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Ostpreußen

Das Gebiet, das Ostpreußen genannt wurde, hatte wechselnde Grenzen, aber seit den Anfängen 1466 reichte es von Marienwerder im Westen bis zur Memel (Klaipeda) im Norden an der Küste der Ostsee mit Königsberg als der Hauptstadt. Ursprünglich war es von einem baltischen Stamm, den alten Pruzzen, bewohnt worden; die weitere Küstengegend wurde erobert und mit militärischer Gewalt vom Deutschen Ritterorden christianisiert. 1525 bekannte sich der letzte Hochmeister des Ordens zum Luthertum. Er wurde in den Rang eines Herzogs erhoben und sein Herrschaftsgebiet zum Herzogtum Preußen erklärt, während der geistliche Orden aufgelöst wurde. 1618 erbte das Haus Hohenzollern, das die Herrschaft über Brandenburg innehatte, dieses Herzogtum und löste es 1657 aus der Polnischen Oberherrschaft. Die Bezeichnung Preußen wurde 1701 Brandenburg zuerkannt, als sich Kurfürst Friedrich III. in Königsberg zum König in Preussen krönen ließ. König Friedrich II. riss 1772 das sogenannte königliche Polen zwischen Brandenburg und dem Herzogtum Preußen nach der Ersten Teilung dieses Landes an sich, und änderte die Namen des königlichen und herzoglichen Preußen in West- und Ostpreußen (→Westpreußen). Die größten mennonitischen Siedlungen in diesem weiteren Gebiet befanden sich stets in Westpreußen, aber die kleineren Gemeinden Ostpreußens teilten ihre Geschichte auf Engste mit der größeren Gruppierung.

1. Schwierige Anfänge der Täufer und Mennoniten im Herzogtum Preußen

Zahlreiche Dokumente berichten von den Täufern und Mennoniten in diesem Gebiet während des 16. Jahrhunderts, aber doch waren damals noch keine beständigen Gemeinden gegründet worden. Der Druck der Verfolgungen im Heiligen Römischen Reich und die guten Handelsbeziehungen zwischen diesem Gebiet und den Niederlanden ließen dieses Territorium außerhalb des Reiches zu einem geeigneten Platz für Flüchtlinge werden. Der neue Herzog Albrecht begegnete den niederländischen Siedlern 1527 mit Konzessionen, die eine heterogene Gruppe anzog, unter vielen anderen auch Täufer. Bekannt sind zwei angesehene Räte des Herzogs, die Beziehungen zu den Täufern unterhielten. Christian Entfelder, ein Schüler Hans →Dencks und Bekannter Balthasar →Hubmaiers, war ein solcher Ratgeber seit 1536 und Gerhard Westerburg aus Köln seit 1542. Es ist unwahrscheinlich, dass sie zu jener Zeit ihrer Gesinnung nach noch Täufer waren. Zwei niederländische Kolonien mit einigen Täufern wurden 1527 nördlich von Preußisch Holland und in den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts im Distrikt von Rossgarten gegründet, der zu Königsberg gehörte.

1543 gewannen strengere Verfechter der lutherischen Orthodoxie Gehör beim Herzog, und nach dem Aufspüren möglicher Täufer gelang es ihnen, die Ausweisung der Täufer mit einem Edikt zu erwirken. Das war das Ende größerer Siedlungen der Mennoniten in dem Territorium, auch wenn einzelne Mennoniten noch in den Akten der Stadt Königsberg für die Jahre 1579 und 1669 auftauchten.

2. Die Mennoniten im Königreich Preußen

Die besonders strenge Religionspolitik der Herzöge Preußens veränderte sich nach 1543 zu einem unregelmäßigeren Kurs, nachdem das Haus Hohenzollern sein brandenburgisches Territorium nach 1701 stärker in das Gesamtterritorium eingebunden hatte. Friederich I. lud Mennoniten 1711 in sein Territorium ein und hoffte auf verfolgte Siedler aus der Schweiz. Diese Aktion verlief sich aber größtenteils mit der Ansiedlung von Mennoniten aus Polen. Sein Sohn Friedrich Wilhelm I. wiederholte diese Einladung 1713 und hatte dieses Mal Mennoniten aus der Weichselniederung im Blick. Auch diese Aktion endete hauptsächlich mit einer Ansiedlung von Mennoniten in Preußisch Litauen, wo sie eine florierende Milchwirtschaft entwickelten. Ihr Käse, bekannt als Tilsiter Käse, begann den Markt in Königsberg um 1723 zu beherrschen. Nach einer Erweckung 1717 schlossen sich einige Lutheraner der Gemeinde an, heirateten mennonitische Frauen, und als die Mennoniten 1723 gezwungen wurden, Wehrdienst zu leisten und diesen verweigerten, ordnete der König ihre Ausweisung aus dem Land an. Er ließ jedoch eine kleine Gruppe nahe Rautenberg und in Königsberg gewähren. Die Ausgewiesenen kehrten nach Polen zurück, wo eine große Gruppe die Gemeinde Tragheimerweide gründete. Als der König 1732 versuchte, Protestanten aus Salzburg anzusiedeln, vertrieb er alle Mennoniten aus seinem ganzen Territorium, um für diese besseren protestantischen Siedler Raum zu schaffen.

