Uruguay

1. Geographischer und staatlicher Rahmen

Uruguay umfasst eine Fläche von 176.215 Quadratkilometern. Im Nordosten grenzt das Land an Brasilien, im Westen an Argentinien. Dort ist der Grenzfluss Uruguay, und im Süden begrenzen der Fluss Río de la Plata und der Atlantische Ozean das Land.

Im Jahr 2010 betrug die Einwohnerzahl des Landes 3.500.000, wovon etwa die Hälfte in der Hauptstadt Montevideo und Umgebung leben.

Seit 1916 sind die Trennung von Kirche und Staat und die Glaubensfreiheit in der Verfassung verankert. 60% der Einwohner bekennen sich zum Christentum, 24% sind religionslos bzw. Atheisten oder Agnostiker, 12% sind Spiritisten, 1,8 % sind jüdischen Glaubens. Von den Christen gehören 47% der Katholischen Kirche an, 6,5 % sind evangelisch bzw. gehören evangelischen Freikirchen an.

2. Mennoniten deutscher Herkunft

Die ersten Mennoniten erreichten Uruguay unter der Leitung des →Mennonite Central Committee (MCC) mit dem Schiff „Volendam“. Ein großer Teil kam aus der Danziger Gegend, aber auch aus Polen und Russland. Viele dieser Flüchtlinge hatten mehrere Jahre hinter Stacheldraht in dänischen Lagern verbracht. Viele machten sich in dem Bewusstsein auf den Weg, nicht über die verlorene Heimat zu trauern, sondern Gott dafür zu danken, dass sie eine Chance erhielten, in Uruguay noch einmal neu anfangen zu dürfen. Ernst Regehr, der einstige Älteste der Mennonitengemeinde in Rosenort (Westpreußen), richtete sein Gebet auf der „Volendam“ an den „Gott des Neuanfangs“ (Peter J. Dyck und Elfriede Dyck, Auferstanden aus Ruinen, 222).

Nach der Ankunft wurde diese Einwanderungsgruppe aufgeteilt: Ein Teil wurde nach Colonia, 178 km von Montevideo entfernt, in ein Lager gebracht und ein anderer Teil nach Arapey, 570 km von Montevideo entfernt. Nach einiger Zeit in den Lagern wurde 1950 die Kolonie El Ombú gegründet. 1951 erreichte ein zweiter Transport Uruguay, und in demselben Jahr wurde Gartental gegründet, 1952 die Gemeinde Montevideo und 1955 die Kolonie Delta. Die ersten Jahre waren von harter Arbeit gezeichnet, erst allmählich verbesserte sich die wirtschaftliche Situation, obwohl zahlreiche Einwanderer das Land wieder verließen.

Die Eröffnung eines Geschäftszentrums für die Kooperativen der Kolonien 1958 in Montevideo war ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage. Nun konnten die landwirtschaftlichen Produkte zu besseren Preisen verkauft werden. 1966 nahm die Molkerei Claldy ihre Arbeit auf und trug wesentlich zum wirtschaftlichen Wachstum der Kolonien El Ombú und Gartental bei. Auch Deltas wichtigster Wirtschaftszweig war die Milchwirtschaft, wegen der Entfernung wurde die Milch aber an andere Molkereifabriken im Lande geliefert. In den siebziger Jahren wurden die Straßen in den Kolonien befestigt und elektrischer Strom eingeführt.

Ein Teil der deutschen Mennoniten gehörte der →Mennoniten-Brüdergemeinde an. Die Gruppe von El Ombú gründete die Kolonie Sarandi im Departamento San José, löste sich aber später auf. Die meisten Bewohner dieser Kolonie wanderten aus. Eine andere Gruppe hatte sich für lange Zeit in Gartental niedergelassen. Heute gibt es in Uruguay eine spanische Konferenz der Mennoniten-Brüdergemeinde.

3. Missionsarbeit unter der uruguayischen Bevölkerung

Die Anwesenheit der deutschen Mennoniten in Uruguay hat mennonitische Missionsbehörden in den USA angeregt, auch in diesem Land eine Missionsarbeit aufzunehmen (→Mission). So kamen 1954 die ersten mennonitischen Missionare nach Uruguay, und bereits 1956 wurde das mennonitische Seminar in Montevideo mit Unterstützung aus Nordamerika gegründet und bot seine Dienste allen Mennoniten in den lateinamerikanischen Ländern an (→Lateinamerika). Besonders fruchtbar für die Gemeinden waren die „Winterbibelkurse“, die für die deutschen Prediger und Interessenten durchgeführt wurden.

