Hylkema, Tjeerd Oeds Ma Hylke

geb. am 16. Juni 1888 in Leek, gest. am 12 September 1962 in Zeist, Niederlande; Mennonitenprediger, Gründer der Gemeindetagsbewegung und des Fredeshiems.

T. Hylkema wurde als Sohn eines Beraters für das Molkereiwesen geboren, der in regelmäßigen Abständen mit seiner Familie umzog. Der Sohn besuchte das humanistische Gymnasium in Zutphen und Utrecht und studierte Theologie an der Universität Amsterdam und am Taufgesinntenseminar. Er wurde Predigeramtskandidat am 20. Juni 1911 und diente nacheinander den Gemeinden in Giethoorn (1912–1929), Amersfoort (1929–1936) und Amsterdam (1936–1948). Hylkema ging am 6. Januar 1912 die Ehe mit Jacoba Adriana van der Breggen ein; aus dieser Ehe gingen vier Kinder hervor.

In Nachfolge einiger Studenten aus Leiden suchte Hylkema in seiner Studentenzeit – zusammen mit anderen Studenten, wie C. Nijdam und J. M. Leendertz – Kontakt zu →Quäkern in England. In deren internationalem Studienzentrum auf dem Landsitz Woodbrooke bei Birmingham herrschte eine sehr offene Atmosphäre, die von den Niederländern, die aus einer stark von geschlossenen Gruppen geprägten Gesellschaft kamen, als außerordentlich inspirierend erfahren wurde. Kernbegriffe in Woodbrooke waren Offenheit, religiöse Verbundenheit und gesellschaftliches Engagement, die sich unter anderem in einer ökumenischen Einstellung äußerten (zur damaligen Zeit etwas sehr Fortschrittliches), in praktischer Frömmigkeit und einem klaren Bekenntnis zum Pazifismus. Hylkema war von Woodbrooke stark beeindruckt und fand hier eine Quelle lebenslanger Inspiration, die – da er über eine unbändige Energie, natürliche Führungsqualitäten und Durchsetzungskraft verfügte – zu zahlreichen Initiativen führen sollte. In einem Nachruf werden vier Merkmale genannt, die für Hylkema bezeichnend waren: 1. Er war mehr Evangelist als Theologe, 2. er maß dem Gebet große Bedeutung bei, sowohl in der Abgeschiedenheit als auch in der Gruppe, 3. er legte Nachdruck auf die Laienaktivität in der Gemeinde, und 4. er war ein Mann des unumwundenen und streitbaren Pazifismus. An diesen Eigenschaften (alle zurückzuführen auf Woodbrooke) zeigt sich, dass Hylkema in seiner Betriebsamkeit immer vollkommen religiös bewegt und inspiriert war und sich nicht nur zu einer Art Sozialarbeiter oder einem professionellen Organisator entwickelt hatte.

Dennoch organisierte Hylkema alles Mögliche und erwies sich immer wieder als einer der Vorkämpfer für Initiativen zur Erneuerung. Es ist nahezu unmöglich, alle von ihm ausgeführten Aktivitäten vollständig aufzuzählen. Eine seiner ersten Taten an seinem Standort Giethoorn war beispielsweise die Gestaltung eines Arbeitslosenprojektes. Dafür errichtete er eine Korb- und Stuhlflechterei. In demselben Jahr entstand gleichfalls unter seiner Leitung eine Korbflechterschule mit einem Vereinsgebäude. Hylkema sollte in Giethoorn Pionierarbeit auf dem Gebiet der Landgewinnung leisten und engagierte sich bei der Trockenlegung und Urbarmachung von morastigen Gebieten. Außerdem richtete er eine Sonntagsschule für die Kinder in Giethoorn ein und gründete ebenfalls zwei Freizeitheime (das „Kraggehuis“ 1921 und „Samen één“ 1932). Alle diese Initiativen entsprangen seinem sozialen Mitgefühl und waren als praktische Lösung für die sehr armen Bauern aus Giethoorn und Umgebung gemeint. Hylkema war auch an der Gründung einer Raiffeisenbank am Ort beteiligt und an einer Abteilung des Grünen Kreuzes (einer medizinischen Einrichtung). Außerdem war er in Giethoorn als Dirigent eines Chores aktiv, für den er auch die Sätze bearbeitete; er war u. a. Verfasser des Liedes: „Samen één“ (Zusammen eins).

Hylkema hielt seit seinem Besuch bei den Quäkern in England Verbindung zum niederländischen Zweig der Woodbrooker, die sich in Barchem, in Overijssel, trafen. Das dort errichtete niederländische Woodbrooke-Haus geht mit auf seinen Einsatz zurück. Bei den Zusammenkünften waren Gläubige aus vielerlei Denominationen anwesend. Hylkema beschloss 1917, mit den Mennoniten unter ihnen besondere Zusammenkünfte abzuhalten. Das war der Beginn der Gemeindetagsbewegung, in der – typisch Woodbrooke und genauso kennzeichnend für Hylkema – die Rolle und der Beitrag des normalen Gläubigen im Mittelpunkt standen. Für das Zusammenkommen der Mennoniten wünschte Hylkema sich einen eigenen Ort in der Tradition von Woodbrooke/Barchem. So kam es zum Mennonitischen Gemeinschaftshaus in Elspeet (dem heutigen Mennorode). Schon vorher waren vergleichbare Häuser in Giethoorn eröffnet worden, Hylkema entwickelte jedoch stets neue Initiativen und suchte nach geeigneten Orten. 1929 gelang es ihm, durch einen Hinweis eines mennonitischen Bruders in Steenwijk die Hand auf ein Grundstück „von unvergleichlicher Schönheit und Ruhe“ zu legen. Hier konnte er einen lang gehegten Wunsch in Erfüllung gehen lassen, nämlich den Bau eines zunächst vor allem auf die friesischen Mennoniten gerichteten Gemeinschaftshauses, das Fredeshiem genannt wurde.

