Danzig

1. Die Anfänge

Das Datum der frühesten Täufer- oder Mennonitenpräsenz in Danzig (poln. Gdansk) ist nicht bekannt. Danzig war ein wichtiges Handelszentrum und als Hansestadt eng mit den Niederlanden verbunden. Im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts gab es möglicherweise Gruppen oder Einzelpersonen, die in der Region als allgemeine religiöse Dissidenten lebten, aber nicht eindeutig als Täufer zu identifizieren waren. Gut etablierte Handelswege brachten Immigranten aus den Niederlanden in die Stadt. Aber es gab auch Einwanderer ins Weichseldelta, die aus anderen Regionen stammten, wie die aus Mähren, die weiter südlich siedelten. Es ist wahrscheinlich, dass die Täufer aus Danzig und Umgebung sowohl Einwanderer als auch Anwohner anzogen, obwohl längerfristig die Einwanderung aus den Niederlanden überwog.

Das Fehlen einer organisierten Täuferverfolgung in der Danziger Region (im Gegensatz zu anderen Teilen Europas) bedeutet auch, dass Urkunden über die frühen Jahre ziemlich spärlich sind. Danzig und andere Hansestädte gaben zwar in den Jahren 1534–1535 während der Täuferherrschaft in Münster Erklärungen gegen das Täufertum ab, aber es ist wahrscheinlich, dass diese nicht von der tatsächlichen Anwesenheit der Täufer in Danzig, sondern von eingebildeten Ängsten vor einem Münsterischen Ansteckungseffekt motiviert waren. Die Präsenz der Täufer und Mennoniten in der Danziger Region wurde durch die Vielfalt der Gerichtsbarkeiten über verschiedene Gebiete in der unmittelbaren Umgebung der Stadt und sogar innerhalb der Stadt erleichtert. Der regionale katholische Bischof hatte Oberhoheit über das Land, das bis zu den Stadtmauern lief, und andere kirchliche Organisationen, wie Klöster, über bestimmte Besitztümer. Die Stadt selbst hatte Jurisdiktionsgewalt über ziemlich große Gebiete außerhalb der Stadtmauern. Die polnische Krone hatte Oberhoheit über bestimmte Landstriche. Weiter draußen auf dem Land hatten andere Städte, kirchliche Einrichtungen und gelegentlich auch Adlige die Kontrolle über bestimmte Gebiete. Die wirtschaftlichen und politischen Interessen dieser verschiedenen Autoritäten waren nie gut aufeinander abgestimmt, so dass die Mennoniten Nischen finden konnten, in denen sie geduldet wurden. Sie konnten auch oft Verteidiger gegen Belästigungen finden, deren Interessen sich vorübergehend mit ihren Interessen deckten, oder weil sie ein gemeinsamer Gegner verband.

Eine der frühesten konkreten Hinweise auf eine täuferische Präsenz in Danzig ist der Brief von Menno →Simons aus dem Jahre 1549 an Anhänger in der Region. In dem Brief bezieht er sich auf mindestens einen früheren Besuch dort. Zu dieser Zeit scheint es eine organisierte Gemeinde gegeben zu haben. Irgendwann nach der Mitte des 16. Jahrhunderts kam Dirk →Philips aus den Niederlanden nach Danzig. Er gilt als erster Ältester der Danziger Gemeinde. Er war auch mit der flämisch-friesischen Fraktion verwickelt, die das Bild eines organisierten Mennonitentums für die nächsten Jahrhunderte prägte.

Flämische Täuferflüchtlinge hatten sich in Friesland niedergelassen, und es kam zu Differenzen zwischen den Flüchtlingen und den Täufern dort. Die beiden Gruppen trennten sich offiziell 1566. Dirk Philips wurde von Danzig aus als Vermittler berufen und stellte sich auf die Seite der Flämischen, obwohl er selbst aus Friesland stammte. Er starb in Friesland und kehrte nie nach Danzig zurück. Das Etikett Flämisch und Friesisch diente schnell zur Kategorisierung von religiösen Parteien und verweist nicht auf die tatsächliche geographische Herkunft, wie der Fall Dirk Philips zeigt. Beide Parteien spalteten sich schnell in zahlreiche kleinere Splittergruppen auf. In den Niederlanden verschwand diese Teilung im Laufe des nächsten Jahrhunderts allmählich und wurde von anderen Gruppierungen abgelöst. Im Weichseldelta, wo sich die Gemeinden eher an die härteren Splittergruppen hielten, blieb die Teilung bis ins 19. Jahrhundert erhalten.

Trotz der Mitwirkung von Dirk Philips scheint sich die Danziger Gemeinde seit einigen Jahren dagegen gesträubt zu haben, in die Fraktionskämpfe hineingezogen zu werden. Der Älteste nach Dirk Philips, Quirin Vermeulen, hielt die Gemeinde für längere Zeit zusammen, selbst als die Aufspaltung die Niederlande erreicht hatte. Im Jahr 1588 ließ der Älteste der friesischen Gemeinde in Montau, Hilchen Schmidt, Vermeulen absetzen, was zur Bildung separater friesischer und flämischer Gemeinden in Danzig führte. Die Flamen wurden umgangssprachlich als „fein“ oder „klar“ bezeichnet. Die Friesen waren „grob“ oder „sperrig“. Die Herkunft und Logik dieser Spitznamen ist nicht bekannt. Die Friesen blieben im Laufe ihrer Existenz zahlenmäßig die kleinere Gruppe. Vermeulen war weiterhin aktiv, nachdem er als Ältester abgesetzt worden war. An ihn erinnert auch eine Bibel in holländischer Sprache, deren Herausgabe er im Jahr 1598 in der Danziger Vorstadt Schottland finanziert hatte.

Wo sich die Gemeinden in den ersten Jahrzehnten versammelten, ist nicht bekannt. Ende 1638 kaufte ein friesisches Gemeindemitglied vor dem Neugartentor ein Grundstück für ein Kirchengebäude und ein Armenhaus. Zehn Jahre später, 1648, erwarb ein flämisches Mitglied in der Stadt einen Bauplatz für sein eigenes Haus und ein Armenhaus. Diese Immobilien blieben rechtlich im Besitz einzelner Mitglieder, weil die Gemeinden als Rechtsperson nicht anerkannt waren. Im Jahr 1713 fiel das friesische Anwesen durch Vererbung an einen Nichtmennoniten, also außerhalb des Gemeindeeigentums und musste von einem Mitglied rückgekauft werden. Einige Dokumente weisen darauf hin, dass die Flamen Ende 1732 in der Lage waren, Immobilien in der Stadt zu kaufen, aber es ist unklar, ob dies einfach eine Art Transaktion unter Einzelpersonen war oder ob die Gemeinde zu der Zeit bestimmte städtische Korporationsrechte erhalten hatte.

