt westlich-nationalistischen Denkens. Jüdische Kritiker warfen ihm eine Geringschätzung der fundamentalen Trias von Thora, Volk und Land Israel vor, die für das jüdische Selbstverständnis fundamental ist. Yoder blieb bis zu seinem Lebensende in der jüdisch-christlichen Dialogszene ein hochgeachteter und origineller Gesprächspartner, dem die Trennung von Juden und Christen nicht zwingend irreversibel erschien, weil beide ihre messianische Mission noch einzulösen hätten. Eine Rezeption dieser christlich-jüdischen Dialogtheologie steht weitgehend noch aus.

Literatur (Auswahl)

Reformation und Täufertum

James Beck, The Anabaptists and the Jews: the Example of Hätzer, Denck and the „Worms Prophets“. Master´s Thesis, University of St. Michael´s College, Toronto, Kanada, 2000. http://www.collectionscanada.gc.ca/obj/s4/f2/dsk2/ftp03/MQ57445.pdf. - Ders., The Anabaptists and the Jews. The Case of Hätzer, Denck and the Worms Prophets, in: Mennonite Quarterly Review 75, 404 – 427. - Haim Hillel Ben-Sasson, Reformation, in: Encyclopaedia Judaica, Second Edition, Volume 17, 2006. - Klaus Deppermann, Judenhaß und Judenfreundschaft im frühen Protestantismus, in: Bernd Martin und Ernst Schulin (Hg.), Die Juden als Minderheit in der Geschichte, München 1981, 110 – 130. - Achim Detmers, Vom „Judaismus“ zum „Antijudaismus“. Anmerkungen zum Verhältnis von Christen und Juden in der Reformationszeit, in: Wolfgang Kinzig und Cornelia Kück (Hg.), Judentum und Christentum zwischen Konfrontation und Faszination. Ansätze zu einer neuen Beschreibung der jüdisch-christlichen Beziehungen, Stuttgart 2002, 75 – 95. - Michael Driedger, Crossing Max Weber's „Great Divide": Comparing Early Modern Jewish and Anabaptist Histories, in: Radical Reformation Studies: Essays Presented to James M. Stayer, hg. von Werner O. Packull und Geoffrey L. Dipple, Aldershot 1999, 157 – 174. - Ders.: The Intensification of Religious Committment: Jews, Anabaptists, Radical Reform, und Confessionalization, in: Stephen G. Burnett und Dean Phillip Bell (Hg.), Jews, Judaism, And the Reformation in Sixteenth-century Germany, Leiden 2006, 269 – 299. - Thomas Kaufmann, Luther „Judenschriften“. Ein Beitrag zur historischen Kontextualisierung, Tübingen 2011. - Daniel Liechty, Andreas Fischer and the Sabbatarian Anabaptists. An Early Reformation Episode in East Central Europe, Scottdale, Pa. 1988. - Heiko A. Oberman, Wurzeln des Antisemitismus. Christenangst und Judenplage im Zeitalter von Humanismus und Reformation, Berlin 1981. - Ulrich Oelschläger, Die Wormser Propheten von 1527 – eine vorlutherische Teilübersetzung der Bibel, in: Der Wormsgau 25, 2007, 67 – 94. - Marcus Reed, Struck Down But Not Destroyed. A Comparative Study of Anabaptism and Judaism in the Sixteenth Century, 2001. http://www.messiah.edu/siderinstitute/resources/struck_down.pdf. - Martin Rothkegel, Die Sabbater. Täuferischer Sabbatarismus in Mähren im 16. Jahrhundert, in: Anselm Schubert (Hg.); Sabbat und Sabbatobservanz in der Frühen Neuzeit, Gütersloh 2013. - Jacob Rothschild, Joseph (Joselmann) ben Gershon of Rosheim, in: Encyclopaedia Judaica, Second Edition, 2006. - Anselm Schubert, Täufertum und Kabbalah. Augustin Bader und die Grenzen der Radikalen Reformation, Gütersloh 2008. - Ders., Der Sabbat in der frühen christlichen Kabbalah, in: Anselm Schubert (Hg.), Sabbat und Sabbatarismus in der Frühen Neuzeit, Gütersloh 2014. - Ders.: »Heiligung des Namens«. Zu den jüdischen Anfängen täuferischer Martyriumstheologie, in: Mennonitische Geschichtsblätter 2010, 9 – 23. - Leonore Siegele-Wenschkewitz, Josel von Rosheim: Juden und Christen im Zeitalter der Reformation, in: Kirche und Israel 6, 1991, 3–16. - Selma Stern, Josel von Rosheim. Befehlshaber der Judenschaft im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, Stuttgart 1959. - Rebekka Voß, Umstrittene Erlöser. Politik, Ideologie und jüdisch-christlicher Messianismus in Deutschland, 1500–1600, Gütersloh 2011. - Alejandro Zorzin, Ludwig Hätzer als täuferischer Publizist (1527 – 1528), in: Mennonitische Geschichtsblätter, 2010, 25 – 49.

