Epp, Frank H.

geb. am 25. Mai 1929 in Lena, Manitoba, gest. am 22. Januar 1986 in Kitchener, Ontario, Kanada; Journalist, Publizist, Gemeindepastor, Historiker, Collegepräsident und Politiker.

Frank H. Epp wurde als dritter Sohn in einer Familie von acht Söhnen und fünf Töchtern geboren. Seine Eltern, Henry Martin und Anna Epp, waren 1924 aus Russland nach Kanada eingewandert und hatten sich in Manitoba, einem wichtigen Siedlungsgebiet der Mennoniten, niedergelassen. Frank Epp besuchte zunächst mennonitische Schulen in Lena und Gretna, Manitoba, schloss das Studium am Mennonite Educational Institute in Clearbrook, British Columbia, und am Vancouver Teachers College ab, bevor er an das Canadian Mennonite Bible College in Winnipeg wechselte und dort den Grad eines Bachelor of Theology erlangte. Am Bethel College in Newton, Kansas, erwarb er den Bachelor of Arts und an der University of Minnesota zunächst den Grad eines Masters of Arts und schließlich den Doktorgrad im Fach Geschichte mit der unveröffentlichten Dissertation An Analysis of Germanism and National Socialism in the Immigrant News Papers of a Canadian Minority Group, the Mennonites, in the 1930´s (1965).

Während Älteste und Organisatoren der Einwanderung als die führenden Vertreter der ersten Generation mennonitischer Siedler galten, die in den zwanziger Jahren aus Russland nach Kanada gekommen waren, wurde Frank H. Epp zu einer wichtigen Führungskraft der nächsten Generation – hauptsächlich auf Grund seiner schriftstellerischen Fähigkeiten. In einem Artikel, in dem er auf die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts zurückschaute, als er zu schreiben begann, bemerkte er, dass sein Volk, die russischen Mennoniten, jetzt das Bedürfnis entwickelt hatten, in ihrer neuen Umgebung auch öffentlich anerkannt zu werden. Davon zeugt die Zuerkennung der Ehrendoktorwürde an J. J. Thiessen und I. P. Friesen. Beide waren die eigentlichen Gründer des Canadian Mennonite Bible Colleges in Winnipeg (Manitoba), zu dessen frühen Absolventen auch Epp gehörte. Die Bemerkung über das Anerkennungsbedürfnis findet sich übrigens in den Essays in Canadian Mennonite Studies (1972), mit denen J. J. Thiessen geehrt wurde. Epp führte damals schon den Doktortitel, der ihm sicherlich hilfreich war, über die Mennonitengemeinden hinaus auch in einer größeren Öffentlichkeit zu wirken.

Epps Tätigkeiten für seine Kirche in verschiedenen Funktionen wurzelten in seinen frühen Erfahrungen als Angehöriger einer Familie, aus der mehrere Gemeindepastoren oder Mitarbeiter in sonstigen kirchlichen Organisationen hervorgingen. Sein Vater war bereits ordinierter Prediger. Auch wies der Stammbaum der Familie im 19. und frühen 20. Jahrhundert in Russland bekannte Lehrer, Prediger und Schriftsteller auf. Die drei Töchter Epps setzten das Vermächtnis des Predigens, Schreibens und Lehrens fort.

Epps Stil, für die Kirche zu denken, könnte als der zentrale Hinweis darauf beschrieben werden, wie er seine Führungskraft einsetzte. Tief bewegt von dem Sinn, den der Volkscharakter für die Mennoniten angenommen hatte, bezog sich sein Überblick über die Geschichte der russischen Mennoniten, die er nacherzählte, auf die organisierte Ansiedlung sowie die ebenfalls organisierten Maßnahmen, die dem mennonitischen Volk halfen, in ein neues Land einzuwandern, und auf die Organisationsformen allgemein, beispielsweise eine intermennonitische Zeitschrift, um gemeinsames Denken und Handeln in neuen Umgebungen zu fördern. Gleichzeitig beobachtete er weiterhin die Ohnmacht der Mennoniten, als sie von den Stürmen des Krieges und Schicksals geschüttelt worden waren. Er erarbeitete eine Diashow mit Photographien, Tabellen und Landkarten und sprach in Schulen und Gemeinden, um am Beispiel seiner eigenen, weiteren Familie die Mühen aufzuzeigen, wie Teile der mennonitischen Familie von der südöstlichen Ukraine in die Tochterkolonien des Kaukasus, nach Orenburg und Zentralasien zogen, dann auch mit Gewalt nach Sibirien, Kasachstan und die entfernte Region am Amur deportiert wurden. Daran schlossen sich am Ende des Zweiten Weltkriegs Trecks in deutsche Auffanglager an, weiter zogen diese Mennoniten nach Paraguay, Brasilien und Kanada. Die Schriften Epps lenkten die Aufmerksamkeit auch darauf, wie ungeplante Migrationsbewegungen sich an neuen Orten Gelegenheiten verschafften, Zeugnis für ihren Glauben abzulegen und zu werben, ebenso wie gemeinsam organisierte Aktionen die Mennoniten als ein Volk dazu führten, mehr als zuvor ihre Theologie zu reflektieren und ihr eine neue Gestalt durch die erlebte Geschichte zu verleihen.

