Denomination

Der Begriff „Denomination“ ist gleichbedeutend mit „Konfession“ und „Freikirche“ verwendet worden. Wie Konfessionen weisen auch Denominationen bestimmte Lehranschauungen ungeachtet der Hinweise auf irgendwelche Glaubensbekenntnisse auf. So scheint der Kirchenhistoriker E. Russell Richey, der Denomination und Denominationalismus gründlich erforscht hat, die Denomination mehr oder weniger als →Freikirche zu verstehen, wenn er sie als eine „aus freiem Entschluss entstandene kirchliche Körperschaft“ beschreibt (Russell E. Richey, Denominations, 15 ff.). Dennoch unterscheiden sich diese drei Begriffe sowohl dem Ursprung als auch dem Gebrauch nach. Mit seinem Hinweis auf Dogma oder Glaubensbekenntnis verleiht der Begriff „Konfession“ den kirchlichen Körperschaften Legitimität, die bestimmten kirchlichen Maßstäben zu genügen haben. Das unterscheidet sich bezeichnenderweise von den ursprünglich dynamischen Konzeptionen und besonderen Merkmalen der Denomination (s. u.). Auch wenn „Freikirche“ und „Denomination“ auf dieselbe Weise definiert werden, erhält die Freikirche eine konzeptionelle Festigkeit vom Kontrast zu den Staats- und Territorialkirchen her, während die Denomination ihre Funktion in Zusammenhängen zu erfüllen hat, in denen sich Staats- oder Territorialkirche nicht bewegen. Darüber hinaus hat die bestimmte soziale Rolle der Denominationen die wissenschaftliche Diskussion zu Äußerungen angeregt, die von Lob bis zu harscher Kritik reichen.

1. Sprachliche und konzeptionelle Herkunft des Begriffs

Eine Denomination ist „denominiert“. Mehr noch: Sie verlangt nach einer bestimmten Bezeichnung, denn sie ist eine unter vielen. Diese Vielfalt, die diesem Begriff eigen ist, fordert ein scheinbar selbstevidentes christliches Ideal heraus: die Einheit der Kirche. Das Bemühen um christliche Einheit war nicht das unmittelbare Ziel derjenigen, die das Konzept der Denomination entwickelt haben. Als Samuel Willard (Boston) die Notwendigkeit „mehrerer Denominationen“ aufgrund der „verschiedenen Bedeutungen vieler Dinge“ 1688 ins Gespräch brachte, fand er das nicht problematisch. Solche Verschiedenheit stellte sich ihm als eine Konsequenz unseres Wissens dar, das nur bruchstückhaft sei (1. Kor. 13, 9). Schon vorher hatte Jeremiah Burroughs in diesem Jahrhundert mit demselben Prinzip auf der anderen Seite des Atlantiks argumentiert: „Gott hat seine Hand in diesen Trennungen, um mehr Licht zu erzeugen“, denn, wie sein puritanischer Glaubensgenosse John Goodwin an Dan. 12, 4 erinnerte, „so werden viele hin und her laufen und großen Verstand finden“. Solche Zitate wurden 1955 in einem wichtigen Aufsatz von Winthrop Hudson gesammelt und untersucht (Winthrop Hudson, Denominationalism, 32–50). Sie repräsentieren das dynamische Konzept des Denominationalismus, das unter den puritanischen Independenten in England und in den englischen Kolonien Nordamerikas in Erscheinung trat. Unter dem gemeinsamen Bemühen um „mehr Licht“ in den verschiedenen Gemeinschaften sahen die Puritaner oft reformierte und mennonitische Gemeinden in der Niederländischen Republik als Gefährten auf demselben Weg an. Sie hatten ins Auge gefasst, was Ernst Troeltsch später als „Demokratisierung der Offenbarung“ bezeichnet hat (Sarah Coakley, Christ without Absolutes, 112 und 117). Indem sie die Begrenzung des menschlichen Auffassungsvermögens für das Göttliche anerkannten, wandten sie diese Beobachtung auch auf die Kirche als eine menschliche Institution an. Auf dieser Grundlage gaben sie die statischen kirchlichen Auffassungen von Dogma und Hierarchie auf und wiesen auf einen sich entwickelnden Dialog voraus, der sie in die Lage versetzen sollte, ein genaueres Begreifen des Göttlichen durch Austausch und gegenseitige Nähe zu erreichen.

