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Hoffman, Hof(f)mann, Melchior

geb. um 1500 in Schwäbisch Hall, Deutschland, gest. Ende 1543 in Straßburg, Elsass; Frühreformatorischer Laienprädikant, später Täuferführer; Verfasser apokalyptischer Traktate und biblischer Kommentare.

Der Kürschner Melchior Hoffman aus Schwäbisch Hall tauchte 1523 – 1526 in Livland auf, wo er eine antiklerikale Reformation im Geiste Andreas →Karlstadts voranzutreiben versuchte. Seine Prophezeiung des Weltendes für 1533 führte zu Konflikten mit dem Deutschen Orden (Einkerkerung in Wolmar) und nach dem Bildersturm in Dorpat (Jan. 1525) auch mit den lutherischen Geistlichen und Magistraten von Dorpat, Riga und Reval. Diese Streitigkeiten endeten mit seiner Ausweisung. Er wandte sich nach Stockholm, wurde jedoch von König Gustav I. Wasa ausgewiesen. Der dänische König Friedrich I. versprach sich von Hoffmans Agitation einen kirchenpolitischen Vorteil und gewährte ihm die Stelle eines Diakons an der Nikolai-Kirche zu Kiel (1527).

Hoffman gründete die erste Kieler Druckerei, die er in der Auseinandersetzung mit dem lutherischen Nikolaus von Amsdorff zur Verteidigung seiner →Apokalyptik und im Kampf gegen die lutherische Abendmahlslehre (→Abendmahl) nutzte. In der Flensburger Disputation (April 1529) wurde seine spiritualistische Sakramentsauffassung von Johannes Bugenhagen verurteilt, worauf der dänische König ihn des Landes verwies. Hoffman zog mit Karlstadt zu den „Sakramentariern“ nach Ostfriesland, dann nach →Straßburg, dessen Reformatoren seine Apokalyptik und allegorisch-typologische Hermeneutik (→Schriftverständnis) nach anfänglicher Sympathie für seine Abendmahlslehre verwarfen.

Danach schloss sich Hoffman den „Straßburger Propheten“ an, die als Täufer glaubten, unmittelbare Offenbarungen Gottes zu empfangen und mit Hilfe von Träumen und Visionen ihre Situation zu deuten und die Zukunft vorauszusagen: Ursula und Lienhard →Jost sowie Barbara Rebstock. In Straßburg veröffentlichte er einen großen Teil seiner insgesamt vierzig, nur teilweise erhaltenen Schriften. Nachdem er im Frühjahr 1530 vom Straßburger Rat eine eigene Kirche für die Täufer verlangt hatte, erließ dieser Haftbefehl gegen ihn. Hoffman entkam nach →Emden in Ostfriesland.

1530 – 1532 gewann Hoffman in Ostfriesland und in Holland (→Niederlande) viele Anhänger. 1533 kehrte er nach Straßburg zurück, weil er aufgrund eigener Berechnungen und der Träume der „Straßburger Propheten“ glaubte, dass dort der apokalyptische Endkampf ausbrechen und die Stadt in das Neue Jerusalem verwandeln würde. Angesichts der vielen taufgesinnten Flüchtlinge in der Stadt erwartete Martin →Bucer einen Umsturzversuch der „Melchioriten“. Auf der Straßburger Synode (Juni 1533) wurde Hoffman wegen seiner monophysitischen Christologie, der Lehre vom freien Willen, von der Universalität der göttlichen Gnade, der Verwerfung der Säuglingstaufe und der Doktrin von der Unvergebbarkeit der Sünden nach der Bekehrung verurteilt. Als unbelehrbarer Ketzer und potentieller Anführer der Täufer blieb er bis zum Ende in Kerkerhaft.

