Frankfurt am Main

1. Frühe täuferische und mennonitische Spuren im Rhein-Main-Gebiet

Für Frankfurt gibt es kaum Hinweise auf eine Wirksamkeit der Täufer in Zeiten der Reformation. So wird Mitte des 16. Jahrhunderts von täuferischer Aktivität berichtet, die jedoch keine Spuren hinterließ. Aus dem Jahr 1704 ist dokumentiert, dass sich aus der Schweiz vertriebene Mennoniten in Frankfurt niederlassen wollten. Wegen ihres Glaubens wurde ihnen das jedoch verwehrt. Aus dem Jahr 1897 ist ein erster Gottesdienst für Frankfurter Mennoniten bekannt. Zu dieser Zeit lebten knapp über einhundert Mennoniten im Rhein-Main-Gebiet; in Frankfurt selbst waren es etwas mehr als zwanzig Personen. Sie wurden von Reisepredigern betreut.

2. Gemeindegründung

An der Entstehung der Gemeinde nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Richard Wagner maßgeblichen Anteil. Er kam aus der Mennonitengemeinde Heidelberg und hatte sich aus beruflichen Gründen in Frankfurt niedergelassen. Er wurde zu einem wichtigen Sammler und Organisator der in Frankfurt und in der Region lebenden Mennoniten. Einige von ihnen kamen aus der früheren Gemeinde in Darmstadt, die sich in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre auflöste. Eine andere, viel größere Gruppe waren die Flüchtlinge aus Westpreußen. Sie trafen sich an verschiedenen Orten zu Bibelstunden. 1947 konnten erste Gottesdienste im Haus des →Mennonite Central Committee (MCC) in der Vogtstraße 44 stattfinden. Das MCC hatte hier in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sein Büro für Europa und unterstützte den Aufbau der Gemeinde. Die Gottesdienste wurden zweiwöchentlich gefeiert. 1955 mussten diese Räume aufgegeben werden.

Die Gemeinde bildete sich formell 1948. Richard Wagner übernahm den Vorstandsvorsitz und das Amt des Ältesten (1948 – 1971). Weitere Prediger unterstützten ihn. Durch großes persönliches Engagement verschiedener Gemeindemitglieder und mit Hilfe des MCC und der damaligen mennonitischen Siedlungshilfe konnte die Gemeinde das Haus in der Eysseneckstraße 54 erwerben. Um den Kauf abwickeln zu können, wurde 1956 offiziell ein eingetragener Verein gegründet. Diese Rechtsform als e. V. hat die Gemeinde bis heute. Das MCC und später die Internationale Mennonitische Organisation (IMO) wurden Mieter im Haus und prägten mit ihrer internationalen Hilfsarbeit den Charakter des Hauses bis zum Beginn der 1970er Jahre. Die Nachfolge im Amt des Ältesten trat Johannes →Harder, der als Hochschullehrer im Ruhestand bei Schlüchtern lebte, an (1971 – 1983).

3. Gemeindeleben

Die Gemeinde hatte über viele Jahre keine fest angestellten Prediger. Die verschiedenen Angebote im Gemeindeleben wurden aus dem Kreis der Gemeindemitglieder getragen, die als Älteste, Diakone und Laienprediger die verschiedenen Arbeitszweige des Gemeindelebens gestalteten. Dabei wurden sie von anderen Mennonitengemeinden und von Freunden der Gemeinde unterstützt. Die in größerer Entfernung lebenden Gemeindeglieder im Raum Wetzlar und Mainz wurden in den 1960er und 1970er Jahren in regelmäßigen Abständen mit Hausgottesdiensten betreut.

Die Leitungsstruktur mit Ältesten und Diakonen gibt es heute bis auf die ordinierten und nichtordinierten Laien in der Verkündigung nicht mehr. Die Gemeindearbeit wird seither, vor allem in den Zeiten ohne hauptamtlich angestellte Personen, von den Predigenden, den Vorstandsmitgliedern und vielen ehrenamtlich Mitarbeitenden getragen. Bis heute wird es in der Gemeinde – ganz in täuferischer Tradition – wertgeschätzt, dass sich viele Mitglieder im Predigtdienst engagieren, auch wenn zugleich der Wunsch nach fundierter theologischer Ansprache besteht.

Zu Beginn der 1970er Jahre stellte die Gemeinde zum ersten Mal einen Prediger an (Abram Enns), um die Gemeindeentwicklung zu stärken. In den Folgejahren arbeiteten verschiedene Prediger (Wolfgang Buttkewitz, Heinrich Martens und wieder Abram Enns), die jedoch nicht längere Zeit bleiben konnten. Dadurch kam es immer wieder zu Lücken in der Gemeindearbeit.

2001 wurde Doris Hege als Predigerin und Pastorin angestellt und arbeitet seither kontinuierlich für die Gemeinde. Das Engagement vieler Gemeindemitglieder ermöglicht im Jahresverlauf eine große Vielfalt von Angeboten im Gemeindeleben und stärkt den gemeinsamen Glauben: sonntägliche Gottesdienste, Kindergottesdienst, Glaubensunterweisung, Chor, Bibelkreis, Hauskreise, Gemeindesonntage, Besuchsdienste. Das Engagement der Gemeinde zeigt sich beispielhaft in zwei Projekten: Unterstützung einer Grundschule in Sogakope, Ghana, von 2007–2013 in Zusammenarbeit mit dem Mennonitischen Hilfswerk, und „Trauercafé Ginkgo“, das seit 2015 geöffnet hat. Einmal im Monat sind an einem Samstagnachmittag Menschen mit Trauer- und Verlusterfahrung zum Austausch über ihre Probleme und Fragen eingeladen.Ein weiteres prägendes Erlebnis für die Gemeinschaft untereinander waren die vielen Wanderungen auf den Pilgerwegen rund um Frankfurt in den Jahren 2007 bis 2013. Die Mitgliederzahlen sind inzwischen rückläufig: 162 (1973), 128 (1980), 98 (1990), 84 (2000), 48 (2017).

4. Überregionale Mitarbeit

Die Gemeinde Frankfurt ist Mitglied in der →Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Mennonitengemeinden und in der →Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland. So arbeitet sie direkt und indirekt auf regionaler, nationaler und internationaler Gremienebene mit. Sie ist mit Delegierten in weiteren Arbeitszweigen der Mennoniten vertreten, z. B. im Mennonitischen Hilfswerk und dem Jugendwerk der Süddeutschen Mennonitengemeinden. Ökumenisch ist sie unter anderem engagiert in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) Frankfurt, wo sie seit 2008 als Gründungsmitglied mitarbeitet, in der ACK Hessen-Rheinhessen und in anderen interkonfessionellen Foren.

Quellen

Festschrift: Mennoniten in Frankfurt am Main, Vierzig Jahre Gemeindehaus Eysseneckstraße 54, Frankfurt/M. 2000. - Archiv der Gemeinde.

Anschrift

Mennonitengemeinde Frankfurt am Main, Eysseneckstraße 54, 60322 Frankfurt am Main. - E-Mail-Kontakt: info@mennoniten-frankfurt.de. - Internet: www.mennoniten-frankfurt.de.

Gerd Eymann

 
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