Dieses frühe Konzept des Denominationalismus hallt in einer erst kürzlich gegebenen theologischen Definition wider. Der presbyterianische Theologe Barry Ensign-George meinte, dass die Denomination nur ein Typ vermittelnder Struktur zwischen „Gemeinde“ und „Kirche“ sei. Damit ist er eine Parallele zu anderen Vermittlungsstrukturen wie den monastischen Orden beispielsweise. Aber die Denomination verfolgt ihr eigenes, ganz bestimmtes Ziel, einen offeneren und undeterminierten „Raum der Urteilsfindung“ wie auch „ein Mittel, um unterschiedliche Formen eines christlichen Lebens im Glaubensgehorsam auszuleben“. Im Gegensatz zu anderen vermittelnden Strukturen bringen sich Denominationen selbst als „geschichtlich, voneinander abhängig, bruchstückhaft und durchlässig“ zur Geltung (Barry Ensign-George in: Paul M. Collins und Barry Ensign-George (Hg.), Denomination, 5–7).

So werden im Denominationalismus Trennungen als Mittel eingesetzt, um ein gottgewolltes Ziel zu erreichen. Das ist nicht ohne biblisches Beispiel. Zu Beginn der Genesis (1. Mos. 1) scheidet Gott Licht von Finsternis, Land von Wasser und Himmel von Erde, um einen Raum zu schaffen, in dem Leben gedeihen kann. In einem späteren Abschnitt der Genesis, als die Nationen sich zum Turmbau von Babel trafen, vereitelte Gott ihren Versuch, den Himmel zu erobern, indem er ihre Sprachen verwirrte. Doch Ensign-George sieht in einer solchen Trennung nicht nur eine Bestrafung. Im vorangehenden Kapitel zur Erzählung vom Turmbau zu Babel werden die Nationen, die von Japheth, Ham und Sem abstammen, als jeweils mit der eigenen Sprache „gesegnet“ beschrieben (1. Mos. 5, 5; 5, 20 f.). Die Bibel selbst weist also darauf hin, dass die Vielfalt den sich entwickelnden Reichtum der Schöpfung zur Geltung bringt und fördert (Barry Ensign-George, Paul M. Collins und Barry Ensign-Georg (Hg.), Denomination, 9 f.). Die Kontinuität zwischen den frühsten und den neusten theologischen Auffassungen von Denomination ist nicht zu übersehen.

2. Typologische Definition

In den Sozialwissenschaften sind religiöse Institutionen mit Hilfe von Idealtypen definiert worden. Dieses heuristische Vorgehen stellt ein „geistiges Konstrukt dar, dem keine individuelle Erscheinung genau entspricht“ (H. Richard Niebuhr, The Kingdom of God, xxxviii). Im Rahmen dieser Begrenzung isoliert der Idealtypus bestimmte institutionelle Merkmale und Vorgänge und ermöglicht auf diese Weise Analyse und Kommentar. Der idealtypische Begriff wird als Maßstab eingesetzt, an dem die Beschreibung realistischer Züge einer Institution oder eines Vorgangs gemessen und analysierend in einen Erkenntniszusammenhang gebracht werden kann.

Max →Weber und Ernst →Troeltsch eröffneten einen idealtypologischen Zugang zu religiösen Institutionen während der beiden ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Im Zusammenhang dieser Analyse wandte sich Troeltsch dem Begriff der „Freikirche“ zu und stellte einige ihrer besonderen Merkmale heraus; an einer Stelle meinte er sogar, dass die kongregationalistischen Freikirchen eine Position zwischen Kirche und Sekte innehätten (738–748). Aber letztlich ordnet er die Freikirche in den Sektentyp ein, weder Troeltsch noch Weber verwenden den Begriff der „Denomination“. Alles in allem stellt ihr Werk dennoch eine Begrifflichkeit und einen Rahmen bereit, die es ermöglichen, diese drei christlichen Kerninstitutionen der neueren Zeit zu untersuchen: Kirche, Sekte und Denomination.

