Migration (Mennoniten, Amische, Hutterer)

1. Mennonitischer Hintergrund der Migration

Diese enzyklopädische Skizze beschreibt die Wanderwege der drei wichtigsten Reformgruppen der →Täufer während der vergangenen fünfhundert Jahre: der Schweizer Täufer, der niederländischen →Mennoniten und der Hutterer (→Hutterische Bruderhöfe). Berücksichtigt werden auch die →Amischen, ein Flügel der schweizerischen Täufer. Dabei wird der Akzent auf die Wanderungen von Land zu Land gelegt und spart die Wanderungen innerhalb des einen oder anderen Landes in deutschen Territorien, Russland/UdSSR, Kanada, den Vereinigten Staaten von Amerika und Mexiko aus, ebenso die Geschichten der neuen Gemeinden des globalen Mennonitentums (→Globalisierung). Diese neuen Gemeinden, die aus den Missionsbemühungen der historischen Mennonitengemeinden hervorgingen (→Mission), umfassen heute um die 60 % der Mennoniten weltweit.

Anders als die Territorialkirchen des 16. Jahrhunderts waren die Gemeinden der Täufer unabhängig von der weltlichen Obrigkeit, d. h. sie trennten Kirche und obrigkeitliche Herrschaft voneinander. Außer eine kurzlebigen Obrigkeitskirche im mährischen Nikolsburg in den zwanziger und dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts (→Mähren) und der kurzen Gewaltherrschaft während der 1530er Jahre in Münster, waren die täuferischen Gruppen in neuerer Begrifflichkeit →Freikirchen. Als solche übten sie die Erwachsenen- bzw. Bekenntnistaufe (→Taufe) aus, verweigerten den →Eid und waren pazifistisch eingestellt (→Friedenstheologie). Oft weigerten sie sich, das Schwert zu tragen. Die Regierungen ihrer Tage sahen darin eine Bedrohung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Stabilität ihrer Territorien. 1529 drohte der Zweite Reichstag zu Speyer (→Reichstage) jedem mit der Todesstrafe, der sich weigerte, seine Kinder taufen zu lassen.

Wanderungen haben gewöhnlich ihre Gründe, die Menschen veranlassen, sich fortzubewegen und sich an anderem Ort festzusetzen. Im Falle der Schweizer Täufer, der niederländischen Mennoniten und der Hutterer war der Grund für ihre Auswanderungen religiös motivierte →Verfolgung. Wären sie zu den örtlichen Territorialkirchen zurückgekehrt, hätten sich solche Abwanderungen erübrigt. Was sie anzog, waren Herrscher, die bereit waren, den täuferischen Flüchtlingen Schutz, Religionsfreiheit oder zumindest Duldung sowie die Möglichkeit zu gewähren, ihr Leben unangefochten zu fristen. In solchen Fällen wurde ihnen die Gelegenheit geboten, Land zu erwerben und Handel zu treiben.

Die Definition dieser Wanderungen ist die Bewegung einer ansehnlichen Anzahl von Menschen von einem Land ins andere. In den meisten Fällen bildeten die Migranten eine neue Gemeinschaft oder Gemeinschaften. Gelegentlich schlossen sie sich einer der bereits existierenden Mennonitengemeinden in den neuen Ländern an.

2. Die schweizerischen Täufer und die Amischen

Das schweizerische Täufertum begann mit der Taufe Konrad Grebels, Georg Blaurocks und anderer im Januar 1525. Diese Brüder wurden sofort verfolgt. Ihre Bewegung verbreitete sich nach Westen und fasste Fuß im Kanton →Bern. Die Verfolgung durch die Behörden des Kantons hielt jedoch an. Täufer wurden in Haft genommen, hingerichtet oder als Galeerensklaven verkauft. Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) ließen das Angebot an Ackerland und die leichtere Möglichkeit, religiöse Freiheit zu erlangen, eine Auswanderung der schweizerischen Täufer ins Elsass und die Pfalz gegen Ende des 17. Jahrhunderts zu.

In den 1690er Jahren riss eine größere Kontroverse über gesellschaftliche Anpassung oder Absonderung die schweizerischen Täufergemeinden auseinander. Die stärker separatistisch orientierte Gruppe nannte sich nach ihrem Anführer Jacob →Ammann. Die andere Gruppe intensivierte die Beziehungen, die schon 1660 zu den niederländischen Taufgesinnten aufgenommen worden waren.

