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art:jost_ursula

Inhaltsverzeichnis

Jost, Ursula

geb. um 1500, gest. zwischen 1530 und 1539 ; verheiratet mit Lienhard Jost; Straßburger Täuferin und Prophetin.

Außer der Tatsache, dass Ursula Jost in Straßburg lebte, verheiratet war und aus der Ehe eine Tochter, Elisabeth, hervorging, sind über diese Anhängerin Melchior →Hoffmans wenig biographische Details bekannt. Lichter wird es um sie erst im Zusammenhang mit jenen Prophetischen Gesichten und Offenbarungen, die Melchior Hoffman 1530 herausgab. Es handelt sich um insgesamt 77 Visionen, die dem Titel der Schrift zufolge, einer Gottesliebhaberin [Ursula Jost] zwischen 1524 und 1530 durch den Heiligen Geist offenbart worden seien. Tief verwurzelt in der von Unsicherheit und vielfältigen Ängsten erfüllten Umbruchstimmung jener Jahre gewähren Ursula Josts überwiegende „Halluzinationen im Wachzustand“ (Klaus Deppermann) Einblicke in das von Melchior Hoffmans apokalyptischen Erwartungen durchdrungene Straßburger Täufermilieu (→Straßburg). Tief beeindruckt von den Visionen Ursula und Lienhard Josts, dessen Prophezeiungen ebenfalls 1530 gedruckt wurden, stellte Hoffman sie auf eine Stufe mit den alttestamentlichen Propheten. Die meisten Offenbarungen Ursula Josts stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit einschneidenden, als bedrohlich empfundenen Ereignissen, wie dem →Bauernkrieg von 1525. So sieht sie im 34. Gesicht eine große Volksmenge „vom gemeinen Haufen“, die Gott lobt und ihm dankt, nachdem sie durch Tröpflein gesättigt wurde, die von den Zweigen laufen. Das 41. „im Schein des Herren“ empfangene Gesicht zeigt den mit einer dreifachen Krone ausstaffierten Papst, der mit einem Strick um den Hals in die Finsternis geworfen wird.

Ursula und Lienhard Jost, die über Straßburg hinaus, die niederländischen Melchioriten in ihren Bann zogen, sind keine singulären Erscheinungen, sondern stehen im Kontext jenes Männer und Frauen umfassenden Kreises der „Straßburger Propheten“, dem u. a. die ebenfalls einflussreiche Barbara Rebstock angehörte. Bestätigt fühlten sich die „Straßburger Propheten“ durch die Prophezeiungen des weitgehend unbekannten italienischen Wanderpredigers Venturinus (Johannes Baptista Italus), vorhandene Übereinstimmungen scheinen aber auch darauf hinzudeuten, dass sie durch die Gedanken- und Glaubenswelt Hans →Huts beeinflusst waren. Zusammen mit Barbara Rebstock gehörte Ursula Jost nicht nur zu den einflussreichsten Täuferinnen Straßburgs, sondern steht mit ihr gemeinsam in jener Tradition prophetischer, geistbegabter Frauen, deren Anfänge bis ins Urchristentum zurückreichen.

Quellen

Prophetische gesicht und Offenbarung/ der götlichen würckung zu dieser letsten zeit/ die vom XXIIIj. jar biß in dz XXX. einer gottes liebhaberin [Ursula Jost] durch den heiligen geist geoffenbart seind/ welcher hie in disem buchlin. LXXVII. verzeichnet seindt. Straßburg 1530. - Prophetische Gesichte und Offenbarungen vom Wirken Gottes in dieser Zeit, in: Heinold Fast (Hg.): Der linke Flügel der Reformation. Glaubenszeugnisse der Täufer, Spiritualisten, Schwärmer und Antitrinitarier, Bremen 1962, 298–308 (Auszug). - Quellen zur Geschichte der Täufer VII. Elsass 1. Teil, Stadt Straßburg 1522–1532; Elsass. 2. Teil, Stadt Strassburg 1536–1542, hg. von Manfred Krebs und Hans Georg Rott, Gütersloh 1959 und 1960.

Literatur

Klaus Deppermann, Melchior Hoffman. Soziale Unruhen und apokalyptische Visionen Im Zeitalter der Reformation, Göttingen 1979. - Lois Yvonne Barrett: Wreath of glory: Ursula's prophetic visions in the context of Reformation and revolt in Southwestern Germany, 1524–1530, Phil. Diss., The Union Institute, Cincinnati, Ohio, Annarbor, Mich., 1992. - Dies., Ursula Jost and Barbara Rebstock of Strasbourg, in: C. Arnold Snyder and Linda A. Huebert Hecht (Hg.), Profiles of Anabaptist Women. Sixteenth-Century Reforming Pioneers, 3. Aufl., Waterloo, Ont., 1998, 273–287. - Martin Leutzsch: Urchristliche Prophetinnen und ihre Wirkungsgeschichte, in: Kybele – Prophetin – Hexe: religiöse Frauenbilder und Weiblichkeitskonzeptionen, hg. von Richard Faber und Susanne Lanwerd, Würzburg 1997, 55–74. - John D. Derksen, From Radicals to Survivors. Strasbourg´s Religious Nonconfomists over two Generations, T´Goy-Houten 2002. - Hans-Jürgen Goertz, Träume, Offenbarungen und Visionen, in: ders., Radikalität der Reformation. Aufsätze und Abhandlungen 2007, 164–187.

Marion Kobelt-Groch

art/jost_ursula.txt · Zuletzt geändert: 2024/06/28 17:33 von 127.0.0.1

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