2. Gemeindeleben im 17. und 18. Jahrhundert

Da viele Mennoniten unmittelbar außerhalb der Stadtmauern wohnten und ihren Geschäften nachgingen, erlitten sie wiederholt Rückschläge und wirtschaftliche Schäden durch die häufigen militärischen Auseinandersetzungen in der Frühen Neuzeit (16. bis 18. Jahrhundert). Im Zuge der Belagerungen der Stadt wurden oft die Gebäude in der Nähe der Stadtmauern zerstört. Zu den Konflikten gehörten der Erste Nordische Siebenjährige Krieg (1563–1570), der Zweite Nordische Krieg (1655–1660, in der polnischen Erinnerung bekannt als die „Sintflut“), der Große Nordische Krieg (1700–1721), der Polnische Erbfolgekrieg (1733–1736) und die Napoleonischen Kriege des frühen 19. Jahrhunderts.

Das flämische Kirchengebäude und das Armenhaus wurden während der russischen Belagerung von 1734 zerstört. Das friesische Gebäude wurde 1788 umgebaut und eine Orgel hinzugefügt. Die Flämischen gestalteten in den Jahren 1805 und 1806 auch ihre Kirche um und bauten gegen erheblichen Widerstand eine Orgel ein. Ein handgeschriebenes Choralbuch für die Orgel ist aus dieser Zeit erhalten geblieben (jetzt in der Mennonite Library und Archives, Bethel College, North Newton, Kansas). Das friesische Gebäude wurde während der französischen Belagerung von 1806 zerstört. Beide Gruppen fusionierten dann am 22. Mai 1808 und benutzten das flämische Gebäude, bis es 1813 ebenfalls zerstört wurde. Zum Zeitpunkt der Fusion zählten die Friesen 166 Mitglieder und die Flamen um die 700. Am 12. September 1819 weihte die vereinigte Gemeinde ein neues Kirchengebäude an einem neuen Ort ein. Dieses Gebäude existiert noch heute.

Zahlreich waren die Versuche der Zünfte, des Danziger Stadtrats, des lutherischen und katholischen Klerus und auch des polnischen Königs, die als erfolgreiche Kaufleute, Handwerker oder Pächter tätigen Mennoniten in ihren Rechten zu beschneiden. Nicht selten scheiterten diese restriktiven Maßnahmen jedoch an der mangelnden Durchsetzungsfähigkeit insbesondere der polnischen Krone und des polnischen Klerus gegenüber der weitgehend selbstständigen Hansestadt. Trotz zahlreicher Einschränkungen und Behinderungen fanden die Mennoniten in Danzig einen vergleichsweise sicheren Hafen in stürmischer Zeit. Da sie den Militärdienst verweigerten, blieben sie über Jahrhunderte Bürger zweiter Klasse. Höchstwahrscheinlich waren jedoch viele Angriffe nicht dazu gedacht, ernsthaft ausgeführt zu werden. Es waren eher rhetorische Kraftmeiereien oder politische Täuschungsmanöver in Konflikten, die nicht direkt mit den Mennoniten zu tun hatten. In vielen Fällen wurden diese Angriffe durch Bestechung beschwichtigt. Mennoniten zahlten „Spenden“ oder „Kredite“ als Schutzgeld und wurden in Ruhe gelassen.

Beispiele dieser Art können fast ununterbrochen von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis ins 18. Jahrhundert gefunden werden. 1556 erließ der polnische König Sigismund II. Augustus ein Edikt gegen Täufer. 1566 veröffentlichte die Stadt Danzig ein Edikt, dass Täufer an Ostern zu vertreiben seien, was offensichtlich ignoriert wurde. Auf einer regionalen politischen Versammlung in Thorn beklagten sich im Jahr 1571 Vertreter der Stadt Danzig über gefährliche Sekten auf dem Gelände des Bischofs außerhalb der Stadtmauern. Das Motiv war wohl die wirtschaftliche Konkurrenz, unter der sie zu leiden begannen. Im Mai 1572 und im April 1573 wurden im Artushof, dem Treffpunkt der Kaufleute, Verordnungen zur Vertreibung der Täufer und Mennoniten erlassen. Im August 1578 beschwerten sich die Zünfte, deren Mitglieder Danziger Bürger waren, aber nicht der herrschenden Klasse der Stadt angehörten, über Täufer aus Friesland. Im Sommer 1582 wehrte sich eine bäuerliche Gruppe, die auf einem von der Stadt kontrollierten Gebiet lebte – sie wurden spöttisch „Wiedertäufer oder Mennoniten“ genannt -, beim Rat der Stadt mit einer Eingabe gegen Forderungen, die sie zu Mitgliedern der obrigkeitlichen lutherischen Kirche machen sollte. Dies könnte die früheste Verwendung des Begriffs „Mennoniten“ als Selbstbezeichnung im Danziger Raum sein. Im April 1613 stellte der Rat der Stadt fest, dass Mennoniten nicht als Soldaten dienten. Im Jahr 1624 mussten die Mennoniten Ersatzmänner für das Militär stellen oder eine Gebühr als eine Art Kriegssteuer entrichten.