Verfolgungen und rechtliche Beschränkungen der Schweizer Mennoniten und der →Amischen im Elsass und der Pfalz verstärkten sich im frühen 18. Jahrhundert. Diesen Gruppen fiel es schwer, Befreiung von der Wehrpflicht und Eidesverweigerung zu erlangen. Eigene Gottesdienste waren verboten. Das Ergebnis war, dass viele Mennoniten und Amische ihr Land verlassen mussten und im frühen 18. Jahrhundert den Rhein abwärts in die Niederlande zogen.

Zu Beginn des Jahres 1707 wanderten schweizerische Mennoniten aus dem Kraichgau (im Südwesten Deutschlands) und der Schweiz nach Pennsylvanien aus, das zu dieser Zeit noch eine englische Kolonie war. William Penn, ein reicher Quäker, hatte viel Land vom englischen König erhalten und lud Quäker und andere Verfolgte ein, auf diesem Land zu siedeln.

Mit Hilfe niederländischer Taufgesinnter wanderten schweizerische Täufer allein und in kleinen Gruppen von 1707 bis zur Amerikanischen Revolution in den 1770er Jahren ein. Amische, die denselben Beschränkungen ausgesetzt waren, begannen 1736 aus dem Elsass nach Pennsylvanien auszuwandern.

Schweizer Taufgesinnte waren nicht die ersten, die in Pennsylvanien einwanderten. Vorausgegangen war 1683 eine Gruppe von Mennoniten und einigen Quäkern mennonitischen Ursprungs aus →Krefeld am Niederrhein der Einladung William Penns gefolgt. Krefeld war von mennonitischen Flüchtlingen überlaufen, die in den benachbarten Ländern verfolgt worden waren. Viele hatten ihre Häuser verloren, waren nicht in der Lage, ohne Hilfe anderer zu überleben, und nahmen das Angebot, nach Pennsylvanien auszuwandern, an. Sie gründeten Germantown nördlich von Philadelphia.

Einige der zurückgebliebenen Schweizer Täufer und Amische wanderten in den 1760er Jahren aus der Schweiz und dem Elsass nach Galizien im Habsburger Reich aus und ebenso nach Wolhynien im russischen Reich während der 1790er Jahre, um Einschränkungen aus dem Wege zu gehen. Galizien und Wolhynien gewährten ihnen Duldung, boten ihnen Ackerland an und das Privileg der Wehrdienstbefreiung. In den 1870er Jahren, nachdem die Privilegien widerrufen wurden, wanderten die meisten Siedler aus Wolhynien nach Kansas aus.

Mennoniten und Amische aus der Schweiz, dem Elsass, der Pfalz und süddeutschen Territorien zogen im 19. Jahrhundert weiterhin in die USA. So wurden viele mennonitische und amische Gemeinden in dieser Zeit im amerikanischen Mittelwesten und im Westen gegründet. Die englischen Kolonien und nach 1776 die USA zogen viele Auswanderer mit dem großzügigen Angebot freien oder billigen Landes sowie der Möglichkeit eigener Religionsausübung an.

Während der Amerikanischen Revolution (1765 – 1783) sahen sich Schweizer Täufer und Amische in Pennsylvanien genötigt, im Krieg Partei zu ergreifen. Größtenteils widerstanden sie zwar diesem Druck, doch nach der Revolution wurden Mennoniten in einigen Gemeinden als unpatriotisch angesehen und nicht gern gesehen. Große Familien und eine Ausrichtung auf die Landwirtschaft bedeuteten, dass sie immer mehr Land brauchten. So begannen Schweizer Mennoniten aus Pennsylvanien, in die britische Kolonie Kanadas, dem heutigen Ontario, auszuwandern, wo nach neuen Siedlern gesucht wurde. Mennoniten kauften Land und gründeten drei größere Gemeinden: auf der Halbinsel Niagara, in der Nähe Waterloos und in Markham.

In den 1820er Jahren wanderten die Amischen aus dem Elsass und Bayern nach Kanada, in das Gebiet des heutigen Ontario, aus und siedelten im Westen Waterloos. Sie wurden dorthin von der Gelegenheit, Land zu erwerben, angezogen, religiöse Freiheit zu erreichen und Befreiung von der Wehrpflicht.