Der Schlüssel, mit dem die Denomination von Kirche und Sekte unterschieden wird, liegt in Webers Konzept der charismatischen Autorität oder des „Zugangs zu den Gnadenmitteln“. Als Idealtypen beanspruchen Kirche genauso wie Sekte, solche Autorität exklusiv je für sich zu besitzen. Für die Kirche findet sie ihren Ausdruck im „Amtscharisma“. Aufgrund ihrer Stellung verfügt die Geistlichkeit (Klerus) über die Gnadenmittel (beispielsweise durch die Verwaltung der Sakramente). Im Gegensatz dazu erwirbt die Sekte ihr Charisma, indem sie ihren Status als ein „glaubenstreuer Rest“ unter Beweis stellt. Das ist eine kollektive Errungenschaft: Sekten bewahren sich ihre charismatische Autorität durch eine gesteigerte und homogene Virtuosität, indem sie die Gemeindeglieder im Sinne eines besonderen Codes von Glaubensauffassungen und praktischem Verhalten auf Konformität ausrichtet. So sichert die Sekte das Heil durch ein rigoroses Beachten ihrer gemeinschaftlichen Grenzen, die Kirche dagegen durch die „exklusive Bewilligung charismatischer Gaben“ (Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 887, 880, 920 f.; James Irvin Lichti, Houses on Sand?, 4–9).

Im Gegensatz dazu verfügt die Denomination über keinerlei charismatische Autorität. Sie anerkennt, dass sie ein menschliches, nicht ein göttliches Konstrukt sei. In Übereinstimmung mit den Reformatoren wie Johannes Calvin, der behauptete, Gott „kenne allein diejenigen, die zu ihm gehören“ (zit. von Winthrop Hudson, Denominationalism as a Basis of Ecumenicity, 33), akzeptieren die Denominationen die Auffassung von der unsichtbaren Kirche. Es gibt nur einen Ort, an dem sich das Heil ereignet und wo die errettende Gnade Wurzeln schlagen kann: in der Seele des Gläubigen.

Die Denomination lokalisiert den Sitz charismatischer Autorität im Inneren des Individuums. Die „vorrangige Bedeutung“ des Individualismus für Denominationen wurde 1962 von David A. Martin zwingend herausgestellt: Für die Denomionation liegt „die Wirklichkeit der Gegenwart Gottes“ in den „Herzen der Gläubigen, nicht in den Abendmahlselementen selbst“ (David A. Martin, The Denomination, 7 und 11).

Diese dreigliedrige Typologie von Kirche, Sekte und Denomination entspricht nicht dem Original. Sie ist eine Aneignung der Typologie Troeltschs von Kirche, Sekte und Mystik, die die Ausgliederung des Ortes, an dem Gnade vermittelt wird, auf eine parallele Weise beschreibt. Sicherlich beschreibt Troeltsch den Mystiktyp – und das trifft auch auf den Denominationstyp zu – als ein viel weiteres und weniger institutionell ausgerichtetes Phänomen. Die charismatische Autorität ruht in beiden Fällen fest im inneren spirituellen Leben des Individuums (S. 849–851).

Für diese Unterscheidungsmerkmale der Denomination ergeben sich eine Reihe institutioneller Konsequenzen. Während die Denomination tatsächlich Gemeinschaft schafft, muss sie auch auf die Anschauung von der charismatischen Autorität in einem jeden Gemeindeglied zurückgreifen. Erstens muss also die Mitgliedschaft auf freiwilligem Entschluss beruhen. Zweitens verlangt die Auffassung von der charismatischen Autorität die Konzession eines erweiterten Bereichs für „die Freiheit des Gewissens“ und für „Freiheit der eigenen Meinungsäußerung“, die jedem Gemeindeglied zugestanden werden muss. Drittens bedeutet das, dass jede denominationale Formulierung des Glaubens nur aus dem Prozess gegenseitiger Urteilsfindung unter den Gläubigen erwachsen konnte; die Mitglieder müssen sich sozusagen auf kollektive Weise ihren eigenen „Sozialkontrakt“ schaffen. Das alles bedeutet, dass die Denomination einen weiteren Bereich religiöser Meinungen als die Sekte duldet und sich für mehr demokratische Formen einsetzt als die Kirche. Viertens nimmt die Denomination mit der Entinstitutionalisierung der charismatischen Autorität den paradoxen Status einer säkularisierten religiösen Institution an.

