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Grebel, Konrad

geb. ca. 1498 in Zürich, Schweiz, gest. im Mai oder Juni 1526 in Maienfeld, Kt. Graubünden, Schweiz; Humanist und Mitbegründer der Täuferbewegung.

Konrad Grebel stammte aus einer gesellschaftlich und politisch einflussreichen Familie in Zürich, der es gelungen war, ins Patriziat und in den Stand des Landadels aufzurücken. Von 1514 bis 1520 erwarb er sich eine hohe humanistische Bildung an den Universitäten in Basel, Wien und Paris. Er studierte vor allem unter den Humanisten Vadian (Joachim von Watt) in Wien und Glarean (Heinrich Loriti) in Basel und Paris, kehrte allerdings ohne akademischen Abschluss nach Zürich zurück. Zwar drängte ihn sein Vater, mit einem päpstlichen Stipendium das Studium in Pisa und Bologna abzuschließen, aber es kam anders. Grebel schloss sich dem Anhängerkreis Ulrich →Zwinglis an, der 1519 als neu berufener Leutpriester begonnen hatte, grundlegende Reformen am Großmünster in Zürich durchzuführen und das reformerische Vorgehen am Studium des Neuen Testaments in griechischen Urtext zu orientieren, das 1516 von →Erasmus von Rotterdam herausgegeben worden war. An diesem Studium nahm auch Grebel teil. Darüber hinaus war er in zahlreiche antiklerikale Aktionen (→Antiklerikalismus) verwickelt, die von der Losung des Allgemeinen Priestertums aller Gläubigen beflügelt wurde. Im Bibellesekreis um den Zürcher Buchhändler Andreas Castelberger fand er auch zunehmend Kontakt zu Prädikanten, die sich auf der Zürcher Landschaft für die von reformatorischen Losungen inspirierten Absichten einsetzten, die Dorfgemeinden aus der Herrschaft des Zürcher Rates zu lösen (→Gemeindereformation).

Als Zwingli sich gegen die Weigerung dieser Gemeinden wandte, den Kirchenzehnt an das Stift des Großmünsters in Zürich und an das Kloster Wettingen abzuführen (Juni 1523), obwohl er die Legitimation dafür eingestandenermaßen nicht mit dem Göttlichen Recht begründen konnte, solidarisierte sich Grebel mit den Prädikanten der Landgemeinden und riskierte den Bruch mit dem Reformator. Besonders deutlich wurde dieser Bruch auf der berühmten Oktoberdisputation 1523, als Zwingli die praktische Durchsetzung des Beschlusses, die Bilder aus den Kirchen zu entfernen und das Messopfer abzuschaffen, der weltlichen Obrigkeit überlassen wollte. Immer deutlicher trat eine Gruppe radikaler Reformationsanhänger hervor, die nicht bereit waren, einer Obrigkeit in der Stadt zu trauen, die auf der Landschaft bereits eine reformationsfeindliche, angeblich widergöttliche Politik verfolgte. Diese Gruppe zog sich zunächst zurück, um sich bei gemeinsamem Bibelstudium über weitere Reformschritte zu beraten und auch mit Reformatoren anderswo Verbindung aufzunehmen: z. B. mit Martin →Luther, Thomas →Müntzer und Andreas von →Karlstadt. So entstand mit dem Brief an Müntzer vom September 1524 das wichtigste Dokument aus der Feder Grebels. Es zeigt, wie er mit seinen Gefährten einen Reformweg suchte, der sich streng am apostolischen Vorbild orientierte und jeden widergöttlichen Einfluss auf die Erneuerung der Kirche zurückwies. In diesem Brief erschienen zunächst nur die Umrisse einer separatistischen, leidensbereiten und friedfertigen Gemeinde. Doch das war kein Programm, das nun konsequent durchgesetzt werden sollte, sondern lediglich die Wiedergabe der Beratungen, wie sie in einer für diese Gruppe aussichtslosen Situation geführt wurden.