3. Niederländische, polnische, preußische und russländische Mennoniten

In den Niederlanden, den heutigen Niederlanden und Belgien, wurde Menno →Simons nach der Niederschlagung der militanten Täufer in Münster (1535) zum Anführer der friedfertigen Bewegung der Täufer. Diese Anhänger Menno Simons' bzw. →Mennoniten wurden von den spanischen Behörden hart verfolgt, weil auch sie als eine politische Bedrohung angesehen wurden. Diese Verfolgung bewog viele Mennoniten auszuwandern und Zuflucht in der Hansestadt →Danzig (Gdansk) und dem umliegenden polnischen Weichselgebiet zu suchen.

Seit den 1540er Jahren erlaubten die katholischen und protestantischen Grundbesitzer in der Danziger Gegend den Mennoniten, Land zu pachten, Handel zu treiben und eigene Gottesdienste abzuhalten. Zweieinhalb Jahrhunderte lang lebten die Mennoniten dort auf friedfertige Weise unter einer toleranten polnischen Herrschaft. Die Privilegia, die sie mit den jeweils aufeinander folgenden Königen aushandelten, verschafften ihnen die Befreiung vom Wehrdienst und von der Eidesleistung. Sie erlaubten ihnen, eigene Schulen zu betreiben und die Erbschaftsangelegenheiten selbst zu regeln.

Die Situation änderte sich, als die Herrschaft über dieses Gebiet nach den Teilungen Polens 1772, 1793 und 1795 an Preußen fiel. Obwohl die preußische Regierung den Mennoniten Religionsfreiheit zusagte, war sie anfangs nicht bereit, die männlichen Mennoniten vom Wehrdienst zu befreien. Schließlich stimmte sie einer solchen Befreiung gegen eine jährliche finanzielle Unterstützung der Offiziersschule in Culm zu. Auch wurde den Mennoniten nicht erlaubt, Land käuflich zu erwerben, zumal die Rekrutierung der Wehrpflichtigen in Preußen ohnehin an den Landbesitz gebunden war. So wäre ein großer Teil der Mennoniten in kurzer Zeit zu einer landlosen Klasse geworden, und deshalb begannen sie, nach neuem Land zu suchen.

Nach Erwägung mehrerer Optionen nahmen die Mennoniten die Einladung der Kaiserin Katharina der Großen an, in Südrussland (Ukraine) zu siedeln. →Russland bot den Mennoniten freies Land an, Befreiung von der Wehrpflicht, Kontrolle über eigene Schulen und Instanzen zur Regelung der Erbschaften und zur Versicherung gegen Feuerschäden. Preußische Mennoniten gründeten folgende Siedlungen: Chortitza (1789), Molotschna (1804), Am Trakt (1853) und Alexandertal (Alt Samara) (1859). Die beiden ersten, gleichzeitig die größten, befanden sich in Südrussland. Die beiden letzeren lagen weiter nördlich auf der Ostseite der Wolga. In den 1870er Jahren waren eine Reihe von Tochterkolonien gegründet worden, so dass die Anzahl der Mennoniten in Russland auf ungefähr 55000 Personen angestiegen war.

In den 1870er Jahren kündigte Russland als Teil seines Modernisierungsprogramms an, dass es die Kontrolle über alle Schulen übernehmen und von den mehreren hunderttausend ausländischen Siedlern verlangen würde, Militärdienst zu leisten. Da sie fürchteten, dass diese Änderungen ihren Glauben und ihre religiöse Praxis zerrütten würden, sandten Mennoniten und Hutterer aus Russland Delegationen in die USA und nach Kanada aus, um dort Einwanderungsmöglichkeiten auszukundschaften.

Nach Inspektionen und Verhandlungen, die 1873 begannen, wanderten ungefähr zehntausend Mennoniten nach Kansas, Nebraska, South Dakota und Minnesota aus. 1874 begannen weitere siebentausend Mennoniten in die neue kanadische Provinz Manitoba einzuwandern. Insgesamt waren ungefähr ein Drittel der in Russland lebenden Mennoniten ausgewandert. Denjenigen, die in Manitoba siedelten, wurde freie Religionsausübung, Befreiung von der Wehrpflicht und Kontrolle über eigene Schulen gewährt, außerdem wurden ihnen weite Ländereien angeboten, groß genug, um hier ihr eigenes System dörflicher Besiedlung zu errichten.

