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Vorwort

Zu Band V des Mennonitischen Lexikons
Revision und Ergänzung
Teil 1: Personen
Teil 2: Geschichte, Kultur, Theologie
Teil 3: Verbreitung, Gemeinden, Organisationen

Im Mennonitischen Lexikon wurde das Wissen vom Täufertum des 16. Jahrhunderts und von der Geschichte der Mennoniten gesammelt und enzyklopädisch aufbereitet. Berichtet wurde über die Verbreitungsgebiete und Organisationen ihrer Gemeinden, über die theologischen Anschauungen und kirchlichen Ordnungen, die Kulturleistungen und Beziehungen zu anderen Kirchen und geistigen Strömungen, vor allem auch über führende Persönlichkeiten. Es ist ein historisches Lexikon entstanden - und das in einem doppelten Sinne: Es informiert über eine fünfhundertjährige Konfessionsgeschichte und ist inzwischen selbst zu einem historischen Dokument geworden, sofern es den Stand eines Wissens wiedergibt, das in der Zeit von 1913 bis 1967 zusammengetragen wurde, aber die Hälfte des letzten Jahrhunderts nicht mehr berücksichtigt. Es fehlen die Zeitgeschichte und der Blick, der heute manches anders sehen lässt als früher.

Dieses Lexikon selbst hat eine lange Entstehungsgeschichte. Das Kaiserreich ging unter, der Erste Weltkrieg wurde von Deutschland verloren, die Weimarer Republik scheiterte, das Dritte Reich und der Zweite Weltkrieg hinterließen verheerende Folgen. Doch die Aufbau- und Wirtschaftswunderjahre der jungen Bundesrepublik Deutschland haben auch den Mennoniten ungeahnte Möglichkeiten eröffnet, sich neu zu sammeln, geistlich zu besinnen, sich wieder in einer weltweiten mennonitischen Gemeinschaft zu orientieren und zu neuen Ufern aufzubrechen. Die Mennonitengemeinden haben sich verändert - schon während der Entstehungszeit des Lexikons, aber erst recht seit dem Erscheinen des Vierten Bandes 1967.

Erst danach begann das Wissen von der Geschichte der Täufer und Mennoniten regelrecht zu explodieren. Vieles stimmt nicht mehr, und manches ist hinzugekommen. Die historischen Forschungen zum Täufertum haben Anschluss an die allgemeine Erforschung der Reformationsgeschichte gefunden und sich politik- und sozialgeschichtlichen, aber auch kulturgeschichtlichen Betrachtungsweisen geöffnet. Um nur ein Beispiel zu geben: Was wir über die Einstellung der Täufer zu den sozialrevolutionären Bewegungen ihrer Zeit im alten Lexikon erfahren, ist in höchstem Maße vom damals weit verbreiteten konservativen Staatsverständnis, von antikommunistischer Einstellung und von der Erfahrung eingefärbt, die Mennoniten in der Sowjetunion mit dem Bolschewismus gemacht haben. Mit der „furchtbaren Revolution von 1525" konnten die Täufer nichts gemein haben. So steht es in dem Artikel über den „Bauernkrieg" im ersten Band des Lexikons. Doch heute wird das anders gesehen. Das Täufertum ist „in, mit und unter" der Bewegung des Gemeinen Mannes von 1525 entstanden und mit ihr auch eine „Gemeindereformation", deren Impulse die Täufer über die Niederlage der Bauern hinaus weiter getragen haben. Historisch rücken jetzt andere Wissensbereiche in unser Bewusstsein: der Kommunalismus des ausgehenden Mittelalters, die sozialen Konflikte im ländlichen Bereich, viel mehr Sozial- und Wirtschaftsgeschichte als früher. Alle diejenigen geraten in das Scheinwerferlicht der Geschichtsschreibung, denen angeblich „die Dünste der Apokalyptik in den Kopf gestiegen sind" und die mit dieser schwülstigen Metapher als unzeitgemäße Propheten des Weltuntergangs diskreditiert werden sollten.

Bereits an diesem Beispiel zeigt sich, wie stark sich die historische Kenntnis vom Täufertum erweitert und vertieft hat. Davon ist auch die Erforschung der täuferisch-mennonitischen Geschichte nach dem Aufbruch in der Reformationzeit erfasst und bis in unsere Tage hinein vielfach in ein neues Licht gerückt - ein Prozess, der noch andauert. Das alte Lexikon ist interessant und hat einen nostalgischen Wert. Es befriedigt das Bedürfnis der Mennonitengemeinden nach konfessioneller „Nestwärme". Das ist nicht zu unterschätzen. Aber es ist nicht mehr aktuell und verstellt inzwischen den Blick für die Geschichte der konfessionellen Anfänge des Mennonitentums. So immens die Energie war, die in dieses vierbändige Werk gesteckt wurde, von Christian Neff und Christian Hege, von Harold S. Bender, Ernst Crous und Gerhard Hein, natürlich von den zahlreichen Autoren, die diese Herausgeber einst um sich sammelten, so imponierend auch ist, was da alles erstmals zusammengetragen wurde, das Lexikon kann nicht mehr, wie es im Vorwort hieß, ein Wegweiser sein, „der kurze und richtige Orientierung gibt über alles Wissenswerte, das unsere Gemeinschaft angeht" und, so wird wohl zu ergänzen sein, anderen über sie Auskunft erteilt. Diesen Vorsatz hat die fortschreitende Zeit zunichte gemacht. Das Mennonitische Lexikon hilft nicht mehr, die Geschichte der Täufer und Mennoniten, der ersten Freikirche oder der ältesten Historischen Friedenskirche auf protestantischem Boden, neu zu erschließen. Dieses Lexikon ist selber Geschichte geworden und bedarf der Revision und Ergänzung.

