Dyck, Cornelius J.

geb. am 20. August 1921 in Lysanderhoeh, Russland, gest. am 10. Januar 2014 in Normal, Illinois, USA; Hochschullehrer, Täuferforscher und Kirchenführer.

Die Eltern C. J. Dycks waren Johannes J. und Renate (Matthies) Dyck. Er war das zweitjüngste Kind der Familie von neun Kindern, drei Jungen und sechs Mädchen. Geboren wurde er in Lysanderhoeh, der mennonitischen Kolonie Am Trakt an der Wolga in Russland. Die Siedlung, die 1853 gegründet wurde, war eine der letzten Ansiedlungen, die von mennonitischen Auswanderern aus Preußen gegründet wurde. Nach der kommunistischen Revolution im Oktober 1917 verlor die Familie Dyck fast ihr ganzes Land, litt Hunger, da das geerntete Korn eingezogen wurde, und überlebte nur, weil sie mit Lebensmitteln vom →Mennonite Central Committee (MCC) unterstützt wurde. In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde sein Vater Leiter einer landwirtschaftlichen Kooperative in der Siedlung Am Trakt und versuchte auf diese Weise die Landwirtschaft in diesem Gebiet wieder neu zu organisieren.

Um 1927 wurde Johannes Dyck klar, dass die radikaleren Kommunisten die Kontrolle über die Produktion übernahmen, dass die bäuerlichen Kooperativen aufgelöst werden sollten und dass es für ihn keinen Platz mehr in der Gemeinde gab. So verkaufte er seinen Besitz, kaufte Fahrkarten für die Eisenbahn und die Schiffspassage, um gemeinsam mit seiner Familie nach Saskatchewan in Kanada auszureisen. Es gelang ihm, das Land zu verlassen, kurz bevor die sowjetischen Agenten ihn verhaften konnten.

In Saskatchewan siedelte die Famlie Dyck in Hawarden, südlich von Saskatoon, und zog dann nach Tiefengrund in der Nähe von Laird nördlich von Saskatoon weiter, wo sie besseres Ackerland vorfanden. Nach dem Besuch der Grund- und Oberschule in der Gegend von Hawarden und Laird absolvierte C. J. Dyck das Rosthern Junior College, ein privates mennonitisches Gymnasium.

Während des Zweiten Weltkriegs beantwortete Dyck die Einberufung zum Militärdienst mit einem Antrag auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen. Er wurde von einem Richter angehört, und ihm wurde eine Aufschiebung des Militärdienstes für die Dauer des Krieges gewährt. Da sein Vater während des Krieges gesundheitlich nicht auf der Höhe und sein Bruder Peter →Dyck als Kriegsdienstverweigerer in England arbeitete, wurde Cornelius für den Dienst auf der elterlichen Farm freigestellt.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs arbeitete C. J. Dyck als Freiwilliger für das MCC, zunächst in England und in den Niederlanden. 1946 erhielt er den Auftrag, in der Britischen Zone Deutschlands an der Betreuung der Notleidenden mitzuarbeiten und denjenigen, die auswandern wollten, zu helfen, vor allem Flüchtlingen aus Osteuropa und Russland.

Er brachte die tägliche Speisung von ungefähr 100.000 Kindern in Norddeutschland auf den Weg und ließ die Lebensmittel, die von nordamerikanischen Mennoniten durch das MCC zur Verfügung gestellt wurden, verteilen. Er war sich dessen bewusst, dass es in den Hungerjahren zwischen 1922 und 1924 die Lebensmittelhilfe des MCC war, die ihm das Leben gerettet hatte. Dyck wurde schließlich von diesem Hilfswerk beauftragt, von 1949 bis 1951 in Südamerika zu arbeiten und die mennonitischen Flüchtlinge aus Deutschland und Russland in Paraguay, Uruguay und Brasilien ansiedeln zu helfen.

1951 beendete Dyck die Tätigkeit für das MCC und kehrte nach Nordamerika zurück. Dort wurde er Pastor an der Zion Mennonite Church in Elbing, Kansas. Im folgenden Jahr heirate er Wilma Regier, die aus seiner Heimatgemeinde Tiefengrund stammte. Aus dieser Ehe gingen drei Töchter, Mary, Jennifer und Suzanne, hervor.

Dyck versah den Dienst als Pastor in Elbing bis 1955. Während diesen vier Jahren schloss er auch das Studium der Geschichte mit dem Grad eines Bachelor of Arts am Bethel College in North Newton, Kansas, ab. Von 1955 bis 1959 absolvierte er ein Programm, das zum Bachelor of Divinity und zum Doktor der Philosophie (Geschichte) an der University of Chicago mit einer Dissertation über den niederländischen Täufer Hans de Ries führte. Während dieser Zeit war er auch Geschäftsführer des Mennonite Biblical Seminary, das sich damals noch in Chicago befand. Als Geschäftsführer plante und beaufsichtigte er den Umzug des Seminars 1958 nach Elkhart (Indiana).

