Weierhof (Mennonitengemeinde in Bolanden-Weierhof)

1. Die Anfänge der Gemeinde

Als sich der „Wiedertäufer“ Peter Crayenbühl um die Pacht des Weierhöfer Hofgutes bewarb, bat er gleichzeitig darum, „daß ihm mit den Seinen verstattet werden möge, ihren Gottesdienst ungehindert zu verrichten“. So beginnt mit seinem Pachtantritt 1682 auch das mennonitische Gemeindeleben auf dem Weierhof. Die Einschränkung bestand darin, dass er sich nur mit seiner Familie „privatim“ versammeln durfte. Diese bestand aus Peter und Anna Crayenbühl sowie ihren zwei Töchtern und sechs Söhnen, von denen zwei wiederum eigene Familien hatten.

Familie Crayenbühl (schon bald wird daraus „Krehbiel“) war wahrscheinlich um 1670 aus der Schweiz eingewandert, als eine große Anzahl Verfolgter in die Pfalz flüchtete. Bevor sie auf den Weierhof kam, lebte die Familie in Gaugrehweiler, ca. 20 km vom Weierhof entfernt, auf der Westseite des Donnersberges.

Schon 1685 werden in den umliegenden Dörfern und auf einigen Höfen Mennonitenfamilien genannt, die sich offensichtlich auf dem Weierhof zu Gottesdiensten trafen. Vier Söhne des ersten Pächters erbauten hier neue Höfe, später kamen mehrere hinzu, einige ihrer Nachfahren leben heute noch in dem kleinen Dorf. Aus einem Almosenbuch, das 1716 mit Eintragungen beginnt, geht hervor, dass die Gemeinden Weierhof und Erbesbüdesheim ihre Gottesdienste gemeinsam im Wechsel abhielten. Diese Schwestergemeinde – ca. 20 km nordöstlich vom Weierhof – machte sich 1748 selbstständig und entwickelte sich zur Gemeinde Uffhofen.

2. Ausbau und Festigung der Gemeinde

Als der katholische Pfälzer Kurfürst Johann Wilhelm 1706 das Amt Bolanden und damit auch den Weierhof gegen anderen Besitz eintauschte, kam die Gemeinde unter nassau-weilburgische Herrschaft, die gegenüber den Mennoniten wesentlich toleranter als der Kurfürst war.

Namentlich wird erstmals 1743 Ulrich Ellenberger aus Rüssingen als Ältester genannt, der wahrscheinlich diesen Dienst für mehrere Gemeinden ausübte. Zu Gottesdiensten versammelte sich die Gemeinde „in der oberen Stube“ des Jost Krehbiel, einem Enkel des ersten Pächters.

1769 wird ein Gesuch von vier Bewohnern des Weierhofs an den Fürsten in Kirchheimbolanden, ein eigenes Versammlungshaus bauen zu dürfen, noch abgelehnt; aber schon 1770 konnte ein neues Haus errichtet werden. „Die Lehr“, wie es genannt wurde, diente als Schulhaus und zur Feier von Gottesdiensten. Äußerlich musste dieses Gebäude wie ein normales Wohnhaus aussehen.

Ab 1791 wurde die linksrheinische Pfalz französisch besetzt, und auch der Weierhof kam unter Napoleons Herrschaft. Für die Gemeinde war es ein schwerer Schlag, als 1805 einer ihrer jungen Männer französischer Soldat werden musste und 1811 in Spanien fiel. Eingaben an die Obrigkeit in Paris hatten ihn nicht retten können. Als die geschlagene französische Armee aus Russland zurückkehrte, schleppte sie eine pestartige Seuche in die Pfalz ein, an der 1813/14 innerhalb kurzer Zeit elf Gemeindeglieder starben, darunter drei Prediger. Die meisten wurden auf dem 1811 neben dem Versammlungshaus eingerichteten Friedhof begraben, der auch heute noch besteht.