Eine Revision heißt nicht, dass ein neues Lexikon angestrebt wird, sondern dass wichtige Artikel auf den neuesten Stand der Forschung gebracht und neue Stichwörter zu Personen, Organisationen und theologisch neu zu beleuchtenden Anschauungen aufgenommen werden. Es ist also ratsam, im alten Lexikon auch weiterhin nach Informationen zu suchen. Die Revision des Lexikons erhebt nicht den Anspruch, das alte Lexikon zu ersetzen. Es will nur die Einträge des alten Lexikons neu gestalten, wo es besonders dringlich geworden ist, und sie für die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts ergänzen.

Revision und Ergänzung sind in drei Schritten geplant bzw. teilweise schon erfolgt. Zunächst ist ein biographischer Teil erarbeitet worden, nach Abschluss dieser Arbeiten, die vorläufig ins Internet gestellt werden, wird ein historischer, kultureller und theologischer Teil erarbeitet und im Laufe der nächsten Monate sukzessive online gestellt; und zum Schluss soll ein dritter Teil über die Verbreitungsgebiete und Organisationen der Täufer und Mennoniten in aller Welt folgen.

An der Revision haben zahlreiche Autorinnen und Autoren aus dem In- und Ausland mitgearbeitet und sich Mühe gegeben, die wichtigsten Veränderungen gegenüber dem alten Lexikon, vor allem für Deutschland, aber auch für die europäischen Länder, in denen heute Mennonitengemeinden existieren, zu beschreiben. Das gilt auch für andere Kontinente, besonders für Nord- und Südamerika, weniger für Afrika, Asien und Australien. Die letztgenannten Kontinente werden eine stärkere Berücksichtigung in Teil 3 finden, wo die Verbreitungsgebiete und die Migrationen der Mennoniten beschrieben werden, ebenfalls deren Missionsbemühungen und Organisationen. Ohne den selbstlosen Einsatz der Autorinnen und Autoren wäre die Revision des alten Lexikons nicht in Gang gekommen. Dafür ist allen sehr herzlich zu danken. Hilfreich war auch der Beirat, der eigens für die Revisionsarbeit ins Leben gerufen wurde und der den Herausgeber beraten hat. Die Übersetzungen aus dem Niederländischen haben Dr. Martje Postma und Thijn Thijink übernommen, aus dem Französischen Lydie Hege-Wiebe und Sabine Kraut und aus dem Englischen neben dem Herausgeber Gabriele Harder-Thieme, Helmut Foth, Dieter Götz Lichdi und Wolfgang Krauß. Danken möchte ich auch Dr. Jakob Warkentin, der den Weg dafür geebnet hat, dass einige Einträge aus dem damals noch nicht erschienenen, inzwischen aber veröffentlichten Lexikon der Mennoniten Paraguays (Asunción 2007) in überarbeiteter Form übernommen werden konnten. Zwei Artikel wurden aus Global Anabaptist Mennonite Encyclopedia Online (gameo.org) bzw. der Mennonite Encyclopedia, Band V, übernommen, überarbeitet oder ergänzt. So ist bereits der erste Teil des Ergänzungsbandes zu einem Gemeinschaftsprojekt geworden, dem nun der zweite Teil mit den Artikeln folgt, die schon fertig vorliegen. Wir hoffen, dass die Revision, vor allem auf dem Gebiet der Theologie (Teil 2), zu einem Reformwerk für die Mennonitengemeinden weltweit und zur Verstärkung der ökumenischen Beziehungen auf lokaler, regionaler und internationaler Ebene wird.

Abschließend möchte ich auf eine Eigenart besonders hinweisen: Um eine geographische Orientierung in der weltweit verbreiteten Gemeinschaft der Mennoniten zu erleichtern, wurden in der Spalte mit den Lebensdaten der erfassten Personen nur grobe, historisch und politisch neutrale Länderangaben eingesetzt: z. B. Deutschland, Russland, Frankreich, Niederlande, Österreich. Für das 16. Jahrhundert ist der Zusatz Deutschland für einen Ort in Bayern oder in Ostfriesland freilich ein Anachronismus. Doch für den Lexikonbenutzer, der sich in der politischen und nationalen Landschaft der Frühen Neuzeit nicht genau auskennt, ist dieser Zusatz wohl eine erste Hilfe.

Hamburg im Frühjahr 2011

 
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