1959 wurde Dyck dazu ernannt, historische Theologie an dem Mennonite Biblical Seminary zu lehren, und er unterrichtete in dieser Disziplin bis zum Eintritt in den Ruhestand 1989. Bedeutsame Verantwortlichkeiten wuchsen ihm bereits kurz nach Aufnahme der Lehrtätigkeit zu. Er wurde zum Direktor des Institute of Mennonite Studies ernannt, die Einrichtung, die für Forschung und Veröffentlichung zuständig war, und nahm diese einundzwanzig Jahre lang wahr. Während dieser Jahre organisierte er Konferenzen, ermutigte Forscher zu schreiben und zu publizieren, und brachte annähernd fünfzig Publikationen zum Druck, darunter auch John Howard Yoders The Politics of Jesus und Millard Linds Yaweh is a Warrior.

1961 wurde Dyck Sekretär der →Mennonitischen Weltkonferenz und blieb es bis 1973. Er spielte eine wichtige Rolle dabei, der weltweiten Vision der Weltkonferenz Ausdruck zu verleihen, und formuliert 1972, dass die Mennonitische Weltkonferenz „ein Teil der Sendung sein muss, mit der sie in der Welt beauftragt ist – nicht nur gegenüber weißen, westlichen Mennoniten, sondern gegenüber allen Mennoniten (…). Wenn die Weltkonferenz nicht ein integraler Teil dessen werden kann, was alle Mennoniten sein und in der Welt tun wollen, kann sie keine wirkliche Zukunft haben“ (MWC, Newsrelease).

In den frühen 1960er Jahren war Dyck Beobachter auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil, der einzige Mennonit, der dort war. Im Auftrag der Mennonite Weekley Review in Kansas berichtete er als Journalist von seinen Beobachtungen. Janeen Bertsche Johnson, Studentenpfarrer auf dem Campus des Mennonite Biblical Seminary, bemerkte: „Mennonitische Ansichten über Katholiken veränderten sich mit der Zeit, und darauf hatten die Berichte C. J.s vom Vatikanum einen großen Einfluss.“

Der Umzug des Mennonite Biblical Seminary, einer Einrichtung der General Conference, nach Elkhart im Jahr 1958 sollte zu einer engeren Zusammenarbeit mit dem Goshen Biblical Seminary führen, einem Seminar, das der Old Mennonite Church gehörte. Dyck war es, der die Zusammenarbeit und schließlich den Zusammenschluss beider Seminar zum heutigen Anabaptist Mennonite Biblical Seminary stark vorantrieb.

Dycks sprachliche Fähigkeiten in Englisch, Deutsch, Französisch, Holländisch, Spanisch und Niederdeutsch, bereicherten seine Lehrtätigkeit, machten ihn zu einem idealen Beobachter auf dem Vatikanischen Konzil, ermöglichten es ihm, als Sekretär der Mennonitischen Weltkonferenz mit Mennoniten weltweit zu kommunizieren und setzten ihn in Stand, Ideen und Forschungsergebnisse, die in diesen verschiedenen Ländern hervorgebracht wurden, in seine eigenen Schriften zu übernehmen.

Während seiner Lehrtätigkeit am Seminar schrieb Dyck auch zahlreiche Bücher, Aufsätze sowie Buchrezensionen. Zwei seiner bekanntesten Bücher sind Twelve Becoming: Biographies of Mennonite Disciples from the sixteenth to twentieth centuries (1973) und Introduction to Mennonite History (1967, 1981 und 1993), die über die Jahre als Textbuch in High Schools und Colleges genutzt wurden. Mit Dennis Martin gab er Band V der Mennonite Encyclopedia heraus.

Neben seiner regulären Lehrtätigkeit und Verwaltungsarbeit fand Dyck auch Zeit, sich um Angelegenheiten der örtlichen Kirchen- und Gemeindearbeit zu kümmern. Er gehörte dem Gründungsrat des Oaklawn Psychiatric Centre in Elkhart, Indiana, an und arbeitete im Elkhart YMCA mit, wo Sport- und Gemeinschaftsprogramme für die Jugend entwickelt wurden. Er saß auch im Vorstand der Elkhart Urban League, deren Aufgabe es war, Afroamerikaner zu befähigen, zu wirtschaftlicher Selbstständigkeit zu gelangen. Er half Church Community Services auf die Beine zu stellen, eine ökumenische Organisation, die Familien mit geringem Einkommen unterstützt. Dyck war Mitglied in einer Anzahl mennonitischer Geschichtskomitees, sowohl auf nationaler wie internationaler Ebene, und arbeitete in Konferenzkomitees mit, darunter im Business Administration Committee der General Conference Mennonite Church.

