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Inhaltsverzeichnis

Walpot, Peter

geb. ca. 1518 in der Gegend von Klausen, Tirol, Österreich, gest. am 30. Januar 1578 in Pribitz, Mähren; hutterischer Vorsteher.

Peter Walpot war der dritte bedeutende Vorsteher der hutterischen Brüder (→Hutterische Bruderhöfe). Jacob →Huter hatte mit seiner prophetischen Weitsicht dafür gesorgt, dass sich ein Teil der mährischen Täufer zu festen Gütergemeinschaften zusammenschloss; und Peter →Riedemann hatte diesen Gemeinschaften ein theologisch gut durchdachtes Fundament verliehen. Auf beide konnte sich Walpot stützen. Seinem Organisationstalent fiel nun das Los zu, die Gemeinschaft sozial und wirtschaftlich zu festigen – und zwar nach innen durch die Einführung von →Gemeindeordnungen und nach außen durch die Sorgfalt, mit der er den missionarischen Einsatz seiner Bruderschaft betreute und beaufsichtigte. Er war der Vorsteher der zweiten Generation, einer Zeit, die das „Goldene Zeitalter“ der Hutterer genannt werden sollte.

Walpot, nach seinem Beruf auch Scherer genannt, durchlief die beiden ersten Generationen der hutterischen Geschichte. Er stammte aus der Umgebung von Klausen-Gufidaun in Südtirol. Am 6. September 1529 war er Augenzeuge des →Martyriums, das der schweizerische Täuferführer Georg Blaurock erlitt. Das war ein Ereignis, das ihn tief ergriffen haben muss und das eine enge Verbindung zwischen den österreichischen und schweizerischen Täufern annehmen lässt. Höchstwahrscheinlich verließen Walpot und seine Frau Gredel sowie etwa weitere fünfzig Täufer um 1539 unter Führung von Leonhard Lanzenstiel (Sailer) fluchtartig Tirol. Hinter dem Rücken der Behörden ließen sie ihre Häuser, ihren Besitz und ihre Freunde auf der Flucht nach Niederösterreich und weiter nach Mähren zurück, wo sie sich den hutterischen Gemeinschaften anschlossen.

Im Alter von vierundzwanzig Jahren wurde Walpot zum „Diener des Wortes“ gewählt und so als jüngeres Mitglied neben Peter Riedemann und Leonhard Lanzenstiel in das Leitungsgremium der Bruderschaft aufgenommen. Um 1545 gehört Walpot bereits zum festen Teil einer Delegation, die mit der täuferischen Gemeinschaft des Gabriel Ascherham (Gabrieliten) verhandelte und dazu führte, dass sich dreihundert Gabrieliten den Hutterern anschlossen (→Mähren).

Walpots frühester ausführlicher Brief, der überliefert ist, wurde 1546 an Anton Schneider und dessen drei Gefährten geschrieben, die in Wien inhaftiert waren. Walpot ermahnte sie schriftlich, ermunterte sie, wahrhaft und standfest in ihrem Glauben zu bleiben und sich weiter auf die unbesiegbare Kraft Gottes zu verlassen – selbst bis in den Tod.

Walpot, der zu dieser Zeit selbst im Missionsdienst der Hutterer stand, hatte diesen Brief aus Schlesien geschrieben, wo er, seine Frau und sechs andere auf einer Missionsreise waren. In jener Zeit reiste Walpot auch in die Gegend von →Danzig, um dort missionarischen Aufgaben nachzugehen.

Seit den fünfziger Jahren des 16. Jahrhunderts anerkannten die Hutterer Walpot als einen Mann von besonderer Statur. Er nahm etwa die Rolle Riedemanns nach dessen Tod im Jahre 1556 wahr. Nach Leonhard Lanzenstiels Tod 1565 war Walpot offensichtlich die erste Wahl für das Amt des Vorstehers. In der hutterischen Chronik ist zu lesen, dass Walpot „ein treuer Hirt, trefflicher Lehrer und gottseliger Regierer der ganzen Gemein“ war, „ein fast wohl erfahrner Mann in allen Sachen, guts Austrags, freundlich und bescheiden gegen meniglich, auch ernsthaft, da es die Not erforderte, voraus aber reichlich begabt von Gott mit seinem Wort und Lehr, damit er die Gemein Gottes reichlich erfreuet und erbauet“ (Wolkan, Geschicht-Buch, 387).

Während seiner Zeit als Vorsteher wuchs die hutterische Gemeinschaft schnell auf ungefähr 30 000 getaufte Mitglieder an, die in über einhundert mährischen und slowakischen Haushaben (Bruderhöfen) lebten. Neumühl (Nové Mlýny), der Bruderhof Walpots, wurde in einen Mittelpunkt administrativer Aktivität und eines regen Kurierdienstes für ein- und ausgehende Korrespondenz verwandelt. Briefe wurden den versammelten Brüdern und Schwestern regelmäßig vorgelesen und danach beantwortet. Teams von Schreibern, Chronisten, Liederdichtern und Autoren taten ein Übriges, um eine lange Reihe unveröffentlichter Schriften hervorzubringen: Briefe, Zeugnisse aus dem Gefängnis, historische und biblisch-theologische Werke. Dazu kamen zahlreiche unveröffentlichte Ausgaben von „Artikelbüchern“, die dazu beitrugen, die hutterischen Ideen in fünf Artikel zu komprimieren: Taufe, Abendmahl, Gelassenheit und Gütergemeinschaft, Gewaltlosigkeit und Trennung der gläubigen von den ungläubigen Eheleuten. Diese Bemühungen führten schließlich zum Großen Artikelbuch mit dem Titel Ein schön lustig büechlen ettlicher haubtartikel unsers christlichen Glaubens, der ersten als überliefert bekannten Abschrift eines Kodex von 1583. Es wird höchstwahrscheinlich nicht mehr auszumachen sein, in welchem Maße Walpot selbst an diesem bedeutsamen Werk direkt beteiligt war. Offensichtlich ist jedoch, dass er diese und unzählig andere Entwicklungen und Programme beaufsichtigte. Walpots großes Vermächtnis schließt die Errichtung des lebendigen kulturellen und geistigen Zentrums in Neumühl ein, das unter seiner Führung entstanden war.

