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Warkentin Thiessen, Jakob

geb. am 9. März 1938 in Fürstenwerder, in der Mennonitenkolonie Molotschna, Ukraine, gest. am 22. Mai 2012 in Frankfurt am Main, Bundesrepublik Deutschland, im Alter von 74 Jahren. Er studierte zuerst in Frankfurt, später in Marburg. Warkentin war viele Jahre als Lehrer und Dozent tätig, unterrichtete in Deutschland, in Neuland im Chaco (Paraguay) und war Leiter des Instituts für Lehrerbildung der Mennonitenkolonien in Filadelfia (Paraguay).

Jakob Warkentin Thiessen war das zweite Kind von Jakob und Justina Warkentin. Sein Vater wurde schon früh Opfer des Stalinismus, so dass er unter der Obhut von Mutter und Großmutter aufwuchs. Schon als kleines Kind musste er ab 1943 während des 2. Weltkrieges die Flucht mitmachen. Über Polen kam die Familie im großen Treck nach Deutschland und wurde 1947 auf dem Schiff „Volendam“ nach →Paraguay eingeschifft. Nach einer ersten Station in der Kolonie Menno siedelte sich die Familie schließlich im Dorf Gnadental (Neuland) an und trug zum Aufbau der Kolonie bei.

Jakob Warkentin besuchte schon in der Kolonie Menno die Grundschule und beendete sie 1951 in Gnadental. 1950 wurde er durch die Taufe in die Mennoniten Brüdergemeinde aufgenommen. Von 1952 bis 1955 besuchte er die Zentralschule in Neu-Halbstadt, dem Zentrum der Kolonie Neuland. 1956 fing er eine Ausbildung als Lehrer in der pädagogischen Klasse in Filadelfia an, und im August desselben Jahres wurde ihm eine gründliche Lehrerausbildung in Deutschland ermöglicht.

In Frankfurt musste er sich zunächst drei Jahre lang auf das Abitur vorbereiten, um dann anschließend die Lehrerausbildung in Jugenheim bei Darmstadt abschließen zu können. Als junger, engagierter Lehrer arbeitete er an der Zentralschule in Neuland zwischen 1963 und 1968. Neben dem Fachunterricht in Mathematik, Physik und Chemie war er auch noch eine Zeit lang Leiter der Schule und des lokalen Lehrervereins. Außer dieser Schularbeit betätigte er sich auch als Jugendleiter, Prediger und Dirigent eines Indigenenchores. 1965 heiratete er Sina Hildebrandt. 1969 reiste das Ehepaar nach Deutschland. Jakob Warkentin studierte an der Universität Marburg die Fächer Englisch, Geschichte und Pädagogik. Seine Frau arbeitete als Krankenschwester und sorgte für den Lebensunterhalt. Zwei Jahre, 1974 und 1975, bereitete Jakob Warkentin seine Dissertation vor und unterrichtete nach Beendigung der zweiten Lehrerausbildung 1978 in Tann in der Rhön.

Nach der Rückkehr in den Chaco 1985 arbeitete Jakob Warkentin als Dozent und Leiter des Instituts für Lehrerbildung der Mennonitenkolonien in Filadelfia. Ab 1993 widmete er sich wieder seiner Doktorarbeit und wurde Ende 1995 an der Universität Marburg promoviert. Seine Dissertation, die er auch als Buch veröffentlichte, trägt den Titel: Die Deutschsprachigen Siedlerschulen in Paraguay im Spannungsfeld staatlicher Kultur- und Entwicklungspolitik (1998).

Zwischen 1996 und 1998 war er wieder Leiter des Lehrerbildungsinstituts in Filadelfia, als Dozent blieb er dort bis 2002 tätig. Als Leiter und Dozent setzte er sich mit aller Kraft für die Ausbildung junger deutschsprachiger Lehrer ein, um so zur Verbesserung der deutschen Sprache in Paraguay beizutragen. Er konnte dort seine pädagogischen Kenntnisse voll zur Entfaltung bringen und mit seinen vielfältigen Einsätzen einen wegweisenden Beitrag zum Bildungswesen der deutsch-mennonitischen Schulen in Paraguay leisten. Besonders geschätzt waren die gut durchdachten und tiefgründigen Vorträge für Lehrer und für Verantwortliche in Gemeinde und Kolonie. Er sah sich selber gerne als Grenzgänger, da er in verschiedenen mennonitischen Umfeldern tätig war, was ihn jedoch nicht davon abhielt, auch über den eigenen Rand hinaus seinen Einfluss geltend zu machen und gleichzeitig von anderen zu lernen. Als Mennonit ging er auf andere zu, seien es Paraguayer oder Indigene, Katholiken oder Lutheraner oder Menschen anderer Nationalitäten und anderer politischer Überzeugungen, um Beziehungen aufzubauen. Er war bereit, Herausforderungen zu begegnen, neue Menschen kennenzulernen, sich für seine Überzeugungen einzusetzen und Freunden mit Rat zur Seite zu stehen.