Schließlich koexistieren Denominationen als menschliche Institutionen ohne jede Art von Rangordnung untereinander. Obwohl sie verschieden sind, sind sie doch durch einen theologischen Konsens miteinander verbunden, die Grenzen dieser Übereinstimmung sind jedoch nicht genau gezogen. Wie Ensign-George bemerkte, sind die Merkmale des institutionalisierten Christentums im Neuen Testament begrifflich erstaunlich unbestimmt (Barry Ensign-George in: Paul M. Collins und Barry Ensign-George (Hg.), Denomination, 11 f.). Der Denominationalismus ist also auf selektive Weise pluralistisch. Das schafft Gelegenheit für interdenominationale Zusammenarbeit, aber die oben angeführten Mandate, die Freiheit gewähren, öffnen auch die Tür für einen Wettstreit unter den Denominationen.

3. Die Denomination als „Geschöpf der Moderne“

Die Merkmale des Denominationalimus, wie sie oben aufgezählt wurden, lesen sich wie eine Liste moderner politischer und ökonomischer Prinzipien. In diesem Sinne nennt Russell Richey die Denomination „ein kirchliches Geschöpf der Moderne, eine soziale Form, die eng verwandt mit den politischen Parteien, der freien Presse und der freien Wirtschaft entstanden ist“. Er fährt fort: „Diese vier Geschöpfe der Moderne neigten dazu, sich gemeinsam zu entwickeln und sich gegenseitig zu beeinflussen“ (Russell E. Richey (Hg.), Denominations, 18). Richeys Auffassung erhielt ein weites Echo. David A. Martin kommentierte die ausgesprochen pragmatischen und utilitaristischen Tendenzen des Denominationalismus, H. Richard Niebuhr den säkularisierten Status der Denomination, Peter Berger ihre Fähigkeit zum Wettstreit, wie er in moderner Marktgesellschaft üblich ist, James H. Moorhead ihre Integration von amerikanischer Unternehmenstaktik und -strategie (James H. Moorhead, in: Robert Bruce Mullin und Russell Richey (Hg.), Reimagining Denominationalism, 264–287).

Die Anzahl der Prinzipien, die den Denominationalismus an den politischen und wirtschaftlichen Liberalismus binden, ist auffallend. Idealerweise helfen sie, die Denomination zu einer einzigartigen, dynamischen und vitalen Institution zu gestalten. Aber auch wenn ein gegebenes denominationales Prinzip mit dem Liberalismus übereinstimmt, können ihre theologischen Anfänge antiliberal sein, z. B. gründeten sich die frühsten Erscheinungsformen der Absonderung der Kirche vom Staat in den nordamerikanischen Kolonien nicht auf liberales Naturrechtsdenken, sondern auf puritanische Überzeugungen im Hinblick auf den Sündenfall der Menschheit. Mit den Worten des amerikanischen Kolonisten John Cotton gibt die Übertragung der bürgerlichen Macht an eine Kirche „ihr nicht den Schlüssel zum Himmelreich, sondern den Schlüssel zu einem bodenlosen Abgrund“ (H. Richard Niebuhr, The Kingdom of God, 81). Das ruft die Frage hervor, ob der liberale Charakter der Denominationen ideologisch oder formal ist, ob er sicher in doktrinären Anschauungen begründet oder mehr eine zweckmäßige Anpassung an den Trend zur Modernisierung ist.

Wie auch immer: Denominationalismus weist Affinitäten zum Liberalismus auf, und das schließt die Abgründe des Liberalismus ein. In einer anglikanischen Beurteilung des Denominationalismus fragte Paul Avis, ob Denominationen nicht dazu neigten, die Elemente des Glaubens und der Moralität zu „relativieren“ und zu „privatisieren (Paul Avis, in: Paul M. Collins und Barry Ensign-George, (Hg.), Denomination, 24). Das bedeutet: Wenn Denominationen Toleranz üben, überlassen sie ihre Mitglieder sich selbst, isoliert und vereinzelt angesichts der Herausforderung, ihren Glauben in das alltägliche Leben hineinzutragen. Ein paralleler Vorgang findet im denominationalistischen Pluralismus statt, der das Christentum in Fragmente zerlegt und seinen möglichen Einfluss auf die weitere Gesellschaft untergräbt.

