Schowalter, Paul

geb. am 17. Juli 1912 auf dem Kaplaneihof b. Bad Bergzabern, gest. am 28. August 1984 auf dem Weierhof/Pfalz, Deutschland; Pfarrer, Schriftführer des Mennonitischen Geschichtsvereins.

Paul Schowalter wurde als drittes von neun Kindern der Eheleute Adolf Schowalter und Katharina, geb. Peterschmitt kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges geboren. Er besuchte die Lateinschule in Bergzabern und anschließend das Humanistische Gymnasium in Landau, wo er 1932 das Abitur ablegte. Im selben Jahr nahm er das Studium der Theologie an der Universität in Tübingen auf, setzte es in Greifswald und Erlangen fort und schloss es im Sommersemester 1936 mit dem Examen an der evangelisch-theologischen Fakultät in Tübingen ab. Tübingen und Erlangen waren damals die bedeutendsten theologischen Fakultäten Deutschlands. Schowalter hörte u. a. Vorlesungen der Theologen Werner Elert, Paul Althaus, Karl Heim und auch des bereits emeritierten Adolf Schlatter. Während seiner Studienzeit war er Mitglied in der Deutschen Christlichen Studentenvereinigung. Als Tübinger Student unterschrieb er, zusammen mit über 557 Kommilitonen, eine Entschließung, die sich gegen den Reichsbischof Ludwig Müller wandte und sich für die Württembergische Kirchenregierung Theophil Wurms aussprach (15. 11. 1934), obwohl der Anteil an Sympathisanten unter den Professoren für die Deutschen Christen nicht unerheblich war. Verbürgt ist auch, dass der Student ebenfalls mit 450 Tübinger Studenten an einer Demonstration für Landesbischof Wurm in Stuttgart teilnahm. Schlatter und Heim entstammten pietistischen Kreisen und wurden einer Theologie des „biblischen Realismus“ zugerechnet. Sicherlich haben Heims Auseinandersetzung mit Fragen der Naturwissenschaften und die Entwicklung eines umfassenden Wirklichkeitsverständnisses unter dem Eindruck des christlichen Glaubens einen starken Eindruck bei ihm, wie bei den meisten Theologiestudenten in Tübingen, hinterlassen. Grundsätzlich zählten seine Lehrer zu den so genannten Vermittlungstheologen. Sie setzten sich von der liberalen Theologie des 19. Jahrhunderts ebenso ab wie von der Dialektischen Theologie und den Theologen, die sich um die Entmythologisierung der biblischen Texte bemühten. Während des Dritten Reichs standen diese Theologen nicht auf der Seite der Bekennenden Kirche, aber ebenso wenig auf der Seite der Deutschen Christen. Diese theologische Haltung hat Schowalter entscheidend beeinflusst. Sie hat es ihm auch ermöglicht, evangelische Theologie, wie er sie in Tübingen kennengelernt hatte, mit mennonitischem Erbe zu verbinden und gemeinsam mit Otto →Schowalter, Walter →Fellmann und Gerhard →Hein einen eigenen Typ des mennonitischen, akademisch hervorragend geschulten Pfarrers auszubilden, der die Mennonitengemeinden nach dem Zweiten Weltkrieg nachhaltig prägte.

Im Herbst 1936 begann Paul Schowalter sein Vikariat bei Christian →Neff auf dem →Weierhof. Bei ihm erlebte in den nächsten zwei Jahren eine intensive praktische Ausbildung. Neff war sein Vorbild und Mentor. Schwerpunkte dieser praktischen Ausbildung waren die Nachbereitung der 3. Mennonitischen Weltkonferenz, die Arbeit am Mennonitischen Lexikon, Familienforschung, Predigtdienst, Religionsunterricht an der Weierhöfer Schule (von 1936 bis 1941 war diese Schule Gauoberschule, in der sowohl mennonitischer als auch sonstiger Religionsunterricht erteilt wurde, ab 1941 wurde aus dieser Schule eine Napola, in der jeglicher Religionsunterricht untersagt war), übergemeindliche Tätigkeiten u. a. Die Lehrjahre bei Neff haben ihn stark geprägt und sicher seinen Arbeitseifer, seine historischen und familienkundlichen Interessen, seine Vielseitigkeit und seine biblisch orientierte Predigtweise angeregt oder verstärkt.

Ab 1938 war Schowalter Pfarrverweser der Mennonitengemeinden Weierhof und Uffhofen, ordiniert wurde er am 19. 2. 1939. Am 24. 8. 1939 heiratete er Trudel Hege vom Mückenhäuserhof. Aus dieser Ehe gingen fünf Kinder (vier Jungen und ein Mädchen) hervor. Anfang 1940 wurde er zur Wehrmacht einberufen und leistete seinen Dienst als Sanitäter und Regimentsschreiber in Russland und Frankreich ab. Am 1. 8. 1945 kam er aus der Gefangenschaft auf den Weierhof zurück, wo der hoch betagte Christian Neff in den Kriegsjahren wieder die Gemeinde betreut hatte.