Wenigstens an drei Orten hatte Epp geholfen, während er eigentlich anderer Arbeit nachging, neue Gemeinden zu gründen und zu leiten. Als er die intermennonitische Zeitschrift Canadian Mennonite herausbrachte, war es zunächst der Versuch, eine englischsprachige Gemeinde, die Altona Mennonite Church, zu fördern und sie für Fragen der Erziehung und sonstige öffentliche Angelegenheiten zu öffnen. Als er seinen Studien für seine Dissertation in Minneapolis nachging, übernahm er die Pflichten eines Pastors in der neuen Stadtgemeinde, die den Namen „Faith Mennonite“ trug. Das war ein Versuch, Mennoniten aus der ländlichen Gegend von Mountain Lake mit städtischen Mennoniten zusammen zu bringen, wie auch vorübergehend Gemeinschaft zwischen den Studierenden und Mennoniten in der Stadt zu stiften.

Epp schwebte vor, die Druckmedien und das Radio zu nutzen, was ihn am bekanntesten machte. Als Begründer des Canadian Mennonite, einer periodisch erscheinenden Zeitung (1953–1967), errichtete er ein Netzwerk von Reportern verschiedener mennonitischer Konferenzen, er aktivierte auch Ressourcen des →Mennonite Central Committee (MCC), um der englischsprachigen Leserschaft die Verschiedenheit ihrer eigenen mennonitischen Welt als auch der Welt darüber hinaus näher zu bringen. Regelmäßig wandte er sich umstrittenen Themen zu und zeigte, dass es einen Weg gibt, diese Themen auf verantwortliche Weise zu durchdenken, indem auf die Vielfalt der Stimmen gehört wird. Schließlich rückte die Zeitung näher an die Conference of Mennonites in Canada (CMC) heran und änderte ihren Namen für eine Weile in Mennonite Reporter, bis sie ihren ursprünglichen Namen wieder annahm, als sie zum offiziellen englischsprachigen Organ der CMC geworden war, später wurde sie das Organ der Mennonite Church Canada. Die Verpflichtung, genau zu berichten und sich nicht nur auf die Stellungnahmen der offiziellen Kirchenvertreter zu verlassen, und ein Gespür zu vermitteln, dass das Leben anderer mennonitischer Kirchen wie der ökumenischen Welt es wert sei, regelmäßig kritisch, aber auch voller Anerkennung wahrgenommen zu werden. Diese Verpflichtung und dieses Gespür sind noch vorhanden, nachdem Epp sich bereits anderen Aufgaben zugewandt hatte. Gleichzeitig wurde er regelmäßiger Sprecher im Radioprogramm von Faith und Life, das von der Radio Station Southern Manitoba (CFAM) gesendet wurde. Hier probierte er erstmals das Konzept aus, zunächst mit einer Geschichte zu beginnen, dann zwei oder drei reflektierende Sequenzen über einen Bibeltext oder ein biblisches Thema anzuschließen und dazwischen Chormusik einzustreuen. Dieses Programm wurde noch Jahrzehnte lang mit anderen Sprechern und anderen Sängern fortgesetzt. Epp neigte dazu, junge und unerfahrene Personen anzuwerben, um sich von ihnen helfen zu lassen und um Aufgaben an sie zu delegieren, während er sich inzwischen selber schon anderen Arbeitsgebieten zugewandt hatte.