Veränderungen in der Politik der Hohenzollern führten seit 1713 zu einer erneuten Einwanderung der Mennoniten nach Königsberg, vor allem aus Danzig. Die beiden wichtigsten wirtschaftlichen Aktivitäten waren die Herstellung von Branntwein und Spitzenwirkereien. Vor allem das Destillieren von Branntwein war neu in der Stadt, versprach neue Steuereinnahmen und das Ende teurer Importe aus Danzig. Mennoniten, die in anderen wirtschaftlichen Bereichen tätig waren, riefen allerdings den Argwohn der Zünfte hervor. Als das Ausweisungsedikt von 1732 in Kraft trat, legten die lokalen Behörden eine Liste mit siebzehn angesehenen mennonitischen Familien vor, um ihre grundsätzliche Bedeutung für die Krone zu dokumentieren. Der König stimmte schließlich zu, es den Mennoniten zu erlauben, in der Stadt zu bleiben, wenn sie dafür Extraabgaben entrichten würden. Aber Mennoniten in den ländlichen Gegenden mussten das Land verlassen. Als sein Sohn Friedrich II. 1740 den Thron bestiegen hatte, wurde die Duldung in seinem gesamten Territorium erneut in Kraft gesetzt und eine Gemeinde in (→Preußisch Litauen) wieder hergestellt.

Die Gemeinde in Königsberg kaufte 1752 ein Haus, in dem sie ihre Gottesdienste feierte, und baute 1769 ein Gebetshaus auf demselben Gelände. Ebenso hatte sie zwei Häuser für die Armen und Alten der Gemeinde erworben. Mit der ersten Teilung Polens wurde 1772 aus dem Herzogtum Preußen Ostpreußen, und die hier existierenden Gemeinden profitierten von den Verordnungen und finanziellen Regelungen der Mennoniten in der Weichselniederung, um ihre Befreiung vom Militärdienst unter Friedrich II. beibehalten zu können. Die Tatsache, dass die Mennoniten in Polen vor allem unter der neuen preußischen Herrschaft mit dem Ausweisungsedikt von 1723 konfrontiert waren, das wiederum mit dem Verbot, Konvertiten und Partner in Mischehen aufzunehmen, verbunden war, veranlasste alle westpreußischen Gemeinden mit der Zeit, diese beiden Prozesse zu bannen. Neue Mitglieder von außerhalb der Gemeinde anzunehmen, war mit dem Preußischen Edikt von 1789 sowieso praktisch verboten. Deshalb wurde einerseits die Isolierung der Mennoniten von ihrer sozialen Umgebung zu Beginn des 19. Jahrhunderts verstärkt, andererseits war ihre wirtschaftliche Integration gewachsen.

Die kleine Gemeinde in Königsberg war ziemlich fortschrittlich gesinnt und den Diskussionen etwas voraus, die seit den 1820er Jahren in langwierigen Beratungen um den Wechsel vom Laienpredigertum zu akademisch ausgebildeten Predigern. In den 1830er Jahren wurde drei jungen Männern eine theologische Ausbildung an deutschen Universitäten ermöglicht, einer davon war Carl Harder aus Königsberg. Er wurde von Hermann Warkentin, einem Geschäftsmann und Lehrer in der Gemeinde, unterstützt und dort 1846 im Alter von nur 26 Jahren als Lehrer eingesetzt. Junge Gemeindeglieder in Elbing, wo er in demselben Jahr Renate Thiessen geheiratet hatte, forderten ihn auf, auch hier zu predigen. Seine Popularität war in Elbing groß, und die Tatsache, dass die Königberger Gemeinde unter seiner Leitung Mitglieder aufnahm, die in der Weichselniederung unter Bann standen, führte zu einer Spaltung in der Gemeinde Elbing-Ellerwald und zur Gründung der Gemeinde Elbing. Die kleine Gruppe, die Carl Harder folgte, baute 1852 ihre eigene Kirche und schloss sich der Gemeinde in Königsberg an. Harder diente beiden Gemeinden als Ältester, bis er 1858 nach →Neuwied überwechselte. Er gründete die erste Zeitung der Mennoniten in Deutschland, die Monatsschrift für evangelische Mennoniten (1846–48), und setzte sich für die Erlaubnis von Mischehen, die Befolgung der Wehrpflicht und eine intensivere Integration der Mennoniten in das Leben der deutschen Mittelklasse ein. Seine unorthodoxen Ansichten über die Taufe forderten die traditionellen Mennoniten stark heraus, die sich mit den obrigkeitlichen Behörden verschworen, seine Ordination und seine Autorität als Ältester zu widerrufen, was seinen Weggang nach Neuwied zur Folge hatte.