Die Bereitschaft, der Gemeinde als Prediger zu dienen, wurde in den folgenden Jahren immer geringer. So wurde 1835 der erste theologisch ausgebildete Prediger hauptamtlich angestellt. Es war Hermann Reeder, vorher Prediger der Mennonitengemeinde Neuwied, der seine Ausbildung in einem Seminar der Baptisten in England erfahren hatte; ursprünglich stammte er aus der evangelischen Landeskirche. Durch seine Tätigkeit wuchs die Gemeinde innerhalb kurzer Zeit so sehr, dass schon 1837 eine neue Kirche errichtet werden musste, die bis heute als Versammlungshaus dient. In dieser Zeit wurde auch die Gemeinde Uffhofen Filialgemeinde. Sie blieb es bis 1972, als sie sich vollständig der Gemeinde Weierhof anschloss.

Hermann Reeders Nachfolger wurde Michael Löwenberg vom Weierhof. Neben seinem Beruf als Lehrer der Weierhöfer Volksschule, betrieb er eine Landwirtschaft mit Brotbäckerei und übte das Ältestenamt aus. Er hielt es für notwendig, eine Ausbildungsstätte für mennonitische Prediger zu gründen, fand aber für dieses Vorhaben bei den deutschen Mennoniten keine Unterstützung. So richtete er 1867 eine Höhere Schule in seinem eigenen Haus ein, aus der sich das Gymnasium Weierhof mit Internat entwickelte. Heute ist die Schule ein staatlich anerkanntes Ganztagsgymnasium in privater Trägerschaft, das von etwa 850 Schülern besucht wird.

3. Neuere Entwicklungen in der Gemeinde

Einer der bekanntesten Pastoren der Gemeinde war Christian →Neff. Von 1887 an bekleidete er dieses Amt über fünfzig Jahre lang. Er zog in das neue Pfarrhaus ein, welches die Gemeinde von seinem Vorgänger erworben hatte. Christian Neff pflegte außerordentlich viele nationale und internationale Kontakte, übte neben seinem Beruf sehr viele Ehrenämter aus und prägte die Gemeinde durch seine lange Tätigkeit. Auch bildete er Vikare aus, die später auf dem Weierhof und in anderen Gemeinden tätig waren. Neff weckte in ihnen Interesse an der Erforschung des Täufertums. Mit ihren Artikeln trugen sie zum Gedeihen des Mennonitischen Lexikons bei, welches von Christian Neff und Christian →Hege im und nach dem Ersten Weltkrieg auf den Weg gebracht worden war. Die jährlichen Bibelkurse mit Referenten aus dem In- und Ausland, die bis heute durchgeführt werden, gehen auf Christian Neffs Initiative zurück. Sie beeinflussten das geistliche Leben der Gemeinde ungemein und machte sie offen für das weltweite Mennonitentum. In den 1920er Jahren erlangte die Gemeinde Korporationsrechte, die sie heute noch besitzt.

Hatte die Gemeinde um 1940 etwa 370 Mitglieder einschließlich der Kinder, so wuchs sie nach dem Zweiten Weltkrieg durch Zuzug westpreußischer Mennoniten auf ungefähr 620 Mitglieder einschließlich der Kinder an. Viele siedelten sich im Gemeindebereich an, manche sind weitergezogen, zum Teil auch nach Uruguay ausgewandert. Es kamen auch Laienprediger mit, die das seit 1835 ruhende Laienpredigertum (→Laienprediger) auf dem Weierhof wiederbelebten. Sie unterstützten den langjährigen Pastor Paul →Schowalter, der sich sehr um die Integration der zugezogenen Gemeindemitglieder bemühte.

Ein neues Gemeindehaus wurde 1967 eingeweiht, welches hauptsächlich in Eigenleistung errichtet worden war. Endlich gab es Raum für Kinder- und Jugendarbeit, Vortragsveranstaltungen und Familienfeiern.