Noch schwankte Grebel zwischen einer Reform der offiziellen Kirche und dem Vorsatz, eventuell eine eigene, von obrigkeitlicher Einflussnahme befreite Kirche zu schaffen. Wie die weiteren Gespräche mit Zwingli zeigten, verfolgte der Grebelkreis zunächst sogar die Absicht, von allen reformbereiten Bürgern einen neuen Stadtrat wählen zu lassen und gemeinsam mit einer entschieden christlichen Obrigkeit eine Erneuerung der Kirche in Zürich durchzuführen. Mit dieser radikalen Absicht fand der Grebelkreis jedoch kein Gehör, und der Bruch vertiefte sich zu einer unüberbrückbaren Kluft, als über Verweigerungen der Kindertaufe auf der Landschaft gestritten und nach ergebnislosen Disputationen die erste Erwachsenen- oder Glaubenstaufe als Zeichen einer durchgreifenden, radikalen Erneuerung der Kirche durch Grebel an dem entlaufenen Priester Georg Blaurock aus Graubünden am 21. Januar 1525 vollzogen wurde (→Taufe). Das war der Beginn der Schweizer Täuferbewegung (→Täufer), die sich zwar immer mehr aus dem engen Verbund von Kirche und weltlicher Obrigkeit gelöst, aber noch nicht die Gestalt einer separatistischen Kirche angenommen hatte. So überrascht es nicht, wenn Grebel nach seiner Inhaftierung und Ausweisung aus Zürich im Gebiet von St. Gallen und im Grüninger Amt (Zürcher Oberland) umherzog und unter aufständischen Bauern für eine gesamtgesellschaftliche Reformation warb. Im Oktober 1525 wurde Grebel gefasst und mit anderen Täufern Anfang März 1526 verhört. Schließlich gelang es ihm und anderen auszubrechen. Er wandte sich nach Graubünden und ins Appenzeller Land, um weiter unter erschwerten Bedingungen für die Täuferbewegung zu wirken.

Einen Einblick in die Persönlichkeitsentwicklung Grebels gewähren gelegentliche Äußerungen Zwinglis und die Akten des Zürcher Rats, vor allem aber der humanistisch stilisierte Briefwechsel, den Grebel mit seinem ehemaligen Lehrer und späteren Schwager Vadian in St. Gallen führte. Diese Briefe zeugen von einem unerbittlichen Reformeifer und dem Ernst, mit dem Grebel sich für die Erneuerung der Kirche einsetzte. Er stand auf dem Boden des reformatorischen Schriftprinzips (→Schriftverständnis) und einem reformatorisch-humanistischen Glaubensverständnis, das einen besonderen Akzent auf die Heiligung und die Ordnungen der Kirche legte.

Er war zwar ein intelligenter und selbstbewusster Wortführer der Radikalen, aber nicht der alleinige Begründer der Täuferbewegung. Viele waren am Entstehen dieser Bewegung beteiligt. Nicht einmal den Weg, auf dem die Täufer zu dem wurden, was sie in der konfessionellen Landschaft des späteren 16. Jahrhunderts auszeichnete, nämlich eine evangelische Freikirche aufzubauen, hat er bestimmen können. Er starb im Frühsommer 1526, verfolgt und krank, in Maienfeld bei Chur an der Pest.

Quellen

Siegfried Bräuer (Hg.), Die beiden Briefe des Grebelkreises an Thomas Müntzer vom 5. September 1524, in: Mennonitische Geschichtsblätter, 57. Jg., 2000, 147 – 173. - Leonhard v. Muralt und Walter Schmid (Hg.), Quellen zur Geschichte der Täufer in der Schweiz, Bd. I, Zürich 1956. - Heinold Fast (Hg.), Quellen zur Geschichte der Täufer in der Schweiz, Bd. 2: Ostschweiz, Gütersloh 1973.- Vadianische Sammlung der Stadtbibliothek, hg. von Emil Arbenz und Hermann Wartmann, Bde. I -VII, St. Gallen 1888 – 1905 (Briefe Grebels in engl. Übersetzung, in: Leland Harder (Hg.), The Sources of Swiss Anabaptism. The Grebel Letters and Related Documents, Scottdale, Pa., Kitchener, Ont., 1985. - Mira Baumgartner (Hg.), Die Täufer und Zwingli. Eine Dokumentation. Zürich 1993 (modernisierte Texte). - Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, hg. von Emil Egli u.a., Zürich 1905 ff.

Literatur

Harold S. Bender, Conrad Grebel, ca. 1498 – 1526. The Founder of the Swiss Brethren, Sometimes called Anabaptists, Goshen, Ind., 1950. - John L. Ruth, Conrad Grebel. Son of Zürich. Scottdale, Pa., 1975 (literarische Darstellung). - Hans-Jürgen Goertz, Konrad Grebel. Kritiker des frommen Scheins 1498 – 1526. Eine biographische Skizze, Bolanden und Hamburg 1998 (überarb. Aufl.: Konrad Grebel. Ein Radikaler in der Zürcher Reformation. Eine biographische Skizze, Zürich, 2004). - Ders. „Ein gmein künftig gesprech“. Eine revisionistische Deutung der Grebelbriefe an Thomas Müntzer vom September 1524, in: Mennonitische Geschichtsblätter, 2000, 31–50. - Diether Götz Lichdi, Konrad Grebel und die frühe Täuferbewegung, Lage 1998. - Andrea Strübind, „Eifriger als Zwingli“. Die frühe Täuferbewegung in der Schweiz, Berlin 2003.- C. Arnold Snyder, Swiss Anabaptism. The Beginnings, in: John D. Roth und James M. Stayer (Hg.), A Companion to Anabaptism and Spiritualism 1521 – 1700, Leiden 2007, 45 – 81.

Hans-Jürgen Goertz

 
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