Hoffman schuf die geistigen Grundlagen des Münsteraner Täuferreichs. Er begriff die „messianischen Wirren“ als militärischen Endkampf zwischen den freien Reichsstädten, angeführt von Straßburg und den Mächten des Bösen, vertreten durch Kaiser Karl V. als Hauptmann, unterstützt vom Papst und allen übrigen „Irrlehrern“. Am „Tag der Rache“ müsse der „ganze Haufen der Pfaffen untergehen“. Die Täufer sollten – wie die perfecti der Katharer – in diesem blutigen Ringen nicht zu den Waffen greifen, diesen Kampf aber durch Gebete und Schanzarbeiten fördern. Noch vor Christi Wiederkunft würde ein theokratisches Zwischenreich entstehen, von einem frommen König und einem erleuchteten Propheten gemeinsam regiert. Jan Matthijs, Jan van Leiden und Bernhard →Rothmann griffen diese Ideen auf und versuchten sie in →Münster zu verwirklichen, allerdings eliminierten sie die pazifistische Strategie.

Hoffman muss als eigentlicher Stifter des ostfriesischen und des niederländischen Täufertums (→Mennoniten) gelten, das sich von den schweizerischen und oberdeutschen Täufern lange aufgrund der von ihm entwickelten monophysitischen Christologie, wonach Jesus Christus nicht das Fleisch Marias angenommen habe (geboren in und nicht ex Maria virgine), unterschied: Worhafftige zeucknus gegen die nachtwechter und sternen, Da Der Dott mensch Jhesus Christus amm Kreuzs vnd jmm grab, nit ein angenomen fleisch vnd blut auß Maria sey, sunder allein Das pawre vnd ewige wortt, vnd der vnenedliche sun des allerhochsten (1533). Zweifellos hatte diese Christologie nicht eine Anziehungskraft auf Menno Simons und seine Anhänger wegen ihres spekulativen christologischen Charakters ausgeübt, sondern weil sie ihnen diente, den ethischen Ernst ihres Glaubensverständnisses zu begründen: Nur eine Gemeinde ohne „Flecken und Runzel“ (Eph. 5, 27) konnte die „Braut“ Jesu Christi sein, der ohne Sünde war. „Die Übergabe an den Herrn in der Taufe und die Vereinigung mit ihm im Abendmahl wird zur moralischen Verpflichtung, einen himmlischen Wandel zu führen bzw. die fleckenlose Gemeinde darzustellen“ (Heinold Fast). Sowohl diese Lehre als auch das typologische Schriftverständnis, wonach die Erfüllungen im Neuen Testament bereits im Alten Testament präfiguriert waren, haben stark auf Menno →Simons gewirkt, ebenso die Kontraste, die Hoffman zwischen dem Klerus seiner Zeit und den wahren Sendboten scharf betonte. Nicht nachgewirkt haben hier die apokalyptischen Züge, wie sie in Hoffmans Außlegung der heimlichen Offenbarung Joannis des heyligen Apostels und Euangelisten (1530) beschrieben wurden.

Quellen

Überliefert sind zahlreiche Drucke der Schriften Melchior Hoffmans aus dem 16. Jahrhundert; es fehlt eine historisch-kritische Ausgabe seiner Schriften. Werkverzeichnis in: Klaus Deppermann, Melchior Hoffman. Soziale Unruhen und apokalyptische Visionen im Zeitalter der Reformation, Göttingen 1979, 345–349.

Literatur

Klaus Deppermann, Melchior Hoffman. Soziale Unruhen und apokalyptische Visionen im Zeitalter der Reformation. Göttingen 1979 (mit Werk- u. Quellenverz.). - Ders. Melchior Hoffmann. Widersprüche zwischen lutherischer Obrigkeitstreue und apokalyptischem Traum, in: Hans-Jürgen Goertz (Hg.), Radikale Reformatoren. 21 biographische Skizzen von Thomas Müntzer bsi Paracelsus, München 1978, 155–166. - Heinold Fast, Variationen des Kirchenbegriffs bei den Täufern, in: Menn. Geschichtsbl. 1970, 5 – 18. - Peter Kawerau, Melchior Hoffman als religiöser Denker, Haarlem 1954. - Sjouke Voolstra, Het Woord is Vlees geworden, Kampen 1982. - Calvin A. Pater, Karlstadt as the Father of the Baptist Movements, Toronto 1984. - Ralf Klötzer, The Melchiorites and Münster, in: John D. Roth und James M. Stayer (Hg.), A Companion to Anabaptism and Spiritualism, 1521 – 1700, Leiden 2007, 217 – 256.

Klaus Deppermann und Hans-Jürgen Goertz

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