Literatur zum 17. und 18. Jahrhundert

Birgit Kerstin Häge, Das Kurfürstentum Pfalz und sein Umgang mit Mennoniten, Juden und anderen religiösen Minderheiten, Weierhof-Bolanden 2006. - Freddy Raphaël, Juifs et Mennonites en Alsace, in: Saisons d´Alsace No. 76, 1981. - Frank Konersmann, Bußzuchtvorstellungen und Kirchenzuchtpraxis bei pfälzischen und rheinhessischen Mennoniten zwischen 1693 und 1852, in: Harm Klueting und Jan Rohls (Hg.), Reformierte Retrospektiven, Wuppertal 2001, 179 – 201. -

Michaela Schmölz-Häberlein, Täufer, Juden und ländliche Gemeinden im Badischen Hochberg im 18. Jahrhundert, in: André Holenstein und Sabine Ullmann (Hg.), Nachbarn, Gemeindegenossen und die anderen. Minderheiten und Sondergruppen im Südwesten des Reiches während der frühen Neuzeit, Tübingen 2004, 275 – 299. - Dies. und Mark Häberlein, Competition and Cooperation: The Ambivalent Relationship between Jews and Christians in Early Modern Germany and Pennsylvania, in: The Pennsylvania Magazine of History and Biography 126/3, 2002, 409 – 436.

Literatur zum 19. Jahrhundert

Diether Götz Lichdi, Zum Staatsverständnis der deutschen Mennoniten im 19. Jahrhundert, in: Mennonitische Geschichtsblätter 2011, 37–58. - Art. Judenplan, in: Mennonitisches Lexikon, Bd. II, Frankfurt/M. und Weierhof 1937, 439 – 440. - Rudolf Muhs, „Das schöne Erbe der frommen Väter“. Die Petition der badischen Mennoniten an die Nationalversammlung von 1948 um Befreiung von Eid und Wehrpflicht, in: Mennonitische Geschichtsblätter, 1985, 85–102. - H. Rosenthal, Agricultural Colonies in Russia, in: Jewish Encyclopedia, Bd. I, 1901, 252 – 256. - Jacob Toury, Emanzipation und Assimilation, in: Neues Lexikon des Judentums, Gütersloh/München 1992, 132 – 134. - Christoph Wiebe, „Solange die Juden nicht frei sind, sind wir selbst nicht frei“ – Festakt der Stadt Krefeld zu Ehren Hermann von Beckeraths, in: Mennonitische Geschichtsblätter 2010, 214 – 216.