Das Seminar und die Missionsarbeit unter der spanischen Bevölkerung sowie die neu entstandenen Gemeinden halfen den deutschen Gemeinden, neue Perspektiven zu gewinnen und ihre Täuferidentität (→Identität) neu zu durchdenken, sich auch mit einigen Personen an der Missionsarbeit zu beteiligen. Gemeinsam mit der Leitung des Seminars und den nordamerikanischen Missionaren wurde dann 1960 die Mennonitische Vereinigung für Evangelisation in Uruguay („Junta“) gegründet. Später sind auch Vertreter der spanischen Gemeinden in diese Missionsarbeit eingetreten. So begann die Gemeinschaft zwischen den deutschen und spanischen Gemeinden zu wachsen.

1970 wurde die Konferenz der spanischen Mennoniten in Uruguay gegründet, 1974 das Seminar in Uruguay geschlossen und nach →Paraguay verlegt. Das stellte besonders die spanischen Gemeinden vor eine neue Herausforderung. Sie mussten nach einem Ersatz für die Mithilfe durch die Seminarlehrer und Studenten suchen. Diese Hilfe fanden sie in der Einrichtung von Abendkursen, in denen sich viele neue Gemeindeleiter auf die Gemeindearbeit vorbereiten konnten. So wurde das Centro de Estudio für viele zum Segen.

1976 kam es in der Gemeinde La Paz zur Gründung eines Kinderheimes, das mehr als dreißig Jahre lang verwaisten Kindern ein Zuhause bot. 1988 wurde die Confraternidad ins Leben gerufen. Sie sollte die Zusammenarbeit der deutschen und spanischen Gemeinden weiter fördern, war aber auf lange Sicht nicht erfolgreich. Ihre Aufgaben wurden durch Gemeindetreffen ersetzt, die von Fall zu Fall einberufen wurden. Auch wurde die Initiative zur Gründung neuer Gemeinden ergriffen.

So haben die Gemeinde Delta schon 1978 die Gemeinde Cufré und die Gemeinde in Montevideo 1993 die Gemeinden Bella Vista 1996 und die Gemeinde Paso de la Arena gegründet. Immer wieder haben die Gemeinden sich ebenfalls bemüht, das Evangelium auch unter die Nachbarn, Arbeiter und Arbeitskollegen zu tragen.

4. Veränderungen und Zukunftsperspektiven

Seit der Jahrtausendwende hat es in den deutschen Gemeinden einen wichtigen Leitungswechsel gegeben. Fast alle leitenden Personen; die noch in Deutschland geboren wurden und denen die deutsche Sprache und Tradition besonders wichtig waren, haben ihre Positionen an Jüngere übergeben. Alle deutschstämmigen Gemeinden laden regelmäßig zu spanischen Andachten ein. In der Gemeinde Montevideo gibt es nur noch zwei Mal im Monat deutsche Andachten, ansonsten werden die Gottesdienste in spanischer Sprache durchgeführt. Viele Prediger besuchen pfingstlerische Seminare vor Ort und nur einige noch das mennonitische Seminar in Paraguay. In den spanischen Gemeinden ist der Predigernachwuchs zum Problem geworden, so dass er durch Prediger aus anderen Kirchen ergänzt werden muss. Inzwischen ist auch das Centro de Estudio, das einer mennonitischen Theologie verpflichtet war, geschlossen worden, und wer eine Bibelschule besuchen will, wendet sich an Seminare der Pfingstbewegung vor Ort. Die Vielfalt theologischer Überzeugungen und gemeindlicher Arbeit hat die Gemeinden nicht nur belebt, sondern die Zusammenarbeit untereinander oft auch erschwert.

Dazu tragen auch externe Einflüsse, wie Fundamentalismus, pfingstlerische und charismatische Bewegung, ebenso die Neuentdeckung der Täufertheologie bei. Nebenher gibt es auch eine Gruppe von Mennonitengemeinden, die noch keiner Konferenz angehören. Einige von ihnen versuchen, das täuferische Erbe wach zu halten.

Heute besteht die deutschstämmige Konferenz aus vier Gemeinden mit 654 Mitgliedern, die spanische Konferenz aus vierzehn Gemeinden mit 612 Mitgliedern, die Brüdergemeinde aus sieben Gemeinden mit 182 Mitgliedern und andere Gemeinden mit ungefähr 100 Mitgliedern.

Bibliografie (Auswahl)

Peter J. und Elfriede Dyck, Auferstanden aus Ruinen, Kirchheimbolanden 1994. - Johannes Bergmann, Neue Heimat in Uruguay, Montevideo 1990. - Hermann Woelke, Comienzos de la Misión Menonita en Uruguay, Montevideo 1993. - Ders., Missionszeugnisse von Personen aus unseren mennonitischen deutschen Kreisen in Uruguay, Montevideo 2001.

Hermann Woelke

 
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