Einige Belästigungen drehten sich um wirtschaftliche Probleme. Im Oktober 1623 erlaubte ein vom polnischen König und vom Stadtrat gewährtes Privileg den Mennoniten, sich am Handel mit Spitzen zu beteiligen. Offensichtlich hatte es einen Versuch von Gegnern gegeben, Mennoniten davon auszuschließen. Im März 1629 sagte der Stadtrat, dass die Mennoniten nicht verpflichtet seien, der Klöpplerzunft beizutreten, sondern frei handeln könnten. Anscheinend gab es in Danzig keine Klöpplerzunft, bis mennonitische Klöpplerinnen aktiv wurden. Erst dann wurde eine Gilde gegründet, um sich vor ihrer Konkurrenz zu schützen. Im November 1632 bestätigte der Stadtrat erneut das mennonitische Privileg, den Spitzenhandel frei zu führen. Im April 1633 forderte der polnische König Wladislaw IV. vom Stadtrat, dass die Mennoniten in vier Monaten einen Eid auf den König leisten oder abreisen müssten. Im Januar 1636 erließ der König ein Mandat, das Danzig verpflichtete, niederländischen Personen und Mennoniten den Aufenthalt in der Stadt und den Handel mit Getreide zu untersagen. Der Stadtrat ignorierte routinemäßig solche Mandate des Königs. Die Stadt nutzte jede Gelegenheit, um ihre Unabhängigkeit unter Beweis zu stellen und der Durchsetzung politischer Kontrolle von außen zu widerstehen. In den frühen 1640er Jahren gab es einen weiteren Versuch, mennonitische Klöppler aus der Stadt zu verbannen. Die Mennoniten appellierten an den König, und der königliche Repräsentant der Stadt kam ihnen im Februar 1643 zu Hilfe. Er war Calvinist, der König katholisch und die Stadt lutherisch. Der königliche Repräsentant argumentierte, dass die Lutheraner sich immer über die Verfolgung durch Katholiken beschwerten und dass sie kein schlechtes Beispiel setzen sollten, indem sie andere verfolgen. 1644 griff die Händlergilde in die Geschäfte der mennonitischen Klöpplerinnen ein und ließ in Graudenz eine Rohstofflieferung aufhalten. Im Dezember 1644 garantierte eine königliche Charta die Handelsfreiheit der Mennoniten. Im März 1648 erlaubte der Stadtrat nur die Herstellung von Klöppeln, nicht den Handel mit Rohstoffen und den Verkauf von Spitzen. Durch die Beschränkung dieses Handwerks sollten die Mennoniten wirtschaftlich behindert werden. Im Dezember 1658 stoppte der Stadtrat die Durchsetzung dieser Beschränkung aus dem Jahr 1648. Doch 1663 wurden die Mennoniten mit der Aktivierung des Erlasses von 1648 erneut im Spitzenhandel eingeschränkt. Im Oktober 1666 versuchten mennonitische Klöppler beim Stadtrat, ihre Rechte zu verteidigen, indem sie sich auf das Privileg vom Oktober 1623 beriefen und um eine Aufhebung der Restriktion von 1648 baten. Es ist nicht überliefert, was der Rat der Stadt entschieden hat.

Verschiedene Konfrontationen in anderen Bereichen neben der Spitzenherstellung setzten sich auch im 17. Jahrhundert fort. 1650 beschloss der Stadtrat, eine Entscheidung vom März 1633 aufzuheben, die Mennoniten erlaubt hatte, in den Vororten Eigentum unter städtischer Kontrolle zu besitzen. Im Juli 1657 beantragten die Zünfte, dass Mennoniten kein Einzelhandelsgeschäft führen dürfen, mit Ausnahme der Flüchtlinge aus den im Zweiten Nordischen Krieg verbrannten Vororten. 1660 wurde in Danzig eine anonyme Flugschrift Informatio contra mennonistas in Umlauf gebracht. Im September 1664 erschien eine weitere Gilden-Petition gegen den mennonitischen Handel, die auf die 1636 erlassene Verordnung über den mennonitischen Getreidehandel zurückging. Im April 1666 stellte der Stadtrat fest, dass die Entscheidung von 1650 über Eigentumsrechte nicht strikt eingehalten wurde − wie es bei vielen solcher antimennonitischen Entscheidungen der Fall war. Im Jahre 1669 stellte sich die Frage, ob ein Mennonit, der kein Bürgerrecht besaß, ein Handelsschiff besitzen oder in ein Handelsschiff investieren könne. Einige wollten nur eine Ausnahme für eine Person machen. Das Ergebnis ist unklar. Der Stadtrat hat offensichtlich die Eigentumsrechte begünstigt. Im Jahr 1670 gab es eine recht düstere Reihe von Angriffen des polnischen Königs. 1675 erschien eine weitere anonyme lateinische Streitschrift gegen Mennoniten.

Im August 1675 wurde beschlossen, dass jeder mennonitische Haushalt 300 Gulden „Schutzgeld“ zu zahlen hatte. Dies scheint sich aus einer städtischen Fremdensteuer entwickelt zu haben. Im Jahr 1676 wurde in einem regionalen gesetzgebenden Gremium in Marienburg die Stadt Danzig in die Defensive gedrängt und beschuldigt, die Mennoniten verwöhnt zu haben, was dazu geführt habe, dass Gott verheerende Fluten über die Region schickte. Im Oktober 1677 musste der Stadtrat erneut Mennoniten gegen Beschwerden der Zünfte verteidigen. Im Mai 1681 protestierte die niederländische Regierung gegen das den Mennoniten aufgezwungene „Schutzgeld“. Die Danziger Mennoniten opponierten dagegen da sie keine Ausländer seien, ließen sich aber doch von einer ausländischen Regierung verteidigen.

Einige Auseinandersetzungen hatten direkt mit religiösen Fragen zu tun. 1678 wurden Mennoniten beschuldigt, Antitrinitarier zu sein. Es gab eine Vernehmung vor dem katholischen Bischof, in der der flämische Prediger Georg Hansen der prominenteste mennonitische Teilnehmer war. Sowohl flämische als auch friesische Vertreter hatten teilgenommen. Obwohl die Stadt offiziell lutherisch war, war es der katholische Bischof, der die Mennoniten der Stadt schikanierte. Auch gab es 1678 in Danzig einen Aufstand von Lutheranern gegen Katholiken und ebenso gegen Mennoniten, bei denen ein Karmeliterkloster geplündert und verbrannt wurde. 1687 baten die Jesuiten die Mennoniten, ihnen einen Uhrturm zu finanzieren; die Mennoniten gaben eine Spende − das war wiederum eine katholische Forderung in einer lutherischen Stadt. Im April 1688 bat ein Stadtbeamter Mennoniten um Geld für den Bau einer lutherischen Kirche in der Vorstadt von Ohra. Im Juni 1699 entschied der katholische Bischof, dass die mennonitische Theologie akzeptabel sei. Es ist unklar, ob dies der sehr verspätete Schlussstrich unter die Vernehmung von 1678 war oder ob eine neue Runde theologischer Belästigung eröffnet werden sollte.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts scheinen diese Konfrontationen allmählich abgenommen zu haben. 1708 wandten sich Mennoniten mit einer Eingabe gegen das „Schutzgeld“. Die Mennoniten hatten kürzlich auch Geld an die Stadt „geliehen“, und es gab Verhandlungen über diese Angelegenheiten, aber es ist nicht klar, was das Ergebnis war. Um das Thema „Schutzgeld“ scheint es seit mehreren Jahrzehnten still geworden zu sein. 1732 gewährten die Danziger Mennoniten den Salzburger Protestanten, die sich auf dem Weg von Österreich nach Ostpreußen befanden und dort die gerade vertriebenen Mennoniten ersetzen sollten, finanzielle Unterstützung. 1748–1750 gab es, von den Zünften ausgehend, vermehrt Angriffe auf die wirtschaftlichen Aktivitäten der Mennoniten. Dies war Teil einer breiteren Revolte gegen das Danziger Establishment durch untere und mittlere Klassen. Von 1749 bis 1762 wurde es den mennonitischen Kaufleuten verboten, etwas anderes als Brandy zu verkaufen. Hermann G. Mannhardt beschreibt in seiner Gemeindegeschichte diesen Fall etwas komplexer. Dieses Verbot führte zu einem spürbaren wirtschaftlichen Niedergang der Mennoniten und veranlasste einige von ihnen, nach Königsberg oder Amsterdam zu ziehen. Im Januar 1750 wurde eine neue Form der „Schutzgebühr“ verhängt, insgesamt 5000 Gulden. Sie musste nun von beiden Gemeinden statt von der Stadt eingesammelt werden.