Sicherlich hatten moderne säkulare Gesellschaften Gründe, die Dynamik zu begrüßen, die den christlichen Einfluss schwächt, sogar der Nationalsozialismus trug eine „denominationale“ Maske als Teil seiner Ambition, die säkulare Sphäre zu beherrschen. Von der Plattform 1920 an präsentierten sich Hitler und seine Partei als die Kraft, die alle interessengebundene Politik der Weimarer Republik angeblich hinter sich lassen konnte, indem sie Deutschland quer durch Klassen- und Konfessionsgrenzen vereinte. Parteifunktionäre benutzten die liberale Forderung, Kirche und Staat voneinander zu trennen, auch wenn ihre Motive antiliberal waren wie jene in den Kolonien der nordamerikanischen Puritaner. Die nationalsozialistischen Führer glaubten auch, dass sie mit einer denominational zertrennten Christenheit leichter fertig werden konnten als mit einer vereinten (James Irvin Lichti, Houses on the Sand?, 116 ff.). Es überrascht nicht, dass die deutschen Freikirchen dazu neigten, sich dem nationalsozialistischen Denominationalismus mit einem Gefühl der Erleichterung anzuvertrauen (→Drittes Reich). Die Mennoniten hatten beispielsweise Grund zu glauben, dass sie im deutschen Volk auf einzigartige Weise gut aufgehoben waren. Darüber hinaus untergrub eine denominationale Tendenz, den Glauben zu relativieren und zu privatisieren, mit großer Gewissheit die Fähigkeit der freikirchlichen Mitglieder den starken Herausforderungen eines wachsenden totalitären Gesellschaft zu begegnen (James Irvin Lichti, Houses on the Sand?, 255, 259).

4. Eine postliberale Definition

Robert Bruce Mullin nahm die Definition der Denomination vom Standpunkt der postliberalen Theologie in Angriff. Er sah in der Denomination ein kulturell geprägtes Sprachsystem und bestimmte die Denomination als eine Art von Zweisprachigkeit: es „geht dabei um den Spagat zweier Kulturen, eine Kultur besteht aus einer besonderen Tradition und die andere nimmt die weitere gesellschaftliche Tradition auf“. Anders gesagt, die Argumente, die in der Auseinandersetzung um die Definition der Denomination angewandt werden, gehören also zwei unterschiedlichen Bedeutungszusammenhängen an (Robert Bruce Mullin und Russell E. Richey (Hg.), Reimagining Denominationalism, 165 ff.).

Es bleibt eine Frage, wie eine Denomination zwischen seiner eigenen Erzählung, in der sich die Mitglieder ihre Gemeinschaft erklären, und der Erzählung, die in der weiteren gesellschaftlichen Tradition geläufig ist, manövriert. Gestützt auf linguistische Vorgaben erwähnt Mullin zwei Vorgehensweisen, die im Rahmen der Zweisprachigkeit genutzt werden: die „diglossia“, die die beiden Sprachen in zwei unterschiedlichen Sphären anordnet, und das „code switching“ (Umschalten von einem Code auf einen anderen), das die beiden Sprachen miteinander „innerhalb ein und desselben Denkens“ verbindet. Auf die Denomination angewandt, operiert die „diglossia“ in konfliktfreier Beziehung mit der „weiteren gesellschaftlichen Tradition“. Wenn aber Konflikte auftreten, ermöglicht das „code switching“ den Mitgliedern der Denomination, „sich entweder als Insider oder als Outsider“ zu verstehen (ebd., 169). Kurz gesagt, das „code switching“ versetzt die Denominationen in die Lage, die weitere gesellschaftliche Tradition entweder zu unterstützen oder herauszufordern. Sie kann sich konformistisch oder nonkonformistisch verhalten.

Grundzüge in Mullins Modell korrespondieren mit einer soziologischen Analyse, die 1963 von Benton Johnson vorgelegt wurde. Er arbeitete mit der damals vorherrschenden Dichotomie von Kirche und Sekte, wie sie aus den Schriften von Weber und Troeltsch erhoben worden war, und reduzierte die Unterscheidung auf ein einziges variables Merkmal: „Eine Kirche ist eine religiöse Gruppe, die die gesellschaftliche Umwelt, in der sie lebt, akzeptiert. Eine Sekte ist eine religiöse Gruppe, die die gesellschaftliche Umwelt, in der sie lebt, zurückweist“ (Benton Johnson, On Church and Sect, 542). Wird die Definition Johnsons auf Mullins Modell bezogen, heißt das, dass Kirche und Sekte einsprachig sind. Die Kirche wird als Insider angesehen und die Sekte als Outsider. Ihre Beziehungen zu den „weiteren gesellschaftlichen Traditionen“ sind eindeutig.

