Wageningen (und Umgebung)

1. Entstehung der Gemeinde

Die Mennonitengemeinde Wageningen im Osten der →Niederlande wurde 1896 gegründet. Nachdem die Hochschule für Agrarwissenschaften 1876 dorthin gekommen war, ließen sich in dieser Gegend auch Mennoniten und andere liberale Religionsgemeinschaften nieder. 1903 wurde mit dem Bau der Kirche begonnen, am Rande der Altstadt neben der Synagoge, von alters her der Ort für diejenigen, die nicht der Staatsreligion anhingen. Diese freundliche kleine Kirche mit ihrer häuslichen Anmut und dem gekreuzten Tonnengewölbe aus dunkel geöltem Fichtenholz wurde 1901 von dem Architekten C. Honigh aus Velp entworfen. Es war ein Zentralgebäude im Stil der Neo-Renaissance mit 150 Sitzen, wie es zu jener Zeit für protestantische Kirchen üblich war. Die treibende Kraft hinter diesem Neubau war Bart Cuperus (1837–1913) aus Zutphen, der zuvor als emeritierter Prediger für den wöchentlichen Religionsunterricht hinzugebeten worden war. Eine Abteilung des liberalen Niederländischen Protestantenbundes (NPB) war in Wageningen schon seit 1878 aktiv, es wurden Vorträge gehalten und Religionsunterricht erteilt. Nachfolger von Bart Cuperus wurde Anne Jans van Loghum Slaterus (1908 – 1917), und es folgten Frederik Wilhelm Wouter Baak (1918 – 1920), van Pieter Guibald van Slochteren (1922 – 1925), und Matthias van der Vegte (1927 – 1939).

2. Wiederaufbau der zerstörten Mennonitenkirche

Der große Bruch im Leben dieser Gemeinde und dieser Stadt kam mit dem Zweiten →Weltkrieg. Wageningen profiliert sich in den letzten Jahren als „Stadt der Befreiung“, doch hätte sie auch Anspruch auf den Namen „Stadt des Krieges“: Sie lag zweimal zwischen den Fronten, wurde zweimal evakuiert und auch zweimal in Schutt und Asche gelegt. In beiden Fällen trafen die einmarschierenden deutschen, beziehungsweise britischen Truppen auf eine leergefegte Stadt. Wageningen steht auf der traurigen Liste der niederländischen Orte mit vernichtenden Kriegsschäden, allerdings waren bei den genannten Evakuierungen fast keine Opfer aus der Bevölkerung zu beklagen. Dass Wageningen in der Frontlinie liegen würde, war zu erwarten. Während der Kriegshandlungen 1940 wurde die alte Innenstadt zum größten Teil zerstört. Mehr als 130 Gebäude waren verwüstet und mehr als 600 Bauten waren beschädigt. In dieser Kriegsgewalt ging auch die kleine Mennonitenkirche unter.

Nach dem Krieg musste eine neue Kirche gebaut werden. Genau wie viele andere Gebäude aus der Nachkriegszeit ist der neue Komplex, bestehend aus dem Kirchenraum, einem Saal, einer Küsterwohnung und einem Pfarrhaus, im Stil der Delfter Schule, gebaut worden. Dies ist eine Bezeichnung für eine Gruppe von Architekten, die sich in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts um den Delfter Professor M. J. Grandpré Molière scharten. Für diesen Stil ist ihre Schlichtheit charakteristisch, sowie eine Vorliebe für „ehrliche“ Materialien wie Backstein, Eichenholz und Tuffstein, und eine Liebe zu kreativen handwerklichen Details. Es war ein Stil, der in seiner schlichten Monumentalität Gottes Würde zum Ausdruck bringen wollte. Die Architekten W. Gerritsen und C. J. Cramer aus Arnhem fanden ihre Inspiration in der Kirchenbaukunst der frühchristlichen Periode im Mittelalter. Die Kombination eines Transept-Chores mit einem Saalschiff wird oft bei den Bettelorden aus dem 13. und 14. Jahrhundert in der Toscana angetroffen. Auch die Position des Kirchturms ist typisch italienisch. Die italienischen Kirchen haben meistens einen Glockenturm, einen campanile, neben dem Schiff stehend. Die Ausführung des Turms, mit dem Satteldach zwischen den Spitzgiebeln, trägt eine romanische Handschrift und wird vor allem in Groningen und Friesland angetroffen. Es ist insgesamt ein ausgeprägter Komplex mit viel Atmosphäre. Innerhalb der großen Diversität mennonitischer Kirchen mutet dieser ganze Komplex ein wenig klösterlich an. Er besitzt eine franziskanische Schlichtheit von außen und eine protestantische Schlichtheit drinnen. Der Komplex wurde am 29. April 1951 in Gebrauch genommen.

3. Spiritualität der Gemeinde

Großen Einfluss auf diese Entwicklung übte Prediger Bart Dufour (1940–1968) aus. Er gab dem Neubau die Richtung vor und ebenso dem geistlichen Leben in dieser wichtigen Zeit. Er wurde darin von seiner Schwester Mies Dufour unterstützt. Einige Prediger trugen in der Folgezeit ihr Scherflein an der Weiterführung dieser Gedanken bei. Jaap Gulmans (1968–1973), Tjalling Kindt (1987 – 1995) und schließlich ab 1995 Corien van Ark sowie Gerke van Hiele. Von ihnen gingen zahlreiche Initiativen aus. Die Gemeinde ist auf gutem Wege.

2001 wurde die Kirche von Neuem errichtet, mit Spielraum für die Gemeinde von heute, gerichtet auf Feiern, Gruppenarbeit und blühende Kinder- und Jugendarbeit. Sieben Worte hat diese Gemeinschaft in Wageningen für ihre Spiritualität gefunden: Staunen, Vertrauen, Spannkraft, Verbundenheit, Freiheit, Verantwortung und Friedensliebe. Mit Herz und Seele wurde in dieser von der Universität geprägten Umgebung an dem Entstehen der Arboretumkirche „in liberalem Glauben“ zugunsten einer offenen, engagierten und aktiven Gemeinschaft aus Menschen, die verschiedenen Traditionen entstammen, gearbeitet: in der Suche nach neuen Wegen in der Kraft des Geistes.

Literatur

Freerk Smit, Oase van God zijn. Gedenkboek van de Doopsgezinde Gemeente Wageningen en omstreken, 1896–1996 (Oase Gottes sein. Gedenkbuch der Mennonitengemeinde Wageningen und Umgebung), Steenwijk 1996. - Gerke van Hiele, Wageningen. Stad van bevrijding. Een kleine geschiedenis van de Arboretumkerk (Stadt der Befreiung. Eine kleine Geschichte der Arboretumkirche), in: Doopsgezinde Bijdragen 41, 2015, 103–127.

Weitere Informationen: www.arboretumkerk.nl

Gerke van Hiele

 
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