Von 1755 bis 1759 wurde die Gebühr herabgesetzt, weil die Mennoniten aufgrund wirtschaftlicher Beschränkungen nicht mehr zahlungsfähig waren. Die neue Form der Gebühr führte auch zu internen Meinungsverschiedenheiten darüber, wer mit welchem Anteil zur Zahlung dieser Gebühr verpflichtet war. Flamen standen gegen Friesen, wohlhabende gegen arme Gemeindemitglieder. Nach der ersten Teilung Polens blieb Danzig ein Teil Polens. Im Jahre 1783 verhängten die Preußen, die jetzt die ländlichen Gebiete um Danzig kontrollierten, eine Blockade über die Stadt. Sie war in Teilen das Ergebnis von Klagen, die von Mennoniten, die in der Vorstadt von Altschottland und anderen Gebieten unter preußischer Herrschaft lebten, vorgebracht worden waren. Sie waren von Danziger Behörden daran gehindert worden, das Getreide, das ihnen über die Weichsel gebracht worden war, in Empfang zu nehmen. Die Blockade spaltete die Gemeinde, wobei die städtischen Mitglieder (immer noch unter polnischer Herrschaft) die ländlichen Mitglieder (unter preußischer Herrschaft) für die Blockade und die wirtschaftliche Not verantwortlich machten.

Mennoniten im Weichseldelta wurden als Hersteller von Spirituosen bekannt. Vermutlich war dies eine andere Nische, in der keine Zunft existierte und die es daher den Danziger Mennoniten erlaubte, dieses Handwerk gegen geringeren Widerstand auszuüben. In Danzig selbst hatte Ambrosius Vermeulen eine Brennerei im Haus Zum Lachs (Pod Łososiem) gegründet. Weit bekannt wurde das Geschäft durch sein Danziger Goldwasser, einem Likör mit essbarem Blattgold. Ab 1758 führte Dirk Bestvater als letzter mennonitischer Inhaber dieses Geschäft. Das Goldwasser wird noch heute am selben Ort in Danzig angeboten.

Im Rückblick auf das 17. und 18. Jahrhundert haben Historiker die Danziger Mennoniten oft mit künstlerischen und ingenieurwissenschaftlichen Bestrebungen in Verbindung gebracht. Ein prominenter Name war Adam Wiebe oder Wiebe Adam (Wiebe ist vielleicht eher sein Vorname als sein Familienname, Adam ist der Name des Vaters: Wiebe, der Sohn Adams). Adam Wiebe wird bereits 1616 als Mitarbeiter der Stadt Danzig erwähnt. Er ist auch außerhalb von mennonitischen Kreisen bekannt als der erste Ingenieur, der 1644 eine Seilbahn errichtete, um Erdmaterial für den Bau des Festungswerks der Stadt zu transportieren. Eine Seilbahn wurde zuerst um 1515 von Fausto Veranzio aus Dalmatien entworfen, aber Wiebe war anscheinend der erste, der diese tatsächlich einsetzte, und sein Beispiel blieb für etwa zwei weitere Jahrhunderte einzigartig.

Andere Namen, die erwähnt werden, sind Anthony van Obbergen, ein Ingenieur (Ende des 16. bis Anfang des 17. Jahrhunderts); die Künstlerfamilie vom dem Blocke (Vater Wilhelm und Söhne Abraham, Isaac und Jakob, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts), Jacob Joosten, ein Wasserbauingenieur (spätes 17. Jahrhundert) und Peter Willer, ein Baumeister und Kupferstecher (Ende des 17. Jahrhunderts).

Für alle Genannten ist es nicht möglich zu beweisen, dass sie tatsächlich Mennoniten waren. Die Behauptung, sie seien Mennoniten, beruht hauptsächlich auf ihren offensichtlichen Verbindungen zu den Niederlanden und anderen fragmentarischen Indizienbeweisen. Es kann sein, dass einige von ihnen in der Vergangenheit Mennoniten waren und später der offiziellen Kirche oder der reformierten Kirche beitraten oder dass Familienmitglieder Mennoniten waren, aber ihre tatsächliche mennonitische Verbindung ist nicht wirklich gesichert. Hermann G. Mannhardt erwähnt keinen dieser Künstler und Ingenieure in seiner Gemeindegeschichte. Vermutlich glaubte er nicht, sie seien Mennoniten gewesen.

Im Fall der Familie Seemann ist es jedoch erwiesen, dass ihre Mitglieder Mennoniten waren. Enoch Seemann der Ältere wurde vom flämischen Gemeindevorsteher Georg Hansen wegen des Verstoßes gegen das zweite Gebot gebannt, weil er Porträts malte. Seemann veröffentlichte 1697 eine Broschüre, die Hansen hart angreift, aber er gab die Porträtmalerei auf und beschränkte sich auf Landschaften und andere Themen. Keines seiner Werke hat überlebt. Sein Sohn Enoch Seemann der Jüngere (geb. um 1694 in Danzig) zog später nach London und wurde dort zu einem bedeutenden Porträtmaler.