So verbrachte er einige Zeit in Akron (Pa.), wo er die Aufgabe eines Exekutivsekretärs der MCC Peace Section übernommen hatte. Die Themen, die er in Angriff nahm, deuteten nicht nur auf eine erhöhte Aufmerksamkeit für die ungleichen Wege, auf denen Mennoniten, die stärker mit der amerikanischen Kultur in Berührung kamen als die Mennoniten in Kanada, danach trachteten, Friedensthemen in Reaktion auf den amerikanischen Militarismus zu behandeln. Er bemühte sich schließlich auch sehr aktiv darum, die Einrichtung eines Büros für das MCC in Ottawa zu betreiben, oder er drängte die Mennoniten, die kanadische UN Association zu unterstützen, deren Mitglied er wurde. Durch seine Erfahrungen als Ausschussmitglied in kanadischen mennonitischen Organisationen sowie in der General Conference of Mennonites in Nordamerika verlieh er seiner Enttäuschung über die anhaltende Vorherrschaft der amerikanischen zu Lasten der kanadischen Perspektiven Ausdruck. Er kritisierte, dass man sich überwiegend mit der Innen- und Außenpolitik der USA beschäftigte, als ob die Politik Kanadas nur ein Anhängsel wäre. Diese kritische Haltung schlug sich in der Essaysammlung zu Mennonite Peoplehood (1977) nieder, in der er nicht nur für eine ausgewogenere Berücksichtigung binationaler Befindlichkeiten sorgen, sondern auch nationale Strukturen in Anschlag bringen wollte, um die Friedensthemen besser behandeln zu können. Aus diesem Grunde hatte er sich für die Gründung eines MCC Canada besonders intensiv eingesetzt.

Epp war zutiefst davon überzeugt, dass der Volkscharakter der Mennoniten jeweils nur so stark sei, wie er aus dem schonungslosen Ringen um die eigene Geschichte hervorginge. Als er in Altona (Kanada) arbeitete, schrieb er ein sorgfältig recherchiertes Buch über „The Rescue and Resettlement of the Russian Mennonites Since the Communist Revolution“, wie der Untertitel seines Mennonite Exodus (1962) lautet. Dieser Titel erinnert an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten durch das Rote Meer. Dieser Exodus wurde zum Teil wieder vergegenwärtigt, als russische Mennoniten den Bedrängnissen und Verfolgungen durch das sowjetische Regime und die Rote Armee entkommen waren. Zu derselben Zeit war er über die übertriebene Furcht vor der bolschewistischen Bedrohung besorgt, die seine Vätergeneration veranlasst hatte, das nationalsozialistische Regime in Deutschland (→Drittes Reich) als ein kulturelles und militärisches Bollwerk gegen die Sowjetmacht anzusehen. So war seine Dissertation ein Versuch, die Geschichte der Unterstützung des Nationalsozialismus durch die kanadischen Mennoniten zu untersuchen und eine theologisch orientierte Kritik dieser Unterstützung zu liefern. Diese Dissertation wurde bekannt, sofern er ihre Ergebnisse in mennonitischen Colleges vorgetragen hatte, doch sie wurde niemals veröffentlicht.

Das Bemühen um ein angemessenes Verhältnis zu den Juden war ein anderes Thema, das er aus mehreren Perspektiven anzugehen versuchte. Er kritisierte die mennonitische Bereitschaft, den nationalsozialistischen Antisemitismus zu übersehen, er erforschte im Rahmen seiner Arbeit in der MCC Peace Section die fortdauernden Spannungen im Mittleren Osten um Palästina und den Staat Israel und begann, Geschichten beider Seiten zu sammeln. Whose Land is Palestine (1970) wurde nach längeren Besuchen 1971 und 1974 von einem anderen Buch ergänzt, nämlich The Palestinians: Portrait of a People in Conflict (1976). Dieses Buch wurde auf der Grundlage von 2500 Interviewseiten geschrieben, in denen eine Vielfalt von Stimmen und Ansichten ihren Niederschlag gefunden hatten. Später erschien noch The Israelis: Portrait of a People in Conflict (1980). Das eröffnete ihm die weitere Teilnahme an den Jüdisch-christlichen Dialogen. Als Epp eine Aufsatzsammlung unter dem Titel A Strategy for Peace (1973+) veröffentlicht hatte, war das eine Gelegenheit, um darum zu ringen, wie der Ost-West-Konflikt, der Konflikt im Mittleren Osten und andere Formen politischer Konflikte überwunden werden könnten, denen Mennoniten in einer sich entwickelnden Welt gezwungen waren, ins Auge zu sehen.