3. Die Mennoniten nach der Gründung des Deutschen Reichs

Die Gründung des Deutschen Reichs 1871 brachte es mit sich, dass alle männlichen Mennoniten verpflichtet wurden, den Militärdienst entweder in der Truppe oder im waffenlosen Dienst zu leisten. 1874 beseitigte ein neues Gesetz fast alle Einschränkungen der bürgerlichen Rechte für die Mennoniten, die ihnen durch ein Edikt 1789 auferlegt worden waren. Diese Veränderungen verursachten in Ostpreußen keinerlei Schwierigkeiten. Carl Harder konnte 1868 nach Elbing zurückkehren und übernahm wieder den Dienst eines Ältesten sowohl in der Gemeinde Elbing als auch in der Gemeinde Königsberg bis zu seinem Tod 1898.

1869 hatte die Gemeinde in Preußisch Litauen 774, in Königsberg dagegen nur fünfzig Mitglieder. Die Königsberger Gemeinde gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Vereinigung der Mennoniten im Deutschen Reich (→Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden) und unterstellte 1899 die Kontrolle eines Fonds von 125000 Reichsmark der Vereinigung mit einigen Erlösen, die noch an die Gemeinde zurückflossen. Im Ersten Weltkrieg nahmen nur wenige ostpreußische Mennoniten die Möglichkeit für sich in Anspruch, den waffenlosen Dienst zu versehen. Die Inflation der 1920er Jahre zwang die Gemeinde in Preußisch Litauen, wieder zum Laienpredigertum zurückzukehren.

4. Das Dritte Reich, der Krieg und die Auflösung der Gemeinden

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die westliche Grenze Ostpreußens bis zur Nogat ausgedehnt. Auf der anderen Seite befand sich der Freistaat Danzig, wie es der Vertrag von Versailles geregelt hatte. Auf diese Weise waren viele Mennonitengemeinden Ostpreußen zugeschlagen worden: Elbing, Elbing-Ellerwald, Thiensdorf-Markushof, Tragheimerweide und der Heubudenzweig in Marienburg.

Nur wenige Details über die Haltung der Mennoniten in Ostpreußen zum nationalsozialistischen Regime sind bekannt, doch die frühe Einwilligung, den militärischen Dienst zu übernehmen, und die Hinwendung zum deutschen Nationalismus hier deuten an, dass die meisten Mennoniten wohl in einem positiven Verhältnis zu dem neuen Regime standen (→Drittes Reich). Bruno →Götzke, der letzte Älteste in Preußisch Litauen, war auch Bürgermeister in Neukirch und Leiter der lokalen Schulbehörde unter der Herrschaft des Nationalsozialismus.

Diese Gemeinde wurde im Oktober 1944 in die nähere Umgebung Königsbergs evakuiert. Die meisten männlichen Gemeindemitglieder wurden eingezogen. Als die sowjetische Armee aber die Stadt im Januar 1945 umlagerte, wurden die Frauen, die überlebt hatten, in ihre alte Heimat zurückgeschickt und bald ins Nachkriegsdeutschland deportiert. Königsberg wurde bis April belagert. Einigen Mennoniten war es gelungen zu fliehen, andere, wie der Älteste Josef Gingerich, blieben in der Stadt. 1947 verließ er als einer der letzten Mennoniten Königsberg in Richtung Bayern. Nach dreieinhalbjähriger sowjetischer Haft wurde Bruno Götzke schließlich in den östlichen Teil Deutschlands entlassen, er besuchte verstreut lebende mennonitische Flüchtlinge und hielt an verschiedenen Orten Gottesdienste. So half er, die Mennonitengemeinde in der →Deutschen Demokratischen Republik aufzubauen. 1953 floh er in den Westen.

Bibliografie (Auswahl)

Ernst Crous, Karl und Ernst Harder, Elbing 1927. - Horst Gerlach, The Final Years of Mennonites in East and West Prussia, 1943–1945, in: Mennonite Quarterly Review, 66, 2 und 3, April und Juli 1992, 221–246, 391–423. - Mark Jantzen, Mennonite German Soldiers. Nation, Religion, and Family in the Prussian East, 1772–1880, Notre Dame, 2010. - Ders., The Trouble with Marrying Prussian Lutheran Boys: The End of Exogamous Marriages in the Mennonite Community in the Polish Vistula Delta, 1713–1808 in: Mirjam van Veen u. a. (Hg.), Sisters: Myth and Reality of Anabaptist, Mennonite, and Doopsgezind Women ca. 1525–1900, Amsterdam 2014, 285–301. - Wilhelm Mannhardt, Die Wehrfreiheit der altpreussischen Mennoniten. Eine geschichtliche Erörterung, Marienburg, 1863. - Horst Penner, Christian Entfelder. Ein mährischer Täuferprediger und herzoglicher Rat am Hofe Albrechts von Preußen, in: Mennonitische Geschichtsblätter 23, 1966, 19–23. - Ders,. Die ost-und westpreußischen Mennoniten, 2 Bde., Weierhof, 1978, Kirchheimbolanden 1987. - Erich Randt, Die Mennoniten in Ostpreußen und Litauen bis zum Jahre 1772, Königsberg 1912. - Erwin Wittenberg und Manuel Janz, Geschichte der mennonitischen Siedler in Preußischen Litauen, in: Mennonitische Geschichtsblätter 74, 2017, 73–97.

Mark Jantzen

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