Darüber, wie man sich in dieser Zeit mit anderen Mennoniten und der nichtmennonitischen Umgebung in Beziehung setzen sollte, entstand ein weiterer Streit, nämlich der Perückenstreit. 1726 zog ein niederländischer Mennonit namens Cornelius de Vogel Leonhards nach Danzig und wollte der friesischen Gemeinde beitreten. Zu dieser Zeit war das Tragen von Perücken unter den städtischen holländischen Mennoniten üblich, und er trug auch eine. Doch der friesische Älteste Hinrich van Dühren verweigerte dem neuen Gemeindemitglied das Abendmahl. Perücken wurden allmählich auch in Danzig Mode und der Widerstand der Älteren führte dazu, dass das Abendmahl für einige Jahre ausgesetzt wurde. 1739 wurde eine Gruppe junger Perückenträger, die auf irgendeine Weise Mitglieder der Stadtverwaltung waren, in den Streit hineingezogen, und der Älteste van Dühren wurde unter Hausarrest gestellt. Daraufhin wurde ein neuer Mitältester, Jan Donner, gewählt. Van Dühren lehnte es offensichtlich ab, ihn im Amt zu bestätigen, und auch die Ältesten der ländlichen friesischen Gemeinden verweigerten ihre Zustimmung. Die Gemeinde oder einige ihrer Mitglieder baten einen Ältesten, der aus den Niederlanden geschickt werden sollte, um den Streit zu schlichten, aber Donner starb plötzlich, während all das geschah. Schließlich kam der Älteste Adrian Koenen aus den Niederlanden und konstruierte ein wackeliges Abkommen zwischen beiden Seiten. Das Abendmahl wurde am 2. Oktober 1740 wieder gehalten. Die Perückenträger konnten wegbleiben, wenn van Dühren die Leitung hatte, und konnten teilnehmen, wenn von Koenen (und später ein anderer niederländischer Älteste, der auf Besuch war) den Dienst übernommen hatte.

Aber die Schwierigkeiten haben hier nicht wirklich aufgehört. 1745 wurde die Taufe abgesagt, weil einige der jungen Männer angeblich zu modisch gekleidet waren. Van Dühren war zu dieser Zeit noch Ältester, er starb 1746. Nach der Chronik der ländlichen friesischen Gemeinde in Orlofferfelde fand 1766 eine Generalversammlung der friesischen Gemeindeleiter statt, weil einige Mitglieder aus Danzig zum Abendmahl nach Orlofferfelde kamen, denn sie waren immer noch über den Perückenkrieg entsetzt. Auch einige Mitglieder der Thiensdorfer Gemeinde kamen wegen eines Streits dort nach Orlofferfelde. Auf dem Treffen wurde beschlossen, dass die Mitglieder in ihren Heimatgemeinden das Abendmahl empfangen sollten, außer in Notfällen. Der Orlofferfelder Älteste war gegen diesen Gewissenszwang, wurde aber überstimmt.

Mitte des 18. Jahrhunderts ersetzte die geschriebene und gesprochene deutsche Sprache das Holländische im Raum der Kirche. Wahrscheinlich hatte dieser Wechsel im alltäglichen Sprachgebrauch schon früher eingesetzt. Er war das Resultat einer allmählichen kulturellen Anpassung an das mehrheitlich deutschsprachige Umfeld und geschah in zwei Phasen. Umgangssprachlich trat zunächst Plautdietsch an die Stelle des Niederländischen, im Schriftverkehr und in Predigten erfolgte der Sprachwechsel unmittelbar vom Niederländischen ins Hochdeutsche. 1768 veröffentlichten die Flamen einen Katechismus auf Deutsch und übersetzten Georg Hansens niederländisch abgefasstes Bekenntnis aus dem Jahre 1671. Am 1. Januar 1771 predigte ein ortsansässiger flämischer Prediger zum ersten Mal in Deutsch. (Der flämische Älteste Gerhard Wiebe aus Elbing hatte bereits 1762 auf Deutsch in Danzig gepredigt). Die Friesen waren schon früher auf die deutsche Sprache gewechselt, aber wann dies genau geschah, ist unklar.

Danzig war der Beginn der bekannten mennonitischen Emigration nach Russland im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. Im August 1786 wurde in beiden Danziger Kirchen ein Brief russischer Repräsentanten mit einer Einladung, in Russland zu siedeln, verlesen. Im Herbst 1787 kehrten Jakob Höppner und Johann Bartsch von einem Besuch in Russland zurück, nachdem sie sich mögliche Siedlungsorte angesehen hatten. Beide stammten aus Danzig, Höppner aus der flämischen Gemeinde und Bartsch aus der friesischen. Sie waren nach Russland gegangen, ohne die Kirchenleitung offiziell zu benachrichtigen. Dies war für die Kirchenführer eine plausible Art des Nichtwissens, da die Stadt den Kirchen einen Umgang mit russischen Agenten verboten hatte. Die Auswanderung begann nach der ersten Teilung Polens (1772), als Danzig durch die preußische Besetzung der Umgebung von seinem Hinterland abgeschnitten worden war. Die genaue Anzahl derjenigen, die die Danziger Gemeinden verlassen haben und nach Russland zogen, ist nicht bekannt, aber es gab zwei Migrationswellen in dieser Zeit, zuerst in den 1780er Jahren und dann wieder um 1804.

3. Danziger Mennoniten im 19. Jahrhundert − unter preußischer Herrschaft

Im April 1793 kam Danzig während der zweiten Teilung Polens unter preußische Hoheit. Sondersteuern für Mennoniten wurden abgeschafft. 1800 erlangten die Mennoniten die bürgerlichen Rechte durch ein königliches Dekret, das die städtische Regelung der Staatsbürgerschaft beseitigte. Mennoniten mussten beim Kauf von Immobilien noch einen Aufschlag von 6 % zahlen. Im Januar 1847 wurde dieser Aufschlag durch Mennoniten, die damals im Stadtrat vertreten waren, beseitigt. Unabhängig von ihrem tatsächlichen Bevölkerungsanteil scheinen die Danziger Mennoniten im städtischen Leben eine herausragende Rolle gespielt zu haben, obwohl konkrete Geschichten dazu schwer aufzuspüren sind. Hermann G. Mannhardt schrieb in seiner Gemeindegeschichte, dass die Mennoniten von 1817 bis zu seiner Zeit um 1920 immer mindestens ein Mitglied im Danziger Stadtrat hatten. Ein prominentes Mitglied war der Naturwissenschaftler Hugo Conwentz (1922 gestorben). Er war langjähriger Direktor des Westpreußischen Provinzialmuseums und vor allem bekannt als der Gründer des deutschen Naturschutzes.