Während seiner gesamten beruflichen Laufbahn war Dyck zutiefst bemüht, die Grenzen der Täufer- und Mennonitenforschung auszuweiten. Er unterstützte die grundlegenden Forschungen Harold S. Benders, der mit einem Kollegenkreis am Goshen Biblical Seminary die Richtung der Forschungen änderte. Dyck ermunterte ebenfalls eine neue Forschergeneration, zu der auch John Howard Yoder gehörte, die die Täufer- und Mennonitenforschung in neue Gefilde vorantrieben. Als sozialhistorisch orientierte Historiker wie James M. Stayer und Klaus Deppermann ihre Forschungsergebnisse zu veröffentlichen begannen, unterstütze er sie. Dyck war nicht doktrinär eingestellt, sondern stets empfänglich für neue Einsichten und Ideen. Die Überarbeitungen seiner Introduction to Mennonite History spiegelte die sich jeweils verändernde Forschungslage wider.

Dyck war ein ausgezeichneter Lehrer, dem es gelang, die Geschichte für die Studierenden lebendig zu machen. Er verfügte über einen Reichtum persönlicher Erfahrungen, auf die er zurückgreifen konnte, er war tief im täuferisch-mennonitischen Erbe verwurzelt und liebte die Kirche. Er verfügte über einen engagierten Stil zu lehren und hatte Sinn für Humor. Cornelius J. Dyck bereicherte die mennonitische Glaubensgemeinschaft und Kirchen darüber hinaus auf bedeutsame Weise als Lehrer, Forscher und Kirchenführer.

Werke (Auswahl)

Schriften von Cornelius J. Dyck

Hans De Ries: Theologian and Churchman. A Study in Second Generation Anabaptism. Thesis (Ph. D.), University of Chicago 1962 (unveröffentl.). - Introduction to Mennonite History. A popular history of the Anabaptists and the Mennonites, Scottdale, PA, 1967, 1981, und 1993. - Twelve Becoming: Biographies of Mennonite Disciples from the sixteenth to twentieth centuries, Newton, KS, 1973. - Spiritual Life in Anabaptism, Scottdale, PA, 1995.

Von C. J. Dyck herausgegebene Schriften

A Legacy of Faith: the heritage of Menno Simons. A sixtieth anniversary tribute to Cornelius Krahn, Newton, KS, 1962. - Proceedings of the seventh, eighth, and ninth Mennonite World Conferences, Mennonite World Conference, 1962, 1967 und 1972. - C. J. Dyck, Robert S. Kreider und John A. Lapp (Hg.), The Mennonite Central Committee Story: Documents, Bde. I, II, III, and IV, Scottdale, PA, 1980–1998 (Bd.1: From the Files of MCC; Bd. 2: Responding to Worldwide Needs; Bd. 3: Witness and Service in North America; Bd. 4: Something Meaningful for God). - Cornelius und Wilma Dyck (Hg.), A Pilgrim People, Saskatoon 1987. - Cornelius J. Dyck und Willard Swartley (Hg.), Annotated Bibliography of Mennonite Writings on Peace and War, 1930–1980 (1987), Scottdale, PA, 1989. - Cornelius J. Dyck und Dennis Martin (Hg.), Mennonite Encyclopedia, Bd. V, Scottdale, PA, 1990. - Cornelius J. Dyck, William E. Keeney und Alvin J. Beachy (Hg.) The Writings of Dirk Philips,1504–1568. Classics of the Radical Reformation, Bd. 6, Scottdale, PA, 1992.

Reihenherausgeber

IMS Faith and Life Pamphlet Series, Studies in Anabaptist and Mennonite History, IMS Classics of the Radical Reformation Series, Adult Bible Study Guides u. a.

Zahlreiche Aufsätze und Artikel von C. J. Dyck

in: Mennonite Quarterly Review, Mennonite Life, Mennonitische Rundschau, The Mennonite, Mennonitische Geschichtsblätter, Pennylvania Mennonite Heritage, Mennonite Encyclopedia etc.

Literatur

Walter Klaassen (Hg.), Anabaptism Revisited. Essays on Anabaptist/Mennonite studies in honor of C. J. Dyck, Scottdale, PA, und Waterloo, Ont., 1992 (mit einer ausführlichen Bibliografie, zusammengestellt von Henry Poettcker, 202–209). - MWC news release, February 26, 2014, „In Memoriam: Cornelius J. Dyck (1921–2014)“. - Robert Kreider, Cornelius J. Dyck: Biographical Vignettes, in: Walter Klassen (Hg.), Anabaptism Revisited, Scottsdale, PA, 189–200. - AMBS News release, Jan. 13, 2014: C.J. Dyck, professor emeritus, died Jan. 10. - John Rempel, In Memoriam Cornelius J. Dyck, in: Mennonitische Geschichtsblätter 2014, 219 – 221. - Johannes J. Dyck, Am Trakt: A Mennonite Settlement in the Central Volga Region, CMBC Publications and Manitoba Mennonite Historical Society, 1995. - Ders., Am Trakt: Eine Mennonitische Kolonie im Mittleren Wolgagebiet, North Kildonan, MB 1948. - Ders., A Pilgrim People, Diary of Johannes J. Dyck 1885–1948, Diary of Johannes J. Dyck (1860–1929), Memoirs of Johannes D. Dyck (1826–1898) übers. und hg. von C. J. Dyck and Peter J. Dyck, Winnipeg, MB, 1994.

John Friesen

 
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