Im Gegensatz dazu ist die zweisprachige Denomination irgendwo dazwischen angesiedelt. Durch den Codewechsel kann sie ihren säkularen Kontext entweder aufnehmen oder herausfordern. Sie muss aber wählen, ob sie sich als Insider oder als Outsider verstehen will; in der Begrifflichkeit Johnsons muss sie von Konflikt zu Konflikt entscheiden, ob sie eine „Kirche“ oder eine „Sekte“ ist. Ob der Codewechsel eine Denomination zu „mehr Licht“ führt, wird von der Dynamik der Beziehung zwischen ihrer eigenen Erzählung und der Erzählung der weiteren Gesellschaft abhängen. Je nachdem sind Denominationen in beide Richtungen geführt worden: in eine prophetische und eine angepasste.

Aber in Denominationen, die in Gesellschaften leben, in denen Religionsfreiheit gewährt wird, ist die Zweisprachigkeit untergraben, weil beide Erzählweisen miteinander verknüpft sind. Besonders in freien Gesellschaften ist der Denominationalismus gediehen, und das Ideal der Freiheit, das beiden gemeinsam ist, schafft eine Annäherung der Bedeutungszusammenhänge, auf die sich ihre Erzählungen beziehen. Freiheit hat jedoch ihre eigenen Voraussetzungen. Wie Sidney E. Mead bemerkt hat, beanspruchen Gesellschaften, die religiöse Freiheit gewähren, dass nur solche Lehren, die von den Denominationen gemeinsam vertreten werden, „wirklich relevant für das Wohlergehen der Gesellschaft und des Staates seien“. Das bedeutet, dass besondere denominationale Lehren „für das öffentliche Wohl“ nicht relevant sind. Doch wenn besondere Lehren außerhalb der Grenzen der Denomination irrelevant sind, wird der Grund der Denomination, ihre separate Existenz zu rechtfertigen, unklar: „so wundert es nicht, wenn ein Minderwertigkeitsgefühl viele religiösen Führer in Amerika seither heimgesucht hat“ (Sidney E. Mead, in: Russell E. Richey (Hg.), Denominations, 82 f.).

Dieses Minderwertigkeitsgefühl kann von historischen Erfahrungen gemildert oder sogar aufgewertet werden, zum Beispiel die Bedrängnis durch den Kalten Krieg. In diesem Konflikt standen die Denominationen ihren Nationen zur Seite, die die Freiheit gegenüber dem atheistischen Feind verteidigten. Ökumenismus wurde zu einer Sache der freien Welt, und der Denominationalismus nahm den Charakter einer Verteidigungsallianz an. Die Zweisprachigkeit des Denominationalismus erlosch, als sich das sprachlich-kulturelle System von Denomination und Gesellschaft miteinander verband. Dennoch bleibt Mullins Modell anregend: Die Integrität einer gegebenen Denomination kann auf einem wacheren Bewusstsein davon beruhen, wie ihr zweisprachiges Definitionsvermögen zu erhalten und sogar zu beschützen sei.

5. Denominationalismus als Bollwerk gegen sozio-ökonomische Schichtung

1929 veröffentlichte H. Richard Niebuhr eine niederschmetternde Kritik in The Social Sources of Denominationalism. Er meinte, das Klasse, Ethnizität, Rasse, Regionalismus und Nationalismus auf unentwirrbare Weise an der Gestaltung und Erhaltung der nordamerikanischen Denominationen beteiligt seien. Sie verstärken ein weiteres System sozio-ökonomischer Schichtung und „trennen die Reichen und die Armen voneinander am Tisch des Herrn“ (H. Richard Niebuhr, The Social Sources, 6).