In Manitoba war das Land frei, mit Ausnahme der nominellen Gebühr für die Registrierung. Mennoniten, die in die USA auswanderten, erhielten keine Zusicherung, vom Wehrdienst befreit zu werden, und mussten für ihr Land zahlen. Dennoch betrachteten sie das Land, die Märkte und das Klima als sehr günstig. Sowohl Kanada als auch die USA war viel an neuen Immigranten gelegen, da beide Staaten das Land der ursprünglichen Einwohner („First Nations people“) an sich genommen hatten und das Land nun zum Agrarland entwickeln wollten.

Zahlreiche Mennoniten verließen die UdSSR in drei größeren Auswanderungswellen. Nach dem Ersten Weltkrieg und der darauffolgenden Russischen Revolution, den terroristischen Zügen Machnos und der Errichtung der Sowjetunion sahen viele Mennoniten keine Zukunft mehr. Von 1923 bis 1929 wanderte ungefähr ein Fünftel der Mennoniten aus der UdSSR aus, einige nach Deutschland, ungefähr 20000 nach Kanada, ungefähr 1200 nach Brasilien und ungefähr 1800 nach Paraguay.

Eine zweite Auswanderungswelle stellte sich während und nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Nachdem die deutsche Armee 1943 bei Stalingrad geschlagen worden war und die Front sich nach Westen verlagerte, wurden mindestens 35000 Mennoniten vom deutschen Militär in den Westen mitgenommen. Ungefähr 12000 Angehörige dieser Gruppe konnten es vermeiden, in die UdSSR repatriiert zu werden, und siedelten in Westdeutschland, Kanada und Paraguay.

Die letzte Auswanderungswelle dehnte sich von den 1970er bis in die 1990er Jahre aus, nachdem das Regime in der Sowjetunion kollabiert war. Deutschland erlaubte jedem, der eine deutsche Abstammung nachweisen konnte, einzuwandern und rüstete die Einwanderer mit großzügiger finanzieller Hilfe aus. Mehr als zweihundertsiebzigtausend Leute mennonitischer Herkunft waren eingewandert (John N. Klassen, Russlanddeutsche Freikirchen, 2007). Die Motive waren unterschiedlich: Wiedervereinigung der Familien, Flucht vor bedrängenden Verhältnissen, finanzielle oder berufliche Verbesserung und eine gute Zukunft für ihre Kinder.

Von den Mennoniten, die während der 1870er Jahre in Kanada gesiedelt hatten, wanderten fast 8000 in den 1920er Jahren nach Lateinamerika aus. Sie zogen fort, weil sie der Meinung waren, dass die kanadische Regierung ihrer Verpflichtung nicht nachkommen werde, eigene Schulen errichten zu dürfen, und weil sie bedrohliche Einflüsse des Nationalismus, Militarismus und der Moderne befürchteten. Ungefähr 6000 Mennoniten siedelten in Mexiko und 1800 in →Paraguay. In beiden Ländern wurden sie vom Wehrdienst befreit, ebenso der Eidesleistung, auch konnten sie dort in festem Dorfverband leben, eigene Schulen betreiben und die Erbschaftsangelegenheiten sowie das Versicherungswesen selbstständig regeln.

Die meisten Emigranten, die in Mexiko siedelten, waren →Altkolonier Mennoniten (→Old Colony Mennonites). In den folgenden Jahren, als ihre Anzahl gewachsen war, wanderten sie nach Belize, Bolivien, Paraguay, Argentinien (→Lateinamerika), die USA und zurück nach Kanada aus. Sie waren auf der Suche nach Land und nach beruflichen und geschäftlichen Möglichkeiten. Diejenigen, die nach Paraguay ausgewandert waren, entwickelten schließlich eine starke und blühende Gemeinschaft, die sich moderne, vor allem technologische Entwicklungen zu Nutzen machte.

1948 wanderten drei weitere Gruppen aus Kanada nach Lateinamerika aus: die Sommerfeld und Bergthal Gruppen zogen nach Paraguay, und der Älteste wanderte mit ungefähr einem Drittel der →Kleinen Gemeinde nach Mexiko aus. Weil sich viele Männer unter den kanadischen Mennoniten gegen das Friedenszeugnis ihrer Gemeinden wandten und in den Militärdienst eingetreten waren, wanderten diese drei Gruppen aus, um dem Militarismus und dem Besuch öffentlicher Schulen zu entgehen, die ihrer Meinung nach die Kinder dem Nationalismus und dem schleichenden Einfluss der Moderne aussetzten würden.