Während seiner dreizehnjährigen Tätigkeit als Vorsteher war Walpot für viele Aktivitäten und Ereignisse verantwortlich. Er beaufsichtigte die Aussendung hutterischer Missionare, die in den entfernten deutschsprachigen Gebieten Europas unterwegs waren, in den katholischen, lutherischen und calvinistischen Territorien. Zahlreiche Missionare wurden gefangengenommen, einige starben wegen ihres Glaubens. Er verfolgte die fortlaufenden Gespräche mit den →Schweizer und den →Polnischen Brüdern selber sehr aufmerksam, von denen einige daran interessiert waren, sich den Hutterern anzuschließen. Er koordinierte ein umfassendes Programm, das sich um 1560, begünstigt durch die für seine Zeit ungewöhnliche Tolerierung religiöser Minderheiten in Mähren, zu einem offensichtlich nachhaltigen Lebensstil entwickelte. Die schnell wachsenden Haushaben mussten schulisch besser als bisher versorgt und die wirtschaftlichen Kräfte in einer Zeit langanhaltender Hungersnot koordiniert werden. Gemeindeordnungen wurden erlassen, wo sie notwendig geworden waren, das Handwerk und die Landwirtschaft wurden systematisiert. Walpot führte sein Amt aus, indem er die neuen sozialen und wirtschaftlichen Bereiche einer nun fest etablierten Gemeinschaft straffte und mit dem wachsenden Glauben der Hutterer eng verband. So war es ihm gelungen, die Vision Jakob →Huters auch in der zweiten Generation zu festigen.

Zusammengefasst: durch die charismatischen Bemühungen Jakob Huters waren sich seine Anhänger schon früh über die kommunitären Grundlagen einer christlichen Gesellschaft einig geworden. Ihr Glaubensbekenntnis war in den 1540er Jahren von Peter Riedemann niedergeschrieben worden, dem einzigen Buch, das von den Hutterern für würdig geachtet wurde, im 16. Jahrhundert als Druck zu erscheinen: Rechenschaft unsrer Religion, Lehre und Glaubens. Die Bruderschaft fuhr indessen fort, die Früchte einer straffen und starken Führung unter ihrem dritten Vorsteher, Peter Walpot, zu ernten, dessen Einfluss die vier Jahrzehnte von 1540 bis 1578 umfasste und es den Chronisten erlaubte, sie im Nachhinein so zu beschreiben: „Also wohneten sie im Land, welches ihnen Gott sonderlich verordnet und fürgesehen hätte. Es wurden ihnen Flügel gegeben von dem großen Adler, daß sie allda hinflugen an ihr Ort, so ihnen von Gott bereit war, ernähret und erbauen wurden daselbst, so lang es Gott gefallet“ (Wolkan, Geschicht-Buch, 332).

Quellen

Josef Beck (Hg.), Die Geschichts-Bücher der Wiedertäufer in Österreich-Ungarn, 1526–1785, Wien 1883. - Rudolf Wolkan, (Hg.), Geschicht-Buch der Hutterischen Brüder, Wien 1923, 684 (Register: „Walpot“). - John A. Hostetler, Leonard Gross and Elizabeth Bender (Hg.), Selected Hutterian Documents in Translation, 1542–1654, Philadelphia 1975, 4–33 (Walpots Schuelrede von 1568 und Schuelordnung – Deutsch, mit eng. Übersetzung). - Robert Friedmann (Hg.), Glaubenszeugnisse oberdeutscher Taufgesinnter II, Gütersloh 1967, 49–318.

Literatur

Johann Loserth, Der Kommunismus der Mährischen Wiedertäufer, in: Archiv für österreichische Geschichte 81, Wien 1894 (bes. 8. Kapitel: Die Schulen der mährischen Wiedertäufer). - Robert Friedmann, Eine dogmatische Hauptschrift der hutterischen Täufergemeinschaften in Mähren, in: Archiv für Reformationsgeschichte 28 1931, 80–111, 207–240, bes. 102–111. - Robert Friedmann, Die Schriften der Huterischen Täufergemeinschaften: Gesamtkatalog ihrer Manuskriptbücher, ihrer Schreiber und ihrer Literatur, 1529–1667, Wien 1965, 128–130 u. ö. - James M. Stayer, The German Peasants' War and Anabaptist Community of Goods, Montreal 1991 153–157. - Leonard Gross, The Golden Years of the Hutterites: The Witness and Thought of the Communal Moravian Anabaptists during the Walpot Era, 1565–1578, Kitchener, Ontario, (verbess. Aufl., 1998). - George Huntston Williams, The Radical Reformation, 3. Aufl., Kirksville, Missouri, 2000, 1073–1078. - Astrid von Schlachta, Hutterische Konfession und Tradition (1578–1619): Etabliertes Leben zwischen Ordnung und Ambivalenz, Mainz 2003. - Werner O. Packull, Peter Riedemann: Shaper of the Hutterite Tradition, Kitchener, Ontario 2007. - Matthias H. Rauert, „Ein schön lustig Büchlein": The Influence of Pilgram Marpeck's Admonition on True Baptism and Communion in a Hutterite Polemic, in: The Mennonite Quarterly Review 83, 2009, 425–470.

Leonard Gross

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