Andere Wissenschaftler folgten Niebuhrs Ansicht, und nur wenige haben seine schwere Beschuldigung zurückgewiesen, dass der nordamerikanische Denominationalismus moralisch versagt habe (H. Richard Niebuhr, Social Sources, 25). Aber ihre Auseinandersetzung mit diesem Thema schlägt im Allgemeinen komplexere Töne an. So war das Entstehen schwarzer Denominationen in den Vereinigten Staaten von Amerika zu Beginn des 19. Jahrhunderts beispielsweise eindeutig eine Reaktion auf den Rassismus in den nordamerikanischen Denominationen und auf ihr Unvermögen, eine eindeutige Haltung gegenüber der Sklaverei einzunehmen. Doch was sie betrifft, haben die schwarzen Denominationen einen „moralischen Sieg“ errungen: Sie haben eine beträchtliche Ungleichheit unter den Christen überwunden, afrikanische Amerikaner kämpften dafür, ihre eigenen Denominationen zu gründen, und bemühten sich darum, ein wahres Christentum nicht nur für sich selbst, sondern für die gesamte Menschheit zu bewahren. Darüber hinaus dienten die schwarzen Denominationen den Afroamerikanern insgesamt, „eine der wenigen sozialen und kulturellen Institutionen zu schaffen, die von Schwarzen kontrolliert und in Besitz gehalten werden“ (Will B. Gravely und Laurie Maffly-Kipp, in: Robert Bruce Mullin und Russell E. Richey (Hg.), Reimagining Denominationalism, 58–73 und 239–263). Diese Errungenschaften merzen den rassistischen Flecken aus dem nordamerikanischen Denominationalismus keineswegs aus, aber sie verbinden die Ziele des schwarzen Denominationalismus mit denjenigen der protestantischen Reformatoren. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung über die Beziehung zwischen Ethnizität und nordamerikanischem Denominationalismus hat sich inzwischen zu einer ähnlichen Komplexität hin entwickelt wie die Untersuchungen zu den sozialen und wirtschaftlichen Wurzeln des Denominationalismus.

Eine zweite klassische Untersuchung veröffentlichte H. Richard Niebuhr 1937 unter dem Titel The Kingdom of God in America. Hier setzte er sich mit dem selektiven Pluralismus des Denominationalismus auseinander. Er beschrieb die Vorstellung von der „Königsherrschaft Gottes“ als ein verbindendes Motiv im amerikanischen Protestantismus. Ursprünglich war das eine dynamische Vorstellung, schließlich aber degenerierte sie zur Idee „von amerikanischen Christen als dem auserwählten Volk“: das „Königtum Gottes“ wurde das „Königtum der angelsächsischen Rasse (…). So gehen Institutionalismus und Imperialismus, kirchlich und politisch, Hand in Hand“ (H. Richard Niebuhr, The Kingdom of God, 178 f.). Während sich Niebuhrs erste Untersuchung auf die Fähigkeit der Denomination zu trennen konzentrierte, legt er hier den Akzent auf ihre Fähigkeit, Einheit zu schaffen. Aber das Motiv der Königsherrschaft Gottes brachte nur ausgewählte „Insider“-Denominationen zusammen. So wurde der Denominationalismus mitschuldig daran, dass eine bestimmte amerikanische Eilte geschaffen und erhalten wurde: die weißen angelsächsischen Protestanten (WASPs).

Die späteren Untersuchungen haben Niebuhrs Beitrag zu diesem Thema nicht entwertet, sondern gelangten nur zu komplexeren und sogar einander widersprechenden Schlussfolgerungen. Nathan O. Hatch beispielsweise begriff den Denominationalismus als eine wichtige Dynamik, die soziale Hierarchien herausforderte und eine wichtige Rolle dabei spielte, den Weg für eine demokratisiertere Gesellschaft zu ebnen. Während Hatch sich auf das 19. Jahrhundert beschränkte, trifft die Bedeutung seiner Schlussfolgerungen bis auf den heutigen Tag zu.

Aber Niebuhrs Analyse ist noch nützlich, um die eigenartige Natur der denominationalistischen Säkularisation aufschlüsseln zu helfen. Indem sie zur Schaffung einer Art von amerikanischer Aristokratie beitrug, bewegten sich zumindest manche Denominationen auf einen kollektiven kirchlichen Status hin. Das ist so, weil die Tendenz, sich in einen kirchlichen Mantel zu hüllen, ein Teil der eigenen Konstitution des Denominationalismus ist. Russell E. Richeys Definition der Denomination als „einer auf freiem Entschluss gründenden kirchlichen Körperschaft“ macht sehr klar, dass sie eine freie Kirche ist: „sie zeigt sich voll und ganz als Kirche, die alles hat, was für das Sein einer Kirche in der christlichen Tradition wesentlich ist, als eine christliche Kirche wie andere Kirchen auch“ (Paul M. Collins und Barry Ensign-George (Hg.), Denomination, 69). Das deutet eine Zweideutigkeit im Charakter der Denomination an, der dazu neigt von der Klarheit der idealtypischen Definitionen verdunkelt zu werden: obwohl säkularisiert, ist die Denomination nicht säkular.