Die Wiederbelebung der Kinder- und Jugendarbeit, regelmäßiger Predigtdienst und Einführung von Gemeindetagen waren wichtige Schwerpunkte in der Nachkriegszeit. Als 1947 die ersten Heimatvertriebenen aus Ost- und Westpreußen in die Pfalz und auf den Weierhof kamen, half er mit Unterstützung des →Mennonite Central Comittee (MCC), sie anzusiedeln und zu integrieren. Da die Gemeindemitglieder weit zerstreut wohnten, musste er nicht nur auf dem Weierhof und in Uffhofen Gottesdienst halten, sondern auch in Bennhausen, Eisenberg und Monzernheim. Der Neubau des Gemeindehauses auf dem Weierhof fiel in seine Amtszeit. Nebenher erteilte er von 1953 bis 1962 mennonitischen Religionsunterricht am Nordpfalzgymnasium in Kirchheimbolanden und an der Heimschule Weierhof.

Seine übergemeindlichen Tätigkeiten waren umfangreich und vielfältig. Von 1947 bis 1975 war er Schriftführer des →Mennonitischen Geschichtsvereins und von 1968 bis 1975 provisorischer Leiter der →Mennonitischen Forschungsstelle. Er war viele Jahre Mitschriftleiter der Mennonitischen Geschichtsblätter (1949–1969). In seiner unermüdlichen Arbeit für den Geschichtsverein konnte er seine historischen und familienkundlichen Interessen in idealer Weise verwirklichen. Schließlich betreute er viele europäische und amerikanische Touristengruppen und Einzelbesucher und half ihnen bei der archivalischen Suche nach ihren Vorfahren.

Von 1951 bis 1968 war er Rechner und Schriftführer der Konferenz der Süddeutschen Mennoniten und einige Jahre im Vorstand der →Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden. Er war Mitglied im Deutschen Mennonitischen Missionskomitee, im →Deutschen Mennonitischen Friedenskomitee, in der Jugendkommission und in der Gesangbuchkomission. Von 1951 bis 1967 redigierte er den Mennonitischen Gemeindekalender (heute Mennonitisches Jahrbuch).

Vorübergehend war er Mitglied im Komitee der Europäischen Mennonitischen Bibelschule auf dem →Bienenberg in der Schweiz und von 1959 bis 1964 Mitglied des Präsidiums der →Mennonitischen Weltkonferenz. In dieser Zeit reiste er zwei Mal nach Nordamerika, dort besuchte er verschiedene Gemeinden und hielt Predigten und Ansprachen.

Schowalter schrieb zahlreiche Artikel, familiengeschichtliche und historische Beiträge, Predigten, Berichte ebenso wie Buchrezensionen in mennonitischen Zeitschriften, vor allem in den Mennonitischen Geschichtsblättern und im Mennonitischen Jahrbuch. Zum Mennonitischen Lexikon steuerte er elf Artikel bei, längere über „Menschwerdung Christi“ und „Märtyrer“.

1967 wurde er von einer schweren Depression befallen und im Jahre 1972 vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Aktive und schöpferische Zeiten zwischen den depressiven Phasen ermöglichten ihm aber weiterhin die Arbeit in verschiedenen Gremien und vor allem die Fertigstellung des Stammbuchs der Familie Schowalter im Jahre 1979, an dem er fast lebenslang gearbeitet hat. Nach seiner Pensionierung lebte er weiterhin bis zu seinem Tod auf dem Weierhof.

Auswahlbibliografie

Die Essinger Konferenzen 1759 und 1779, ein Beitrag zur Geschichte der amischen Mennoniten, in: Mennonitische Geschichtsblätter, 1938, 49–55. - Die Ibersheimer Beschlüsse,1803 und 1805, in: Mennonitische Geschichtsblätter, 1963, 29–48. - Mennoniten auf dem Haftelhof in der Pfalz, in: Mennonitische Geschichtsblätter, 1971, 39–50. - Pfälzer Mennoniten in reformierten und lutherischen Kirchenbüchern, zusammen mit Alfred Kuby, Mennonitische Geschichtblätter, 1973, 68–75. - Zur Geschichte der Mennonitengemeinde Schafbusch, zusammen mit Otto Schowalter, in: Mennonitische Geschichtsblätter, 1976, 68–77. - Die Bedeutung von Menno Simons für unsere Bruderschaft, in: Der Mennonit, 1961, Nr.7, 85–86. - Christian Neff, ein Lebensbild, in: Mennonitischer Gemeindekalender 1951, 17–39. - Der Kirchenbau in den Mennonitengemeinden von Pfalz-Hessen, in: Mennonitischer Gemeindekalender 1953, 36–44. - Die Schule auf dem Weierhof, in: Mennonitischer Gemeindekalender 1958, 47–60. - 300 Jahre Mennonitengemeinde Weierhof, 1682–1982, herausgegeben von Gary Waltner, Weierhof 1982, 47–69. - Stammbuch der Familie Schowalter, in Zusammenarbeit mit dem Familienausschuss Schowalter, Weierhof b. Marnheim 1979.

Nachrufe

Heinold Fast, Paul Schowalter (1912 – 1984), in: Mennonitische Geschichtsblätter 1985, 128 f. - Theo Glück, Paul Schowalter, in: Gemeinde unterwegs, November 1984, 129. - Horst Quiring, Paul Schowalter, in: Mennonitische Blätter, Oktober 1984, 152.

Jochen Schowalter

 
www.mennlex.de - MennLex V :: art/schowalter_paul.txt · Zuletzt geändert: 2020/05/24 18:03 von bw     Nach oben
© 2010 - 2020 Mennonitischer Geschichtsverein e.V. | Impressum | Kontakt: webmaster@mennlex.de | Umsetzung: Benji Wiebe, mennox.de |
Artikel drucken
| ODT Export | PDF Export