In den Jahrzehnten nach der flämisch-friesischen Fusion von 1808 fanden viele organisatorische Veränderungen statt. Eine solche Veränderung war der Übergang zu voll angestellten Geistlichen anstelle einer gewählten Gemeindeleitung. Im Oktober 1824 erhielt die Gemeinde Danzig einen Brief von Jacob van der Smissen, der Pfarrer der Mennonitengemeinde in Friedrichstadt an der Eider im Nordosten Deutschlands war. Er suchte nach einem bezahlten pastoralen Dienst. Seiner Meinung nach war seine Gemeinde zu klein, und er wollte in einer größeren dienen. Danzig lehnte zunächst ab, dann besuchte van der Smissen im Sommer 1825 Heubuden, Elbing und Danzig. Er hielt eine Gastpredigt in Danzig, die gut aufgenommen wurde. In Danzig waren die amtierenden Pastoren älter und niemand in der Versammlung wollte als Prediger oder Ältester gewählt werden. Außerdem war ein Pfarrhaus von einer Frau gestiftet worden, die wollte, dass die Gemeinde einen Vollzeitpastor hatte. Die Gemeinde stellte van der Smissen ein. Er zog im Juni 1826 nach Danzig und wohnte dort im Pfarrhaus. Die ländliche Mitgliedergruppe widersetzte sich dieser Entscheidung, spaltete sich ab und wurde eine Filiale der ländlichen Fürstenwerder Gemeinde. Van der Smissen war es gewohnt, protestantische Amtstracht zu tragen, musste aber seinen Stil in Danzig an die unterschiedlichen Erwartungen anpassen. Später im Jahr 1826 starben beide noch amtierenden Ältesten und ließen van der Smissen als Seniorpfarrer zurück. Er blieb bis 1835 und verließ die Gemeinde inmitten ihrer Konflikte.

Neben den Danziger Gemeinden gab es über die meisten Jahre hinweg eine Gruppe ländlicher Mitglieder − anscheinend alle flämischen Ursprungs − die außerhalb der Stadt und ihrer unmittelbaren Vororte auf einem von der Stadt kontrollierten Ackerland lebten. Die Gruppe war unter dem Dorfnamen Neunhuben bekannt. Diese ländliche Gruppe hatte eine etwas andere Identität als die Stadtgemeinden. Im Jahre 1791 wurde diese Gruppe zu einer unabhängigen Gemeinde, während sie weiterhin unter der allgemeinen Aufsicht des Danziger flämischen Ältesten stand. 1844 errichtete sie in Quadendorf ein kleines Kirchengebäude und wurde als Teil der Gemeinde Fürstenwerder fortgeführt.

1836 engagierte die Gemeinde einen neuen Pfarrer, Jacob Mannhardt, der ebenfalls aus der Gemeinde Friedrichstadt nach Danzig kam. Er war ein Cousin ersten Grades Jacob van der Smissens (Mannhardts Mutter war eine van der Smissen). Mannhardt arbeitete fast fünfzig Jahre als Pastor und tat viel, um die Gemeinde in ihrem letzten Jahrhundert zu prägen.

1879 wurde ein neuer Hilfspfarrer eingestellt, Hermann G. Mannhardt, ein Neffe Jacob Mannhardts. Zu dieser Zeit trat Hermann Mannhardt offiziell der Mennonitenkirche bei, was offenbar bedeutete, dass er zuvor ein protestantisches Kirchenmitglied gewesen war. Beide Mannhardts hatten eine evangelische theologische Universitätsausbildung absolviert. Im Jahr 1845 verabschiedete die Gemeinde eine Verfassung. Die Gemeinde erhielt durch königliches Dekret beschränkte Körperschaftsrechte, was ihr erlaubte, als anerkannte juristische Person zu handeln, anstatt ihre Geschäfte über einzelne Mitglieder zu führen. 1887 wurde die Gemeinde auf der Grundlage einer neuen Verfassung in das deutsche Körperschaftsrecht integriert.

Jacob Mannhardt starb 1885 und Hermann Mannhardt wurde für weitere vierzig Jahre der Hauptpastor bis zu seinem Tod im Jahr 1927. Beide Mannhardts waren übergemeindlich für die deutschen Mennoniten aktiv. Jacob Mannhardt gründete 1854 die deutsche mennonitische Zeitung, die Mennonitischen Blätter (→Zeitschriften). Herman G. Mannhardt war 1886 an der Gründung der →Vereinigung der Mennonitengemeinden im Deutschen Reich maßgeblich beteiligt.

Das bedeutendste Problem des 19. Jahrhunderts war die Wehrpflicht. Polen hatte keine Wehrpflicht, sie war nur ein Thema für Mennoniten, die in Städten lebten und für lokale Milizen und Selbstverteidigungskräfte verpflichtet werden konnten. Preußen hatte eine Wehrpflicht und führte sie auf den Gebieten ein, die ehemals zu Polen gehörten. Mennoniten waren zunächst gegen besondere Steuerzahlung von der Wehrpflicht befreit. Es gab strenge Beschränkungen bei Immobilienkäufen und bei Mischehen mit Nichtmennoniten. Im Jahre 1848 erlaubte eine Gemeindeversammlung ihren Mitgliedern, sich den städtischen Bürgermilizen anzuschließen, was bedeutete, Waffen zu tragen. Dieser Beschluss führte allerdings zu Spaltungen in der Gemeinde. Im November 1867 hob das neue preußische Wehrpflichtgesetz die mennonitische Befreiung auf, und im März 1868 legte eine königliche Kabinettsorder fest, dass Mennoniten ihren Militärdienst in waffenlosen Einheiten leisten können. Einige Familien aus Danzig beschlossen zu dieser Zeit auszuwandern. Der wohl prominenteste unter ihnen war der Diakon Ludwig E. Zimmermann. Aber der Rest der Kirchenleitung und die meisten Mitglieder akzeptierten die neuen Bedingungen. Im Oktober 1870 ließ die Mennonitengemeinde offiziell ihre Forderung fallen, dass die Mitglieder den Militärdienst verweigern sollten, empfahl aber einen waffenlosen Dienst. Sie gab auch den Widerstand gegen Mischehen auf und ermöglichte den Übertritt von Mitgliedern aus anderen Kirchen.