Nach Beendigung seiner Lehrtätigkeit am Institut für Lehrerbildung zog die Familie nach Neu-Halbstadt (Neuland), wo er noch einige Jahre als Schulrat und Aufsichtsrat der Kolonie arbeitete. Auch in seinem Ruhestand blieb er weiter sehr aktiv. Er förderte die Gründung einer Studienstiftung in Neuland, um junge unbemittelte Leuten mit guten Leistungen im Studium zu unterstützen. Außerdem war es sein Wunsch, in Neuland ein wissenschaftliches Archiv aufzubauen. Zuletzt arbeitete er an einem Projekt über die Rolle der USA und des →Mennonite Central Committee (MCC) in Bezug auf die völkische Bewegung in Paraguay (→Drittes Reich). Diese Darstellung konnte er nicht mehr abschließen. Sein unerwarteter Tod auf seiner Besuchsreise in Deutschland lässt eine große Lücke zurück.

Jakob Warkentin veröffentlichte seine inhalts- und lehrreichen Predigten, Vorträge und Reden in drei Büchern, um sie Lehrern, Gemeindearbeitern und Verwaltungsleuten zur Verfügung zu stellen. In seinem letzten Buch Dienst im Namen Christi setzte er Peter und Elfrieda →Dyck, den Mitarbeitern des MCC und den „Errettern der Neuländer und Volendamer“, ein Denkmal. Er war sich bewusst, wie viel er persönlich diesen Menschen verdankte, weil sie ihm mit vielen anderen russlandflüchtigen Mennoniten die Wege öffneten, in Paraguay eine neue Heimat finden zu können.

Jakob Warkentin war auch an Geschichte interessiert und Mitbegründer des →Vereins für Geschichte und Kultur der Mennoniten in Paraguay (1999). Seit der Entstehung des Vereins war er Mitglied im Vorstand und von 2003 bis 2011 der Vorsitzende des Vereins. Für ihn war Geschichte ein Entdecken neuer Aspekte des Lebens, auch für den Dienst an der Gemeinschaft der Mennoniten. Er hat in dieser Zeit die Entwicklung des Vereins maßgeblich geprägt. Er öffnete ihm die Gelegenheit, die Rolle der Mennoniten in Paraguay im Rahmen der weltweiten Bruderschaft zu bestimmen und dies auch den Mitmenschen seiner Umgebung zu vermitteln. Er wollte das Verständnis für die eigene Geschichte fördern, damit wir wissen, woher wir kommen, und verstehen, wo wir stehen und wohin wir gehen wollen. Neben der Veröffentlichung seiner eigenen Arbeiten war er immer auch maßgeblich an der Herausgabe der Jahrbücher des Geschichtsvereins sowie am Lexikon der Mennoniten in Paraguay (2009) beteiligt. Ihm war es wichtig, durch das Studium der Geschichte zum gegenseitigen Verständnis und zum Frieden beizutragen, denn für ihn hatte Frieden stets etwas mit Gerechtigkeit zu tun, die im historischen Kontext gedeutet werden muss. Diese Herausforderung betraf für ihn vor allem das friedliche Zusammenleben der Kulturen im Chaco.

Jakob Warkentin war einer der engagiertesten und produktivsten Lehrer und Pädagogen der Mennonitenkolonien in Paraguay. Vor allem aber war er einer der wichtigsten Förderer der Mennonitengeschichte in Paraguay.

Veröffentlichungen

Jakob Warkentin, Die deutschsprachigen Siedlerschulen in Paraguay im Spannungsfeld staatlicher Kultur- und Entwicklungspolitik, Münster 1998. - Jakob Warkentin: Erziehung und Bildung im Raum der Schule, Asunción 2007. - Ders., Erziehung und Bildung im Raum der Kolonie, Asunción 2007. - Ders., Erziehung und Bildung im Raum der Gemeinde, Asunción 2008. - Mitherausgeber: Lexikon der Mennoniten in Paraguay, Asunción 2009. - Jakob Warkentin, Dienst im Namen Christi, Leben und Wirken von Peter und Elfrieda Dyck, Asunción 2010. - Mitschriftleiter, Jahrbuch für Geschichte und Kultur der Mennoniten in Paraguay, Asunción, Jahrgang 1 (2000) – 12 (2011). - Mitherausgeber: Lexikon der Mennoniten in Paraguay, Asunción 2009.

Nachrufe und Ehrungen

Michael Rudolph und Uwe Friesen, Nachruf auf Jakob Warkentin, in: Mennonitische Geschichtsblätter 2012, 151–154. - Gundolf Niebuhr, In Memoriam Jakob Warkentin (1938–2012), in: Mennonite Quarterly Review 86, 4, 403 f. - Michael Rudolph und Uwe Friesen, Nachruf und Ehrung für Dr. Jakob Warkentin, in: Jahrbuch für Geschichte und Kultur der Mennoniten in Paraguay, Historische Stätten – der mennonitischen Einwanderung in Paraguay, Asunción, Oktober 2012, 233 – 237. - Michael Rudolph, Nachruf für Dr. Jakob Warkentin, in: Mennoblatt, Nr. 13, 1. Juli 2012, 10. - Edgar Neufeld, Ehrung für Dr. Jakob Warkentin, Mennoblatt, Nr. 13, 1. Juli 2012, 10.

Uwe Friesen

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