Auch in diesem Haus wurde im Geist von Woodbrooke der Akzent auf Besinnung, Bibelstudium, Gebet und ähnliches gelegt. Hylkema war – wie schon erwähnt – ebenfalls an der Errichtung bzw. Revitalisierung der übrigen Gemeinschaftshäuser beteiligt, die auf das Zusammenkommen, gemeinsames Frömmigkeitserleben usw. ausgerichtet waren. Da er gut organisieren konnte, aber auch oft als geborener Anführer den Leuten vorausging und sich auch weiterhin für eine weitgehende Erneuerung der mennonitischen Gemeinschaft im Sinne Woodbrookes einsetzte, rief er manchmal allerdings im Kreise seiner Glaubensgenossen Konflikte hervor.

Ebenfalls in der Linie von Woodbrooke lag Hylkemas Einsatz für die Friedensbewegung. Im Jahre 1922 war er an der Gründung der Arbeitsgruppe Mennoniten gegen den Kriegsdienst beteiligt. Nach dem Krieg (1946) gründete er mit einigen anderen die Doopsgezinde Vredesgroep (Mennonitische Friedensgruppe) und das Friedensbüro. Jahrelang war er der Vorsitzende dieser Organisation. Weiter war er Mitglied im Beratungsgremium für den Kriegsminister, das der Regierung im Umgang mit Kriegsdienstverweigerern half und sie in Fragen der Kriegsdienstverweigerung beriet.

In der Zeit des Zweiten Weltkrieges setzte Hylkema sich für aus Deutschland geflohene Juden und für Menschen ein, die in den Untergrund gehen mussten. Zusammen mit dem streng reformierten Professor Victor Rutgers besuchte er 1938 insgeheim das Flüchtlingsbüro von Pastor Heinrich Grüber. Dies führte dazu, dass die Mennonitischen Gemeinschaftshäuser für die Aufnahme deutscher Flüchtlinge geöffnet wurden (sowohl jüdischer als auch christlicher Flüchtlinge). Hylkema war zum damaligen Zeitpunkt nicht nur Vorstandsmitglied bei Buitenlandsche Nooden (ein Hilfswerk für Mennoniten im Ausland), sondern auch noch immer in der Gemeindetagsbewegung engagiert und Vorsitzender des Gemeinschaftshauses Bilthoven. So wurde eine erste (kleine) Gruppe jüdischer und nicht-jüdischer Flüchtlinge in Bilthoven aufgenommen und gleichzeitig eine größere Gruppe in Schoorl (später Elspeet), sowie eine Kindergruppe in Fredeshiem. Ausgehend von Bilthoven entstand im Herbst 1939 auch das Doopsgezind Hulp Bureau zur Linderung von Not im eigenen Land (wie nach der Bombardierung von Rotterdam). Auch dieses Bureau ging auf Hylkema zurück. Er war sein erster Vorsitzender. Weiterhin beschäftigte er sich mit der Nahrungsmittelversorgung und regelte Nahrungsmitteltransporte während des Hungerwinters. Nach dem Krieg wurde seine Mitarbeit bei der Unterstützung deutsch-russischer mennonitischer Flüchtlinge gesucht, und auch dank seiner Mithilfe konnten viele von ihnen in Paraguay ein neues Leben aufbauen.

Hylkema war Mitglied in zahlreichen Kommissionen und mit seiner Begeisterungsfähigkeit immer auch die treibende Kraft. Noch in den fünfziger Jahren hat er als Pionier in Bolsward und Delft eine Volksbefragung organisiert, um die Meinung des durchschnittlichen Niederländers zum Thema der Europäischen Integration zu erfragen. Er tat dies kraft seines Amtes als Vorsitzender der Europäischen Bewegung in den Niederlanden. 1949 wurde Hylkema, der als Folge seiner vielfältigen Aktivitäten mit gesundheitlichen Beschwerden zu kämpfen hatte, auf ärztlichen Rat hin vorzeitig pensioniert. Er ist 1962 in Zeist gestorben.

Veröffentlichungen

De doopsgezinde geschiedenis van de doopsgezinde gemeenten in Rusland in de oorlogs- en revolutiejaren van 1914 tot 1920, Steenwijk 1921, als Übersetzung: Die Mennoniten-Gemeinden in Rußland während der Kriegs- und Revolutionsjahre 1914 bis 1920, Heilbronn am Neckar 1921). - Het Heilige Evangelie naar de beschrijving van Lucas (zusammen mit D. A. Wuite van Maasdijk), Haarlem 1947. - Fredeshiem, herinneringen van ds. T. O. Hylkema, Steenwijk 1960. - Mennonite Bibliography (1631–1961), Scottdale 1977, erwähnt 41 Titel seiner Schriften.

Literatur

Artikel in: Mennonite Encyclopedia V, 409. - J. M. Leendertz, Tjeerd Oeds Ma Hylke Hylkema (16. juni 1888 – 12. september 1962), in: Doopsgezind Jaarboekje, 1963, 17–20. - G. Kater, In memoriam ds. T. O. M. Hylkema, in: Algemeen Doopsgezind Weekblad vom 29. September 1962. - K. D. Prins, Tjeerd Oeds Ma Hylke Hylkema (1888–1962), in: Historische mededelingen van de Historische Vereniging Steenwijk en omstreken 22, 4, 2005, 106–118. - Archivalien: im Doopsgezind Documentatie Centrum in der Doopsgezinde Bibliotheek, Universitätsbibliothek Amsterdam.

Jelle Bosma

 
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