Von den 1950er Jahren bis zur Gegenwart sind mehrere zehntausend Mennoniten aus Paraguay und Mexiko nach Kanada gewandert, wo sie bessere ökonomische Bedingungen vorfanden, Familien zusammenführen und bessere Schulen besuchen konnten.

4. Hutterer

Im 16. Jahrhundert wurde den Täufern von protestantischen Adligen Zuflucht in Mähren gewährt. Die Täufer flüchteten in dieses Gebiet aus süd- und mitteldeutschen Gegenden, Schlesien, Österreich, Tirol und der Schweiz, um der Verfolgung aus religiösen Gründen zu entgehen. Von den verschiedenen täuferischen kommunitären und nichtkommunitären Gruppen, die in der Mitte des 16. Jahrhunderts existierten, haben nur die Hutterer mit ihren kommunitären Bruderhöfen überlebt. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts zählten die Hutterer mehr als 30000 Personen in Mähren und im benachbarten Ungarn (der heutigen Slowakei). Im frühen 17. Jahrhundert zerstörten die Verfolgung durch die Jesuiten und die Verwüstungen durch den Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) alle Bruderhöfe in Mähren (→Hutterische Bruderhöfe). In Ungarn wurden die Bruderhöfe am Ende des Jahrhunderts zerstört.

1622 ließ Bethlen Gábor, Fürst von Transsylvanien (heute Rumänien), mehr als eintausend Hutterer aus Mähren gewaltsam ostwärts in sein Land transportieren, wo sie bis in die 1760er Jahre hinein lebten. 1690 gab diese hutterische Gruppe aufgrund schwerer Verfolgung schließlich das kommunitäre Leben auf. 1762 jedoch richteten einige Hutterer, die von einer kleinen Anzahl lutherischer Pietisten unterstützt wurde, wieder das kommunitäre Leben in Transylvanien ein.

1767 flüchtete diese Gruppe von weniger als einhundert kommunitären Hutterern aus Angst um ihr Leben über das Gebirge nach Südrumänien; von dort wurden sie mit Hilfe eines ihnen freundlich gesonnenen Adligen nach Russland verbracht, um sich auf seinen Ländereien nördlich von Kiew anzusiedeln. Nach wenigen Jahrzehnten zerbrach diese Gruppe an inneren Spannungen, gab die Gütergemeinschaft auf und geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten.

1819 kam ihnen Johan →Cornies, ein wohlhabender Landbesitzer und von der Obrigkeit beauftragter Agent unter den Mennoniten, zur Hilfe und siedelte sie in nichtkommunitären Dörfern nahe der Kolonie von Molotschna in Südrussland an. 1859 wurde eine kleine hutterische Gütergemeinschaft, die sich Schmiedeleute nannte, gegründet, und im darauffolgenden Jahr entstand eine zweite Gütergemeinschaft der Dariusleut.

In den 1870er Jahren wanderten buchstäblich alle Hutterer aus Russland nach South Dakota (USA) aus. Nach ihrer Ankunft wurde eine dritte kommunitäre Gruppe, die sich Lehrerleut nannte, gegründet. Ungefähr ein Drittel der 1200 Hutterer, die ausgewandert waren, leben nun in Gütergemeinschaft. Alle kommunitären Hutterer im Westen Kanadas und in den USA stammen von diesen drei Gruppen ab.

Fast alle Hutterer wanderten 1918 aus den USA nach Kanada, weil sie von der amerikanischen Regierung und ihren Nachbarn bedrängt worden waren. Während des Ersten Weltkriegs verlangte die amerikanische Regierung, dass die Hutterer zum Militärdienst einzuziehen seien, was diese aufgrund ihres Friedenszeugnisses entschieden ablehnten. Das führte dazu, dass vier Hutterer zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden, von denen zwei zu Tode gefoltert wurden. Bis auf einen Bruderhof veranlassten Angriffe von Nachbarn und Behörden alle Bruderhöfe, 1918 nach Kanada auszuwandern. Die Schmiedeleut siedelten in Manitoba. Die Lehrerleut und die Dariusleut gründeten neue Kolonien in Alberta.

5. Ursprung der Migration in religiöser Vision

Die Skizze mennonitischer Wanderungen zeigt, dass Mennoniten, Amische und Hutterer die Möglichkeit der Auswanderung ergriffen, wenn sie mit Verfolgung aus Glaubensgründen oder mit Restriktionen ihrer religiösen Praxis konfrontiert wurden. Zahlreiche Staaten bedrohten sie, während andere sie einluden und ihnen Schutz vor Verfolgung boten.