Zum Dritten Reich

Helmut Foth, „Wie die Mennoniten in die deutsche Volksgemeinschaft hineinwuchsen“. Die Mennonitischen Geschichtsblätter im Dritten Reich, in: Mennonitische Geschichtsblätter 2011, 59 – 88. - Hans-Jürgen Goertz, Nationale Erhebung und religiöser Niedergang. Mißglückte Aneignung des täuferischen Leitbildes im Dritten Reich, in: Ders., Das schwierige Erbe der Mennoniten. Aufsätze und Reden. Leipzig 2002, 121 – 150. - Alle G. Hoekema, Dutch Mennonites and German Jewish Refugee Children, 1938–1945, in: Mennonite Quarterly Review 87, 2013, 133 – 152. - Ders., „Bloembollen“ voor Westerbork. Hulp door Zaanse en andere doopsgezinden aan (protestants-) Joodse Duitse vluchtelingen in Nederland. 1939–1945, Hilversum 2011. - Marion Kobelt-Groch und Astrid von Schlachta (Hg.), Mennoniten in der NS-Zeit. Stimmen, Lebenssituationen, Erahrungen, Bolanden-Weierhof 2017. - Peter Letkemann, „Molochna – 2004: Mennonites and Their Neighbors (1804–2004)”: An International Conference, Zaporizhzhia, Ukraine, June 2–5, 2004, in: Mennonite Quarterly Review 79, 1, 2005, 109–111. - Dieter Götz Lichdi, Mennoniten im Dritten Reich. Dokumentation und Deutung, Weierhof/Pfalz 1977. - Ders., Minderheiten, die sich lange fremd blieben. Mennoniten und Juden in der Zeit des Nationalsozialismus, in: Daniel Heinz (Hg.), Freikirchen und Juden im »Dritten Reich«. Instrumentalisierte Heilsgeschichte, antisemitische Vorurteile und verdrängte Schuld. Göttingen 2011, 65 – 76. - James Irvin Lichti, Houses on the Sand? Pacifist Denominations in Nazi Germany, New York 2008. - Gerhard Rempel, Mennoniten und der Holocaust. Von der Kollaboration zur Beteiligung an Verbrechen, in: Mennonitische Geschichtsblätter 2010, 87–133. - Ders., Mennonites and the Holocaust. From collaboration to perpetration, in: The Mennonite 1. 3. 2012: http://www.themennonite.org/issues/15–3/articles/Mennonites_and_the_Holocaust#. - Alyssa Schrag, Peace or Persecution: Mennonite Involvement in the Holocaust. A Research Paper Presented to the Department of History Bethel College, in: Mennonite Life, Sommer 2012, Bd. 66: http://tools.bethelks.edu/mennonitelife/2012/peace.php?view=print. - Anna Sudermann, Lebenserinnerungen 1893–1970, Winnipeg 1970, unveröffentl., Mennonite Heritage Center, Winnipeg. - Voices of the Holocaust. David P. Boder Interviews Anna Braun, 20. September 1946; München: http://voices.iit.edu/audio?doc=braunA. - Jonathan F. Wagner, Brothers Beyond the Sea. National Sozialism in Canada, Waterloo, Ont., 1981.

Zur Zeit nach 1945

Daniel Boyarin, Judaism as a Free Church. Footnotes to John Howard Yoder´s The Jewish-Christian Schism Revisited, in: Cross Currents, New York, Winter 2007: http://www.crosscurrents.org/Boyarin0406.pdf. - Jacob J. Enz, Judaism and Jews, in: Mennonite Encyclopedia, Bd. 5, 469 – 470: http://www.gameo.org/encyclopedia/contents/J84ME.html. - Clarence Y., Fretz, Jewish Evangelism, in: Mennonite Encyclopedia, Bd. 4, 1097–1098: http://www.gameo.org/encyclopedia/contents/jewish_evangelism/?searchterm=jews. - Frits Kuiper, Israel en de Gojim, Haarlem 1951. - Dieter Götz Lichdi, Vergangenheitsbewältigung und Schuldbekenntnisse der Mennoniten nach 1945, in: Mennonitische Geschichtsblätter 2007, 39 – 54. - Paul Martens, The Heterodox Yoder, Eugene, OR, 2012. - Alain Epp Weaver, John Howard Yoder's „Alternative Perspective“ on Christian-Jewish Relations, in: Mennonite Quarterly Review 79, 3, 2005: http://www.goshen.edu/mqr/pastissues/july05eppweaver.html. - John Howard Yoder, The Jewish-Christian Schism Revisited, hg. von Michael G. Cartwright and Peter Ochs, Grand Rapids, MI,, 2003. - Ders., See how they go with their Face to the Sun, Vortrag Los Angeles, 23. 9. 1995: http://brandon.multics.org/library/John%20Howard%20Yoder/seehowgo.html. - Ders., Paul the Judaizer, Menno Simons Lectures, Bethel College, Newton, Kans., 1982: http://brandon.multics.org/library/John%20Howard%20Yoder/paul%20the%20judaizer.html.

Helmut Foth

 
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