6. Die Bedeutung des Denominationalismus für Mennoniten

In seiner Analyse der Geschichte der →Mennoniten-Brüdergemeinden zeichnete Richard G. Kyle die Geschichte und gesellschaftlichen Verhältnisse, wie sie sich idealtypologisch darstellen. So überrascht es nicht, wenn er große Teile der täuferischen und mennonitischen Geschichte als sektenhaft („sectarian“) beschreibt. Darüber hinaus charakterisiert Kyle die isolierten Kolonien der russischen Mennoniten im 19. Jahrhundert als Gemeinden auf dem Wege zu einem landeskirchlichen Modell und die Entstehung der Mennoniten-Brüdergemeinden in diesen Kolonien als Sekte. Seine Schlussfolgerung, dass die spätere Denominationalisierung dieser Brüdergemeinden als ein „zweischneidiges Schwert“ angesehen werden müsse (Richard G. Kyle, From Sect to Denomination, 133), liegt sehr wohl im Rahmen der komplexen wissenschaftlichen Auseinandersetzung über den Denominationalismus.

Kyles Arbeit zeigt die Komplexität beim Anwenden der Bezeichnungen Kirche, Sekte, Denomination und Freikirche auf eine bestehende kirchliche Tradition auf. Viele Traditionen fügen sich nicht einfach einem einzigen Typus. Während anglikanische, lutherische und katholische Körperschaften denominationalistische Merkmale aufweisen mögen und als Denominationen in bestimmten Zusammenhängen angesprochen werden können, werden sie diese Bezeichnung – einmal stärker und ein anderes Mal schwächer – kritisch herausfordern. Sicherlich stimmen nicht alle Gemeinden, die aus dem Täufertum stammen, mit den Merkmalen der Denomination oder Freikirche überein, und er hat sich die weitere Frage gestellt, ob sich der Denominationalismus gegenwärtig im Niedergang oder in einem erfolgreichen Prozess der Aneignung befindet. Dennoch haben die Mennoniten eine eigene, ganz besondere Rolle in der Geschichte des Denominationalismus gespielt, und die Literatur über den Denominationalismus lässt die Mennoniten zu einer reichen Quelle werden, aus der Überlegungen über ihre Rolle und Bedeutung in der modernen Gesellschaft geschöpft werden können.

Literatur (Auswahl)

Peter Berger, The Sacred Canopy: Elements of a Sociological Theory of Religion. New York 1967. - Sarah Coakley, Christ without Absolutes: A Study of the Christology of Ernst Troeltsch, Oxford 1994 (1. Aufl. 1988). - Paul M. Collins und Barry Ensign-George (Hg.), Denomination: Assessing an Ecclesiological Category London und New York 2011. - Nathan O. Hatch, The Democratization of American Christianity, New Haven und London 1989. - Winthrop Hudson, Art. „Denominationalism“, in: The Encyclopedia of Religion, hg. von Mircea Eliade, New York 1987. - Winthrop Hudson, Denominationalism as a Basis for Ecumenicity: A Seventeenth Century Conception, in: Church History 24, 1955, 32–50. - Johnson, Benton, „On Church and Sect“, in: American Sociological Review 28,4 (1963), 539–549. - Richard G. Kyle, From Sect to Denomination: Church Types and Their Implications for Mennonite Brethren History. Hillsboro, Kansas 1985. - James Irvin Lichti, Houses on the Sand? Pacifist Denominations in Nazi Germany, New York 2008. - David A. Martin, The Denomination, in: British Journal of Sociology 12, 1962, 1–14. - Robert Bruce Mullin und Russell Richey (Hg.), Reimagining Denominationalism, Oxford und New York 1994. - H. Richard Niebuhr, The Kingdom of God in America. Middletown, Connecticut, 1988 (1. Aufl., 1937). - Ders., The Social Sources of Denominationalism. New York 1929. - Russell E. Richey (Hg.), Denominationalism, Nashville, Tenn., 1977. - Ders., Denominations and Denominationalism: Past, Present, and Future, in: Word & World 25, 1, 2005, 15–22. - Ernst Troeltsch, Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen, Tübingen 1911. - Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft: Grundriß der Verstehenden Soziologie, hg. von Johannes Winckelmann, Köln und Berlin 1954.

James Irvin Lichti

 
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