Frank Epp starb mit 57 Jahren an einer Herzschwäche. Damals war er wohl mit dem noch unvollendeten Projekt der mehrbändigen Geschichte der Mennonites in Canada (1974, 1982) am bekanntesten geworden. Er gründete dieses Werk auf umfangreiches Archivmaterial, ergänzte es durch mündliche Aussagen von Zeitzeugen und zeichnete so die Veränderungen in den Mennonitengemeinden zwischen 1786 und 1940 nach. Er griff auf ein ursprüngliches Bild zurück, das sich leicht in den Untertiteln der ersten beiden Bände erkennen lässt: The History of a Separate People (1786–1920) und A People´s Struggle for Survival (1920–1940), nämlich auf das Bild vom „Volk“. Das Bild auf dem Schutzumschlag zeigte eine Einwandererfamilie mit ihren Koffern in der Hand, doch das Buch erzählte eine viel komplexere Geschichte als nur die Geschichte der Einwanderung. Es war ein wichtiger Beitrag zur kanadischen Immigrationsforschung allgemein und rang um die Probleme eines „nicht mehr abgesonderten Volkes“, das sich inzwischen der Kultur seiner neuen Heimat angepasst hatte. Der dritte Band, der 1996 veröffentlicht und größtenteils von Ted Regehr geschrieben wurde, sprach dann auch von „einem veränderten Volk“ (Transformed People) zwischen 1939 und 1970. Zur Entstehungsgeschichte dieses Werkes gehört auch, dass es zu derselben Zeit fertig gestellt war wie das vierbändige Mennonite Experience in America. Auf einer anschließenden Konferenz, die einberufen wurde, um beide Projekte zu evaluieren, wurden die ähnlichen, aber auch sehr unterschiedlichen Weisen kritisch diskutiert, wie die mennonitische Kirche mit ihrer jeweiligen Kultur in Austausch stand.

Bis zu seinem Tod hatte Epp mehr als zehn Jahre Geschichte am Conrad Grebel College gelehrt und das College als Präsident geleitet. Die Aufgaben, die er im MCC übernommen hatte, schlossen den Vorsitz der MCC Peace Section (1979–1985), die Mitgliedschaft im MCC Executive Committee und im Präsidium der Mennonitischen Weltkonferenz (1972–1978) ein. Auch seine Energie, mit der er neue Programme und Projekte auf den Weg brachte, hinterließen ihre Spuren. Es lässt sich sagen, dass er ein Anwalt für große Anliegen war, Neues vorantrieb, das oft auf den Widerstand derjenigen stieß, deren Stil weniger konfrontativ war. Aber er wurde auch geachtet, weil er das Risiko nicht scheute und sich beispielsweise als Kandidat für das kanadische Parlament aufstellen ließ, um die Arbeit für den Frieden voranzubringen. Er zweifelte nicht daran, dass das mennonitische Volk, das auf eine lange Geschichte zurückblickt, in der es auf die Probe gestellt worden war, zu größeren Aufgaben berufen sei, als es bisher in Angriff zu nehmen gewagt hatte.

Schriften (Auswahl)

Kanadische Mennoniten, das Dritte Reich und der Zweite Weltkrieg, in: Mennonitische Geschichtsblätter 1974, 91–102. - Mennonite Exodus. The Rescue and Resettlement of the Russian Mennonites since the Communist Revolution, Altona, Manitoba, 1962. - A Strategy for Peace: Reflections of a Christian Pacifist, Grand Rapids, MI, 1973. - Mennonite Peoplehood: A Plea for New Initiatives, Waterloo, Ont., 1977. - Whose Land is Palestine? The Middle East Problem in Historical Perspective, Grand Rapids, MI, 1970. - The Palestinians: Portrait of a People in Conflict, Scottdale, Pa., 1976. - The Israelis: A Portrait of a People in Conflict, Scottdle, Pa., 1980. - Mennonites in Canada, Bd. 1: The History of a Separated People 1786–1920, Toronto 1974; Bd. 2: A People´s Struggle for Survival 1920–1940, Toronto 1982. - Bd. 3: von Ted D. Regehr, Mennonites in Canada 1939–1970: A People Transformed, Toronto 1996.

Nachrufe

Margaret Loewen Reimer, Journalist, Historian and Mennonite Leader Dies at 56, in: Mennonite Reporter 16, Nr. 3, 3. Februar 1986, 1. - Ron Rempel, Frank H. Epp: Prophet and Poet of Renewal, in: Mennonite Reporter 16, Nr. 3, 3. Februar 1986, 6. - Marlene Eppe, Frank H. Epp (1929–1986): The Life of a Leader, in: Mennonite Reporter 16, 3. Februar 1986, 8.- John A. Lapp, The Unfinished Work of Frank Epp, in: Mennonite Reporter 16, Nr. 3, 3. Februar 1986, 9. - Larry Kehler, I Remember Frank: Reflections by a Co-Worker, in: Mennonite Reporter 16, Nr. 3, 3. Februar 1986,

Walter Sawatsky

 
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