Regehr, Walter

geb. am 22. Juni 1935 in Gnadenfeld, Molotschna, Russland, gest. am 22. Mai 1992 in Neu-Halbstadt, Neuland, Paraguay; Lehrer, Prediger, Geograph und Ethnologe.

Walter Regehr war sechs Jahre alt, als sein Vater zusammen mit anderen Männern des Dorfes Gnadenfeld nach Sibirien verschickt wurde und bald darauf verstarb. Mit seiner Mutter und Schwester Lily flüchtete er 1943 aus seinem Heimatdorf nach Deutschland und kam 1947 nach →Paraguay, wo sie zunächst in Wiesenfeld, Kolonie Fernheim, wohnten.

In Russland hatte Regehr die 1. Klasse besucht, die folgenden Schuljahre auf der Flucht wurden durch häufigen Ortswechsel immer wieder unterbrochen. Von 1948 bis 1952 besuchte er in Filadelfia (Fernheim) die Zentralschule. Anschließend wurde er mit siebzehn Jahren in Neu-Halbstadt (Neuland) als Hilfslehrer angestellt.

Durch die Vermittlung von Dr. Gerhard →Dollinger erhielt er 1957 einen Studienplatz am Pädagogischen Institut in Karlsruhe. Nach dem bestandenen Volksschullehrerexamen ging er an die Universitäten Göttingen und München, wo er die Fächer Germanistik, Geographie und Pädagogik belegte und sein Studium 1965 mit dem Magisterexamen abschloss.

Nachdem er 1966 die Schweizerin Verena Gerber geheiratet hatte, ging das Ehepaar nach Paraguay, wo beide als Lehrer an der Zentralschule in Neu-Halbstadt arbeiteten. 1967 ließ er sich in seiner Heimatgemeinde taufen und wurde zwei Jahre später zum Prediger gewählt.

Durch zunehmende Kontakte mit den Indianergemeinschaften im paraguayischen Chaco gewannen Walter und Verena Regehr die Überzeugung, sich durch ein Ethnologiestudium in Basel für eine eventuelle Arbeit mit den Indianern besser zu qualifizieren. Beide gingen 1973 in die Schweiz, und Walter Regehr schloss 1977 sein Studium an der Universität in Basel mit der Promotion ab.

Zusammen mit ihren beiden Töchtern gingen sie 1977 nach Neuland zurück, wo Regehr zunächst wieder an der Zentralschule in Neu-Halbstadt, aber auch am Lehrerseminar in Filadelfia arbeitete. Bald jedoch erhielt er von der katholischen Kirche das Angebot, als Ethnologe und Geograph in einem Projekt zur Landsicherung für Indianer zu arbeiten. Nachdem ihr Lebensunterhalt finanziell durch die Organisation Dienste in Übersee in Stuttgart gesichert war, trat Walter Regehr vollzeitig für einige Jahre in diesen Dienst ein.

Nach Beendigung des genannten Projektes bemühte er sich, durch den Aufbau eines Viehzuchtbetriebs eine Lebensgrundlage für sich und seine Familie zu schaffen, um sich anschließend frei und unabhängig weiterhin für seine Mitmenschen im Chaco einsetzen zu können. Er wollte dazu beitragen, den Bedürftigen und Benachteiligten in der Gesellschaft Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Dabei lagen ihm die Indianer besonders am Herzen. Durch Landsicherung, so meinte er, könne eine günstige Voraussetzung für die Selbsthilfe geschaffen werden. In vielen Gesprächen mit Indianern versuchte er, deren Wünsche und Bedürfnisse herauszufinden, um ihnen dann Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten. Einen sehr großen Dienst leistete er der Indianergemeinschaft, indem er sich energisch für die Krankenversicherung für Indianer (AMH) einsetzte, die seit vielen Jahren erfolgreich arbeitet und inzwischen auch staatlich anerkannt ist.

Nachdem er viele Informationen über die Indianer gesammelt hatte, wollte er einiges davon zu Papier bringen, um auf diese Weise zum Verständnis der verschiedenen Ethnien in dieser Region beizutragen. Doch dafür blieb ihm keine Zeit mehr. Mitten in seinen Plänen wurde er durch eine heimtückische Krankheit 1992 aus dem Leben gerissen.

Walter Regehr war ein überzeugter Christ und engagierter Mitarbeiter sowie ein hoch motivierter Freund und Förderer der Indianer. Er war ein Naturfreund, dem der Naturschutz sehr am Herzen lag, als viele davon noch nichts hören wollten. Er war ein qualifizierter Wissenschaftler, bevorzugte aber das praktische Handeln. Das Wohl seiner Mitmenschen lag ihm am Herzen, daher setzte er sich für Recht und Gerechtigkeit ein und stellte seine Fähigkeiten und Kräfte in den Dienst der Gemeinschaft, unabhängig von Konfession und Rasse.

Literatur

Walter Regehr, Die lebensräumliche Situation der Indianer im paraguayischen Chaco. Humangeographische und ethnologische Studie zur Subsistenzgrundlage und Siedlungsform akkulturierter Chacovölker. Basler Beiträge zur Geographie, H. 25, Basel 1979. - Verena Regehr, Nachruf auf Dr. Walter Regehr, Neuland, in: Mennoblatt 63 (17/1992), 8. - Jakob Warkentin, Dr. Walter Regehr zum Gedächtnis, in: Mennoblatt 63 (12/1992), 8 f.

Jakob Warkentin

 
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