Eine umfassende Modernisierung der Gemeinde setzte in den 1960er Jahren ein. Beeinflusst von den Erlebnissen des Zweiten Weltkrieges und geprägt durch den großen Zuzug von westpreußischen Glaubensgeschwistern, wurden die Zeichen der Zeit erkannt: Junge Vorstandsmitglieder wurden gewählt – zeitlich begrenzt und nicht mehr auf Lebenszeit -, Frauen übernahmen Aufgaben im Vorstand und in der Verkündigung, der Pastor war nicht mehr Vorsitzender des Vorstandes, auch wurden wieder Predigtdienste von Laien übernommen. Die Gemeinde öffnete sich immer mehr der ökumenischen Bewegung, nicht zuletzt durch die zunehmende Zahl konfessionsverbindender Ehen. Ebenso erfolgte eine Rückbesinnung auf das mennonitische Friedenszeugnis, das sich auch in vielen Freiwilligendiensten von Gemeindegliedern bis heute immer wieder äußert.

Als Ende der 1960er Jahre die →Mennonitische Forschungsstelle in Räume des Weierhöfer Gymnasiums zog, war dies auch eine Bereicherung für die Gemeinde, nicht zuletzt durch die vielen nationalen und internationalen Nutzer. Gemeindeglieder stellten später einen Bauplatz zur Verfügung, auf dem die 1998 eingeweihte Forschungsstelle errichtet werden konnte.

Nachfolger von Paul Schowalter, der 1972 nach 34 Dienstjahren in der Gemeinde in den Ruhestand trat, wurde Hans Werner Janzen (1972–1981). Ihm folgten Willi Wiedemann (1981–1996) und Andrea Lange (1996–2008). Ab 2009 teilten sich Carmen und Walter Rossol die Pastorenstelle.

2015 zählte die Gemeinde ca. 270 Mitglieder, dazu kommen die Kinder und ein weiter Freundeskreis. Die große Bandbreite der Frömmigkeit, sowie die Vielfalt an Persönlichkeiten und Prägungen sind starke Elemente. Ein engagierter Mitarbeiterkreis ermöglicht ein umfangreiches Gemeindeleben, welches weitgehend in Kirche, Gemeindehaus und Pfarrhaus stattfindet.

Die Gemeinde ist Mitglied der →Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland und der →Arbeitsgemeinschaft südwestdeutscher Mennonitengemeinden. Ebenso ist sie Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Südwest und auf lokaler Ebene mit den Gemeinden vor Ort und in der Umgebung vernetzt.

In der Gemeindesatzung von 2010 heißt es unter anderem: „Unsere Gemeinde ist eingebunden in die mennonitische Geschwisterschaft und in die weltweite Gemeinde Jesu Christi. Dabei ist uns wichtig: Offen und einladend zu leben.“

Quellen

Christian Galle und Christian Neff, Weierhof, in: Mennonitisches Lexikon, Bd. IV, 1967. - Adolf Hertzler, Private Aufzeichnungen von 1979, einzusehen in der Mennonitischen Forschungsstelle. - Hermann König, Der Weierhof – Bolandens ältester Ortsteil, in: Bolander Heimatverein e.V. (Hg.), Ortschronik Bolanden, 2002. - Mennonitengemeinde Weierhof (Hg.), 300 Jahre Mennonitengemeinde Weierhof, 1682–1982, Weierhof 1982. - Steffen Wagner, „Aus weltanschaulichen Gründen besonders bekämpft und gehasst?“ Die Weierhöfer Schule und ihre Umwandlung in eine NS-Eliteanstalt im Jahr 1936, in: Mennonitische Geschichtsblätter 2011, 89–160.

Anschrift der Gemeinde

Mennonitengemeinde Weierhof, Crayenbühlstr. 7, 67295 Bolanden – Weierhof, Tel: 06352/5496

E-Mail: buero@mennonitengemeinde-weierhof.de | Homepage: http://www.mennonitengemeinde-weierhof.de

Wolfgang Driedger

 
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