Die Gründe für eine Auswanderung waren oft dieselben: die Suche der Mennoniten nach freier Religionsausübung und nach Land, um ihre Familien durchzubringen. Über die Jahrhunderte hin entwickelte sich die Landwirtschaft zu ihrem bevorzugten beruflichen Betätigungsfeld. Mit der Natur zu leben, wurde zu ihrer Berufung und ihrem Beruf. Die Arbeit auf dem Lande schloss in der Regel auch den Handel mit landwirtschaftlichen Gütern und Geräten ein.

Alle Gruppen waren der Überzeugung, dass Religionsfreiheit eine Verpflichtung zum Frieden und das Recht bedeuteten, eigene Schulen betreiben zu dürfen. Mit ihrer Suche nach Land spielten Mennoniten, Amische und Hutterer unbeabsichtigt eine Rolle im größeren nationalen Rahmen staatlicher und landwirtschaftlicher Entwicklung.

Oft waren es eher konservative Zweige der mennonitischen Gemeinschaft, die als erste in neuen Ländern Zuflucht suchten. Ihre Überzeugungen und ihr Gemeinschaftsgefühl trieb sie an, sich in neue, oft schwierige Situationen zu begeben, und so war es ihnen möglich zu überleben. In zahlreichen Fällen opferten sie die qualitativen Vorteile des Landes und des wirtschaftlichen Wohlstands, um den Kern ihrer Glaubensauffassungen anderswo schützen zu können.

Viele Migrationsstudien haben wirtschaftliche Faktoren als das wichtigste Motiv zur Auswanderung herausgestellt. Diese Skizze zeigt jedoch, dass dieser Faktor, so wichtig er für Mennoniten, Amische und Hutterer auch gewesen sein mochte, gegenüber der Religionsfreiheit zweitrangig war. Nur in den letzten Jahrhunderten gewannen wirtschaftliche Faktoren an Bedeutung.

Neuere Migrationsstudien haben den religiösen Faktoren eine wachsende Aufmerksamkeit gezollt, gewöhnlich aber haben diese Forschungen sich auf den Einfluss konzentriert, den die Migration auf die Religiosität der Migranten ausübte. Weniger Aufmerksamkeit ist der Religion als treibender Kraft für die Auswanderung entgegengebracht worden. Neuere Untersuchungen haben auch gezeigt, dass Migration oft ein Teil des Modernisierungsprozesses wird, aufwärtsstrebender Mobilität und Verbesserung des wirtschaftlichen Zustands. In den hier beschriebenen Gruppen spielten solche Motive jedoch als Ursache der Migration eine verhältnismäßig geringere Rolle, wenngleich der Ruf, Pioniere in der →Landwirtschaft zu sein, viel zur Mobilität in und zwischen den Ländern beigetragen hat. Die Migrationen dienten in manchen Fällen sogar dem Zweck, dem Einfluss der Moderne entgegenzuwirken.

Davon zu unterscheiden sind die Flüchtlingsbewegungen im Zuge überfallartiger Vertreibung in vormoderner Zeit und kriegerischer Auseinandersetzungen (→Flucht und Deportation), in letzter Zeit vor allem im und nach dem Zweiten →Weltkrieg, die nicht nur die Mennoniten, sondern die gesamte Bevölkerung eines Landes oder einer Region veranlassten, ihr Hab und Gut, ihre Gemeinden und ihre Heimat zu verlassen, z. B. Mennoniten in West- und Ostpreußen auf der Flucht vor der russischen Armee. Anders steht es auch mit den →Aussiedlern aus der Sowjetunion in neuerer Zeit. Amische und Hutterer sind aus Gründen der Verfolgung, des Landmangels, der Kriege, Revolutionen, Bedrohungen des Kernbestands ihres Glaubens und der Gefahren, die ihnen von der Moderne drohten, von Land zu Land gezogen. Sie wurden von freier Religionsausübung, unbeschränktem Landerwerb, einem eigenen Gesellschaftsverband und Kontrolle über ihre selbstständigen Organisationen in Gang gesetzt. Ihre Wanderungen dienten in den meisten Fällen der Absicht, ihrer religiösen Vision und den Verpflichtungen, die ihre Kirchen von Anfang an prägten, Rechnung zu tragen.

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John J. Friesen

 
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