4. Danziger Gemeinde im 20. Jahrhundert

Wegen der Auflösung der Gemeinde und der Zerstörung der Archive am Ende des Zweiten →Weltkrieges ist das Wissen über die letzten Jahrzehnte der Gemeindegeschichte stark reduziert. Bis zum Ersten Weltkrieg setzte sich die Entwicklung der Gemeinde fort. Im Jahr 1901 baute die Gemeinde ein Pflegeheim für alte und arme Mitglieder, in dem auch das Gemeindearchiv untergebracht war. Im März 1914 wurde die Orgel renoviert und eine elektrische Beleuchtung installiert. Während des Ersten →Weltkrieges dienten 250 Männer in der deutschen Wehrmacht, fast die Hälfte der getauften männlichen Mitglieder. Nicht bekannt ist, welcher Anteil in waffenlosen Einheiten gedient hat. Achtundzwanzig wurden getötet. Laut Hermann G. Mannhardt gab es unter den 250 Soldaten 62 Offiziere. Der Erste Weltkrieg brachte dramatische Veränderungen nach Danzig. Ende 1920 wurde die Stadt und ein großer Teil des Weichseldeltas zum „Freistaat Danzig“ erklärt und unter Aufsicht des Völkerbundes gestellt. Als Ergebnis des Vertrags von Versailles lebten die Mennoniten des Weichseldeltas nunmehr in drei Staaten: in Polen, im Freistaat und in Deutschland, was die Kommunikation untereinander erheblich erschwerte. Die 6000 Mennoniten im Freistaat machten 2,5 % der Gesamtbevölkerung aus. In den zwanziger Jahren gab es drei mennonitische Mitglieder im Senat des neuen Stadtstaates (d. h. 2,5% der Mitglieder). Die Mennoniten hatten volle Bürgerrechte, mussten nicht schwören und konnten ihre →Eide mit einer Ersatzformel bekräftigen.

Im Jahr 1927 starb der langjährige Pastor Hermann G. Mannhardt, und Erich →Göttner wurde der neue und letzte Pastor. Göttner war in der Danziger Gemeinde getauft worden und verbrachte dort einen großen Teil seiner Kindheit und Jugend. Er studierte evangelische Theologie an mehreren deutschen Universitäten und war dann Pastor mehrerer mennonitischer Gemeinden in Westdeutschland, bevor er nach Danzig zurückkehrte. Er setzte die Danziger Tradition der aktiven Beteiligung an übergemeindlichen Organisationen der deutschen Mennoniten fort.

Die letzten Jahre der Danziger Gemeinde wurden vom Nationalsozialismus überschattet (→Drittes Reich). Im Mai 1933 gewann die nationalsozialistische Partei im Danziger Senat eine knappe Mehrheit, wenige Monate, nachdem Hitler deutscher Kanzler geworden war. Göttner hat sich bemüht, die Sympathie für die politische Führung des Nationalsozialismus von den Versuchen der Deutschen Christen zu trennen, die unter dem Dach einer deutschen Religiosität auch die Freikirchen in einer deutschen Reichskirche aufgehen lassen wollten. Der Zweite Weltkrieg begann mit Gefechten im Danziger Hafen und anderswo in der Stadt. Viele Mitglieder dienten in der Wehrmacht und waren Mitglieder der NSDAP, zuverlässige Statistiken darüber fehlen. Erich Göttner wurde im Juli 1944 eingezogen und soll 1945 als sowjetischer Kriegsgefangener gestorben sein. Die meisten Mitglieder flohen im Januar 1945 aus Danzig, um dem Vormarsch der Roten Armee zu entgehen, und lebten nach dramatischer Flucht zerstreut in Westdeutschland oder in Flüchtlingslagern in Dänemark. Wer nicht fliehen konnte oder wollte wurde nach Kriegsende von den polnischen Behörden enteignet und ausgewiesen. So endete die 400jährige Geschichte der Gemeinde abrupt und chaotisch.

Als Flüchtlinge und landlose Bauern schlossen sich die ehemaligen Danziger und Freistaatler bestehenden oder neu gegründeten Mennonitengemeinden in Westdeutschland an oder wanderten nach Nord- und Südamerika aus. Zuverlässige Statistiken darüber gibt es nicht. Die Danziger Mennonitengemeinde zählte zu den bedeutendsten mennonitischen Gemeinden in Deutschland mit einer kreativen Ausstrahlung über die westpreußischen Grenzen hinaus. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist diese Quelle mennonitischer Impulse für das Gemeindeleben erloschen. Das Kirchengebäude der Danziger Mennonitengemeinde überlebte den Zweiten Weltkrieg, im Gegensatz zu vielen anderen Teilen der Stadt. Im Jahr 1947 erteilte die polnische kommunistische Regierung einer Pfingstgemeinde die Erlaubnis, das Gebäude und das nahe gelegene Pfarrhaus zu nutzen. Wegen Verzögerungen durch die Regierung dauerte die Restaurierung der Gebäude bis 1958. In den unmittelbaren Nachkriegsjahren unterhielt das nordamerikanische →Mennonite Central Committee ein Hilfsprogramm in der Gegend und das Programm „Seagoing Cowboys“ brachte per Schiff Vieh in das Gebiet, um die Wiederbelebung der polnischen Landwirtschaft zu unterstützen. Durch beide Programme kamen nordamerikanische Mennoniten nach Danzig und ins Weichseldelta. Dort besuchten sie viele Stätten der Mennoniten, so auch die beschädigte Danziger Mennonitenkirche, in der sie zahlreiche Kirchenbücher vorfanden und mitnahmen. 1972 erhielt die Pfingstgemeinde die Eigentumsrechte an dem Gebäude. 1989 nahmen sie das Pfarrhaus und 2003 das Pflegeheim offiziell in Besitz. Die große, aktive Gemeinde nutzt weiterhin die zweihundert Jahre alte ehemalige Mennonitenkirche als einen ihrer Treffpunkte in Danzig. Mennoniten aus Deutschland, den Niederlanden und Nordamerika sind häufig Gast in dieser Kirche und feiern gemeinsam Gottesdienst mit dem Pastor der polnischen Pfingstgemeinde.

5. Mitgliederstatistik und Kirchenbücher

Die Anzahl der Mennoniten in Danzig ist für einen Großteil ihrer Geschichte schwer zu bestimmen. Eine Liste ungefähr aus dem Jahr 1660 zählt etwa 47 Familienoberhäupter, schließt aber wahrscheinlich nicht alle Familien ein, die in der unmittelbaren Umgebung der Stadt lebten. Eine Liste von 1681 verzeichnet etwa 114 Familien. Hermann G. Mannhardt ist in seiner Gemeindegeschichte der Ansicht, dass die Mitgliederzahl in den Jahren 1690–1750 am höchsten war, obwohl sie in seiner eigenen Ära im 20. Jahrhundert wahrscheinlich höher gewesen sein dürfte. Während der Pest von 1709 starben 160 Erwachsene und 230 Kinder in der flämischen Gruppe. Im Jahr 1749 zählte der flämische Älteste Hans von Steen 240 Haushalte (ohne Landbewohner). Bei der 1808 erfolgten Fusion der Friesen und Flamen zählten die Friesen 166 und die Flamen 700 Gemeindemitglieder. Erhaltene Statistiken aus dem 19. Jahrhundert nennen für 1831: 635 Mitglieder, für 1852: 410, für 1882: 448 Erwachsene und 210 Kinder, für 1900: 735 Mitglieder. Die Zahl der Mitglieder nahm im 20. Jahrhundert rapide zu. 1905 wurden es 1000 und in den Jahren 1911 und 1921 ca. 1200. Mannhardt berichtet, dass die 250 Männer, die im Ersten Weltkrieg beim Militär dienten, fast die Hälfte der getauften Mitglieder waren. Im Jahr 1940 (die letzte erhaltene Statistik) gab es 1020 Mitglieder und 173 Kinder.

Die Danziger Kirchengemeinde hatte im 19. und frühen 20. Jahrhundert ein umfangreiches Archiv unterhalten. Der größte Teil dieses Materials wurde am Ende des Zweiten Weltkriegs zerstört, aber einige Gegenstände wurden von mennonitischen Mitarbeitern des Hilfswerks, die aus Nordamerika kamen, gerettet und in den späten 1940er Jahren dorthin gebracht. Der früheste erhaltene Gegenstand ist ein flämisches Buch mit Verzeichnissen von Taufen (1667–1800), Eheschließungen (1665–1808), Geburten (1789–1809), Todesfällen (1667–1807) und einer Prediger- und Ältestenliste (1598–1807). Sie führt Dirk Philips als ersten Ältesten auf. Es gibt auch ein zweibändiges Familienbuch der flämischen Gemeinde, das 1789 begonnen wurde. Diese Kirchenbücher wurden von 1947 bis 2009 in der Mennonite Library and Archives (Bethel College, North Newton, Kansas) aufbewahrt und dann, auf Bitten des Mennonitischen Geschichtsvereins, an die →Mennonitische Forschungsstelle auf dem Weierhof übergeben. Eine Vielzahl anderer lückenhafter und verstreuter Aufzeichnungen verschiedenster Art ist immer noch am Bethel College untergebracht. Unterlagen der friesischen Gemeinde sind nicht erhalten geblieben.

Bibliografie (Auswahl)

Waldemar Epp, Zur Kulturgeschichte Danzigs: Aus der Zeit der Reformation und des Dreißigjährigen Krieges,in: Mennonitische Geschichtsblätter 40 (1983), 46–58. - Helmut Foth, Mennonitischer Patriotismus im Ersten Weltkrieg und die Kriegsrede des Danziger Predigers Hermann G. Mannhardt,in: Mennonitische Geschichtsblätter 2015, 47–74. - Eduard Grigoleit, Danziger Mennoniten aus dem Jahre 1681, in: Danziger familiengeschichtliche Beiträge 2, 1934, 124–127. - Edmund Kizik, Mennonici w Gdansku, Elblagu i na Zulawach Wislanych w Drugiej Polowie XVII i w XVIII Wieku, Danzig 1994 (Übers: Die Mennoniten in Danzig, Elbing und im Weichselwerder in der Zweiten Hälfte des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts). - Rainer Kobe, Die Vermeulen-Bibel des Wilhelm von den Blocke von 1607, in: Mennonitische Geschichtsblätter 2010, 69–75. - Ders., Wie mennonitisch war die Danziger Künstlerfamilie von Block?, in: Mennonitische Geschichtsblätter 2009, 71–84. - Hans Rudolf Lavater, Der Danziger Maler Enoch I Seemann, die Danziger Mennoniten und die Kunst, in: Mennonitica Helvetica 36, 2013, 11–97. - Peter Letkemann, Danzig. Bild einer Hansestadt. Katalog der Ausstellung des Gemeinen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1980. - Hermann G. Mannhardt, Die Danziger Mennonitengemeinde: Ihre Entstehung und ihre Geschichte von 1569–1919, Danzig 1919. – Ders., The Danzig Mennonite Church: Its Origin and History from 1569–1919, übers. von Victor G. Doerksen. North Newton, Kans., 2007. - Horst Penner, Verzeichnis der Mennoniten die im Jahre 1661 innerhalb der Stadt Danzig, vorm Hohen Tor und auf Neugarten wohnten,in: Mennonitische Geschichtsblätter 24, 1967, 47–53. - Harvey Plett, Georg Hansen and the Danzig Flemish Mennonite Church: A Study in Continuity. Ph. D. Diss., University of Manitoba, Winnipeg 1991. - Horst Quiring, Aus den ersten Jahrzehnten der Mennoniten in Westpreußen: Zugleich ein Beitrag zur Sippenforschung, in: Mennonitische Geschichtsblätter 1937, 32–35. - Ders., Der Danziger Perückenstreit, in: Christlicher Gemeinde-Kalender 45, 1936, 98–102. - Stefan Samerski „Die Stillen im Lande“. Mennonitische Glaubensflüchtlinge in Danzig im 16. und 17. Jahrhundert, in: Joachim Bahlcke (Hg.), Glaubensflüchtlinge. Ursachen, Formen und Auswirkungen frühneuzeitlicher Konfessionsmigration in Europa (Religions- und Kulturgeschichte in Ostmittel- und Südosteuropa, 4), Berlin 2008, 71–94. - Hans Wenig (Hg.), Danzig. Betrachtung der Stadt in vier Jahrhunderten. Gdansk, Hamburg 1980.

John D. Thiesen

 
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